Die Bedeutung der Verehrung des heiligen Joseph (16/19)

4. Theologische Überlegungen zur Verehrung des heiligen Joseph im Kontext der Heiligenverehrung der Kirche.

Die Sonderstellung des heiligen Joseph in der Geschichte des Heiles bedingt die Besonderheit seines Kultes in der Kirche. Das entscheidende Ereignis der Heilsgeschichte ist die Inkarnation der zweiten göttlichen Person. Mit ihr ist der heilige Joseph aufs engste verbunden. Das gibt ihm einen außergewöhnlichen Rang. Der heilige Joseph ist nicht zu trennen von dem Geheimnis der Inkarnation, die auf das Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung des Gekreuzigten hingeordnet ist. Man kann daher nicht von der Erlösung reden, ohne auch von jenem Gerechten zu reden, dem die Mutter des menschgewordenen Gottessohnes gemäß dem Willen Gottes angetraut war und der dem menschgewordenen Gottessohn vor dem Gesetz Vater gewesen ist, der diesen zwei heiligen Personen in seinem Erdenleben über einige Jahr-zehnte hin enger verbunden gewesen ist als irgendein anderer Mensch117.

Der Gemahl der Gottesmutter, der Nährvater Jesu und das Haupt der heiligen Familie teilt die Nähe zum Geheimnis der Inkarnation und folglich zum Geheimnis der Erlösung mit Maria. Zusammen mit ihr ist er stärker involviert in das Mysterium der Inkarnation, mit dem die Erlösung begonnen hat, als alle anderen Menschen, tiefer auch als Johannes der Täufer. Dieses Faktum begründet seine überragende Heiligkeit118. Ihretwegen kommt ihm eine Sonderstellung zu im Kult der Kirche. Der Vorrang der Gottesmutter in der Kirche, ihr Platz in der Gemeinschaft der Heiligen und ihre Verehrung im Heiligenkult der Kirche, verschafft auch ihm einen solchen, freilich auf einer niederen Ebene. Der einzigartigen Stellung in der Heilsgeschichte entspricht eine einzigartige Stellung in der Kirche. Das hat man schon immer gewusst in der Geschichte der Kirche, jedenfalls in nuce. Charakterisierte die spätere Theologie die Marienverehrung in Abgrenzung von der allgemeinen Heiligenverehrung als „cultus hyperduliae“, als Hyperdulie, charakterisierte sie den Kult des Bräutigams der Gottesmutter als „cultus protoduliae“, als Protodulie119. Im einen Fall betritt man eine höhere Ebene, im anderen Fall bleibt man auf der gleichen Ebene. Die Hyperdulie ist ein Kult, der einem Geschöpf gilt, das durch seine besondere Begnadigung über der ganzen Menschheit steht, das in gewisser Weise die erlöste Menschheit repräsentiert. Maria ist die Vorerlöste und die Vollerlöste, die Immaculata und die Assumpta, die Königin aller Heiligen und die Mutter der Kirche. Die Protodulie aber kommt einem Geschöpf zu, das dank seiner Stellung in der Heilsordnung und dank seiner überragenden Heiligkeit seinen Platz an der Spitze der Menschheit hat, freilich in Unterordnung unter Maria. Die Hyperdulie unterscheidet sich von der allgemeinen Heiligenverehrung in gewisser Weise qualitativ, die Protodulie jedoch nur quantitativ, wenn nicht faktisch, so doch idealiter.

117-Vgl. ebd.
118-Vgl. Henri Rondet (Anm. 40), 46.
119-Josef Blinzler (Anm. 77), 1129 f.

(Joseph Schumacher: Die Bedeutung der Verehrung des heiligen Joseph im Kontext der Heiligenverehrung der Kirche)

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