Auch wer kein Held ist, schafft es, eine Stunde lang einen lästigen Kollegen zu ertragen. Etwas schwerer ist es, nicht nur eine Stunde, sondern einen ganzen Tag lang darin auszuhalten. Wer in der Tugend der Nächstenliebe geübt ist, dem wird es auch eine ganze Woche lang gelingen und vielleicht sogar einen ganzen Monat lang. Sollen wir aber einen schwierigen Menschen ein ganzes Jahr lang ertragen oder sogar ein Leben lang, dann ist das schwer; so schwer, daß zur Nächstenliebe noch eine Tugend hinzukommen muß – eine Tugend, die uns hilft, in schwierigen Situationen durchzuhalten. Das ist die Tugend der Beharrlichkeit.
Thomas beschreibt sie so: Die Beharrlichkeit hilft, in etwas Gutem auszuhalten bis zur Vollendung.
Von zwei Faktoren hängt es ab, wie schwer es fällt, im Gutes-Tun auszuharren: zum einen von der Dauer, zum anderen von der Menge der verschiedenen Schwierigkeiten, die wir gleichzeitig aushalten müssen.
Beharrlich ist der, der nicht aufgibt, das Gute zu tun, auch wenn es lange dauert: „Es gehört wesentlich zur Beharrlichkeit, daß jemand ausharrt bis zum Ende des tugendhaften Werkes; wie der Soldat ausharrt bis zum Ende des Kampfes“ (ad 2). Manche guten Werke haben eine überschaubare Dauer, das Fasten zum Beispiel: Beharrlich im Fasten ist der, der fastet bis zum Ende der Fastenzeit. Andere gute Werke dauern länger. Vierzig Tage reichen für die meisten guten Werke nicht aus. Glauben, hoffen, lieben sollen wir nicht nur ein Jahr lang und auch nicht nur zehn Jahre lang, sondern bis zu unserem Heimgang. „Es gibt bestimmte Tugenden, deren Übung das ganze Leben hindurch dauern muß, wie der Glaube, die Hoffnung und die Liebe. Denn diese richten sich auf das Endziel des ganzen menschlichen Lebens“ (ad 2). Mit dem Fasten sind wir am Ostersonntag fertig, mit dem Glauben, Hoffen und Lieben erst bei unserem Tod.
Nicht allen Menschen fällt es gleich schwer, dauerhaft das Gute zu tun. Wer im Masshalten nur wenig Übung hat, für den ist es hart, vierzig Tage lang zu fasten. Leichter fällt das Durchhalten dem, der geübt ist im Mäßig-Sein. Das gleiche gilt für alle anderen Tugenden. Wer sich nie bemüht hat, in der Nächstenliebe zu wachsen, der tut sich schwer, einen lästigen Zeitgenossen dauerhaft zu ertragen. Wer dagegen in der Nächstenliebe vorangeschritten ist, für den ist es einfacher. Unter diesem Blickwinkel müssen die Tugendhafteren weniger Kraft aufwenden, um auszuharren im Guten.
Aber nicht nur die Dauer macht das Ausharren schwierig. Es kommt auch auf die Menge der Schwierigkeiten an, von denen wir bedrängt werden. Nur in der Mäßigkeit auszuhalten, sich aber im Zorn und Neid gehen zu lassen, ist keine echte Beharrlichkeit. Die Beharrlichkeit, die diesen Namen verdient, läßt sich von keiner Schwierigkeit davon abbringen, das Gute zu tun. Das Christenleben verlangt, sich gegen ganz verschiedene Hindernisse robust zu zeigen: da gilt es, am Glauben festzuhalten, auch wenn das Spott und Nachteile einbringt. Da wird verlangt, sein Leben lang sonntagmorgens auf das Ausschlafen zu verzichten, eine Menge Vergnügen sich zu versagen, seinen Zorn in Schach zu halten, den Neid zu bekämpfen und so weiter.
In all dem auszuhalten ist auch für den nicht leicht, der in jeder Hinsicht tugendhaft ist. Darum ist ihm neben allen anderen Tugenden auch noch die Beharrlichkeit nötig.
Dieses Festhalten an jedem Guten bis zum seligen Ende gegen egal welche Hindernisse geht über Menschenkraft. Es gelingt nur mit der Kraft von oben. Die Tugend der Beharrlichkeit kann darum nur der haben, der die heiligmachende Gnade besitzt. Aber damit allein ist noch nicht alles gewonnen. Eine Tugend nützt uns nur dann, wenn wir sie auch betätigen. Um die Beharrlichkeit auszuüben, brauchen wir jedes Mal noch die helfende Gnade. Unser Wille ist frei, es ist ihm bis zum Tod möglich, vom Guten abzulassen und sich für das Böse zu entscheiden.
Darum brauchen wir bei jeder Entscheidung zum Guten die helfende Gnade.
Pater Gerd Heumesser – KU 2019,10 – Kirchliche Umschau –
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