Christus geistlich empfangen

Wenn eine Seele, in der Hoffnung auf den himmlischen Lohn oder in der Furcht vor ewiger Strafe, oder des Bleibens in diesem Tal der Tränen müde geworden, von neuem durch das Wehen des Heiligen Geistes heimgesucht, von heiliger Liebe durchglüht und von Gedanken an den Himmel gedrängt wird, sie schließlich ihre früheren Mängel von sich wirft und ihre bislang gehegten Wünsche aufgibt, in dem Vorsatz, als neuer Mensch zu leben, „vom Vater der Lichter, von dem jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk stammt“ (Jak 1,17), durch die Gnade geistliche Fruchtbarkeit empfängt: Was geschieht da anderes, als dass die Seele „durch die Kraft des Allerhöchsten“, die über sie herabkommt und sie mit himmlischer Erquickung überschattet (Lk 1,35), geistlich den Samen des Wortes empfängt und schwanger wird?

Diese Überschattung dämpft alle Begierden des Fleisches und stärkt die Augen des Geistes, so dass sie sehen können.

Durch diese Empfängnis wird das Gesicht der Seele blass – durch wahre Demut im Verhalten; dazu kommt ein Widerwillen gegen Speise und Trank – denn es missfällt der auf geistliche Weise schwangeren Seele all das, woran die Welt sich vergnügt; es verändern sich die Wünsche und das Verlangen – die Seele ersehnt nun andere Güter. […]

Selige Empfängnis – der solch eine Verachtung des Weltlichen folgt und ein solches Verlangen nach Taten, die dem Himmel entsprechen, nach der Beschäftigung mit dem, was Gottes ist! Denn selbst wenn man nur ein bisschen „vom Geist gekostet hat, hört das Fleisch auf, einem zu schmecken.“

Die Seele beginnt mit Maria „ins Bergland“ aufzusteigen, sie sehnt sich nach vertrauter Gemeinschaft mit denen, die den Himmel suchen. […]

(Bonaventura. Lehrer der Weisheit, EOS-V. 2017, 459f.)

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