Pater Simon Gräuter, ein Priester der Petrusbruderschaft, hat einen bemerkenswerten Text für den „Gemeindebrief für die Feier der Heiligen Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus, Basel – Pfarrkirche St. Anton“ geschrieben.
Wegen seiner Aktualität und weil die darin festgestellten Beschreibungen auch andernorts zutreffend sind, sollen die Worte von Pater Simon Gräutler auch auf Tu domine weiterverbreitet werden.
Gerade in den Kreisen der katholischen Tradition begegnet man zuweilen seltsamen Zeitgenossen. Gewiss – Männer, die nur über Fußball und Autos reden können, sind thematisch sehr einseitig veranlagt. Wenn Männer aber nur über Marienerscheinungen reden, dann ist oft ebenfalls irgendetwas faul. Bei manchen Frauen steht es damit nicht besser. Da wird keine Wallfahrt, keine Andacht ausgelassen, aber daheim gammelt die Wohnung vor sich hin. Auch denken manche, Männer wie Frauen, es sei ein Zeichen von Frömmigkeit, möglichst verhuscht und als Mauerblümchen durchs Leben zu gehen. Andere übertreiben es wieder in die Gegenrichtung und nehmen ihre Mitmenschen dauernd mit frommen „Tipps“, „Hinweisen“ und „Hilfen“ in Beschlag, ohne zu fragen, ob das hilfreich oder gewünscht ist. Werden solche Haltungen vor aller Augen und Ohren ins Extreme getrieben, wächst zudem die Gefahr, dass hierbei nicht die Gottesliebe den Ausschlag gibt, sondern Eigensinn, Stolz und Hoffart dahinter stecken: „Seht her“ … „wie demütig“ … „wie unverzichtbar“ … „wie fromm“ … „wie geistig gewandt und klug“ … „wie vorbildlich ich bin“!
Es ist darum gut, wenn wir uns gelegentlich selbst befragen, aus welchem Grund wir dies und jenes tun. Eigenliebe ist natürlich immer mit im Spiel, und das ist auch gut, denn wir sind uns selbst von Gott geschenkt und ehren ihn in den Gaben, die er uns geschenkt hat. Wenn Eigenliebe aber der einzige Antrieb ist und wenn wir nur vor uns selbst und vor anderen „glänzen“ wollen, dann tun wir Gottes Ehre Abbruch.
Bedenklich wird die Frömmigkeit und unser Engagement, wenn wir uns damit für den Nabel der Welt, der Kirche oder unserer Gemeinde halten. Bedenklicher noch, wenn das alles nicht mehr auf dem Boden einer gesunden katholischen Einstellung und Welthaltung steht, sondern von Sonderlehren, Privatoffenbarungen und Endzeitstimmungen gespeist wird. Manche Gläubige kennen das Evangelium mehr schlecht als recht, wissen aber genau, was die „Gottesmutter“ bei irgendeiner Erscheinung verlangt oder ein Seher irgendwo „geoffenbart“ habe.
Andere wiederum halten einen „absoluten Gehorsam“ für katholisch und würden täglich dreimal mit dem Kopf gegen die Wand rennen, sollte dies der Papst von ihnen fordern. Der katholische Glaube kennt aber nur einen „verantworteten Gehorsam“, der unsinnige oder offenkundig irrige Weisungen ebenso ausschließt wie Anordnungen, die sich gegen den in Schrift und Tradition überkommenen Glauben richten.
Einige machen sich schräge Verschwörungstheorien zu eigen. Wieder andere leben in einer beständigen Angst angesichts einer vermuteten (oder in einer Privatoffenbarung angekündigten) Endzeit, auf die ein fürchterliches Gericht folgen werde, dem niemand entgehe und bei dem die ganze Welt zweifellos zur Hölle fahre. Man verabschiedet sich davon, „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ (Mt 5, 13 f.) zu sein, zieht sich aus der Gesellschaft zurück, igelt sich ein, vernachlässigt die Sorge um die Zukunft, da ja ohnehin alles den Bach runtergehen dürfte.
Dabei suhlt man sich einerseits in wohligen Schauern bei der Vorstellung des finalen Zusammenbruchs, andererseits lässt man sich von der damit verbundenen Angst lähmen – geistlich und menschlich. Dass einem manche Mitmenschen zwischenzeitlich für einen komischen Kauz oder ungenießbaren Zeitgenossen halten, ficht die Betreffenden nicht an; vielmehr sieht man sich in der selbst zusammengezimmerten Opferrolle bestätigt, schließlich sind immer alle anderen auf dem falschen Dampfer, man selbst aber auf dem rechten Weg.
Liebe Gläubige! Vielleicht denken Sie jetzt, dass ich es ein wenig übertreibe. Und natürlich spitze ich hier manche Sachverhalte zu. Das heißt aber nicht, dass diese völlig aus der Luft gegriffen wären! Auch aus konservativen katholischen Kreisen heraus hat sich schon so manche Sekte entwickelt, weil man die Lehren irgendwelcher Seher höher bewertete als die eher nüchterne Sicht der Kirche, die nicht von ungefähr alle außergewöhnlichen religiösen Erfahrungen und Praktiken einer strengen Prüfung unterzieht, ehe sie diese den Gläubigen empfiehlt.
Heiligen Sie sich aber vor allem in der Bewältigung Ihres Alltags mit all den Höhen und Tiefen, in denen sich der Wille Gottes äußert. Feiern Sie die Heilige Messe mit, pflegen Sie ein gesundes Gebetsleben ohne Übertreibungen, lesen Sie gute Bücher und vertrauen Sie auf die Gnadenmittel der Kirche, nicht aber auf die Platzpatronen obskurer Seher und Visionen.
Quelle siehe – http://petrusbruderschaft.de/media/Niederlassungen/Thalwil/Basler_Gemeindebrief_102018.pdf
+