Bitte um die Gabe der Tränen

Das Missale Romanum hat das Gebet „pro petitione lacrimarum“ bewahrt.

Omnipotens et mitissime Deus, qui sitienti populo fontem viventis aquae de petra produxisti: educ de cordis nostril duritia lacrimas compunctionis; ut peccata nostra plangere valeamus, remissionemque eorum, te miserante mereamur accipere.

Allmächtiger und mildester Gott,
Du ließest dem dürstenden Volke
den Quell lebendigen Wassers
aus dem Felsen entspringen;
entlocke unserem steinharten Herzen
die Tränen der Zerknirschung:
lass uns unsere Sünden beweinen
und so durch Dein Erbarmen
Verzeihung für sie erlangen.

Der allmächtige Gott, der zugleich voll der Süßigkeit ist, ließ die Quelle des lebendigen Wassers für das ausgedürstete Volk hervorsprudeln. Die mit den Gütern der Welt gesättigt sind, können von ihr nicht trinken. Sie bietet sich nur denen dar, deren steinernes Herz durch die göttliche Zuchtrute erweicht worden ist. Ohne die Tränen der Zerknirschung kann das fleischerne Herz, das Gott von uns erwartet, in uns nicht geschaffen werden. Wer aber über seine Sünden Tränen vergießt, dem schenkt Gott Verzeihung; denn solche Tränen zu vergießen ist bereits die erste Gabe.

(Louis Bouyer, Busse und Abtötung, in: Vom Geist des Mönchtums, Otto Müller Verlag 1958)

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Johannes Chrysostomus (344-407) – 27. Januar

[…] Ich aber weiß, an diesem Punkte meiner Geschichte angelangt, nicht, wie mir zu Mute ist. Ich möchte einerseits die an ihm verübten Frevel und Ungerechtigkeiten offen erzählen, andererseits aber habe ich ehrerbietige Scheu vor der sonstigen Tugendhaftigkeit derer, die ihm das Unrecht zugefügt haben. Deshalb will ich versuchen, selbst Ihre Namen geheim zu halten. Dieselben hatten verschiedene Gründe, ihm feind zu sein, und wollten den hellen Glanz der Tugend dieses Mannes nicht ansehen. Sie fanden einige elende Ankläger, und obschon sie die Verleumdung als solche klar durchschauten, setzten sie doch fern von der Stadt ein Gericht ein und fällten das Urteil. Der Kaiser aber, der ihnen als Priestern Glauben schenkte, verfügte, daß jener weit weg von der Stadt seinen Aufenthalt nehmen solle. So wurde derselbe, ohne die Anklage gehört und ohne sich verteidigt zu haben, gleich als wäre er der Punkte, deren man ihn beschuldigte, überführt, gezwungen, die Stadt zu verlassen. Er begab sich nach dem am Eingang zum Pontus gelegenen Hieron. So heißt nämlich der dortige Ankerplatz. Da aber während der Nacht ein sehr heftiges Erdbeben entstand, das die Kaiserin in gewaltigen Schrecken versetzte, so sandte man gegen Morgen Boten an den Vertriebenen mit der Bitte, schleunigst in die Stadt zurückzukehren und die Gefahr von ihr abzuwenden. Nach diesen Boten wurden noch andere geschickt und nach diesen wieder andere, so daß schließlich der Bosporus mit Abgesandten ganz bedeckt war. Als das gläubige Volk dieses erfuhr, verstopfte es förmlich mit seinen Segelschiffen den Ausgang der Propontis; denn alle eilten ihm mit brennenden Wachsfackeln entgegen.

Für dieses Mal wurde also die engverbundene Schar seiner Feinde auseinandergesprengt. Aber nach wenigen Monaten fanden sie sich wieder zusammen und forderten Rechenschaft nicht in betreff der früheren falschen Anklagepunkte, sondern wegen des nach der Absetzung gehaltenen Gottesdienstes. Johannes entgegnete, er sei nicht ordnungsgemäß gerichtet worden, habe keine Anklage gehört, habe sich nicht verteidigen können, sei auch nicht in seiner Gegenwart verurteilt, sondern vom Kaiser verbannt und von ihm auch wieder zurückgerufen worden. Seine Feinde beriefen indessen eine neue Synode und verlangten nicht einmal ein geordnetes Rechtsverfahren, sondern redeten dem Kaiser ein, daß das Urteil gesetzmäßig und gerecht gewesen sei, und verbannten ihn nicht nur aus jener Stadt, sondern schickten ihn auch in ein kleines und einsames Städtchen Armeniens mit Namen Kukusus. Auch von dort vertrieben sie ihn wieder und verwiesen ihn nach Pityus, dem äußersten Punkt des Pontus und des römischen Reiches, in der Nähe der wildesten Barbaren. Doch der gütige Herr duldete nicht, daß der ruhmvolle Kämpfer und Sieger bis zu diesem Inselchen geschleppt werde. Denn als er nach Komana gekommen war, nahm er ihn auf in das ewig junge und schmerzlose Leben. Sein Leib aber, der so herrliche Kämpfe bestanden hatte, wurde neben dem Reliquienschrein des Martyrers Basiliscus beigesetzt, wie es der Martyrer im Traume befahl.

Wie viele Bischöfe nun um seinetwillen von ihren Kirchen vertrieben und selbst bis an die äußersten Grenzen des Erdkreises verbannt wurden, wie viele auch von denen, welche die aszetische Lebensweise sich erwählt hatten, dem gleichen Schicksale verfielen, das scheint mir überflüssig zu erzählen und die Darstellung zu sehr in die Länge zu ziehen. Überdies halte ich es für angezeigt, die widerlichen Vorgänge nur kurz zu behandeln und die Fehler der dabei tätigen Personen, da sie gleichen Glaubens mit uns sind, zuzudecken1. Die meisten von ihnen haben auch ihr Unrecht gebüßt und durch ihre Leiden den Übrigen eine nützliche Lehre gegeben.

Dieses Unrecht verabscheuten ganz besonders die Bischöfe Europas; sie trennten sich sogar von der Gemeinschaft der Urheber desselben, und sämtliche Illyrier schlossen sich ihnen an. Die meisten Bischöfe der morgenländischen Städte dagegen vermieden zwar die Teilnahme an dem Unrecht, spalteten aber nicht den Leib der Kirche. Selbst als der große Lehrer des Erdkreises gestorben war, stellten die Bischöfe des Abendlandes die Kirchengemeinschaft mit denen in Ägypten, im Morgenlande, im Bosporus und in Thrazien nicht eher wieder her, als bis diese den Namen jenes ehrwürdigen Mannes in die Liste der verstorbenen Bischöfe aufgenommen hatten. Und den Arsacius, der auf jenen folgte, würdigten sie nicht einmal einer Begrüßung; den Attikus aber, den Nachfolger des Arsacius, der oftmals Gesandte schickte und oftmals um Frieden bat, anerkannten sie erst später, als er den Namen des Heiligen in das Verzeichnis der Bischöfe eingetragen hatte. […]

(Theodoret von Cyrus (393-466) , Bibliothek der Kirchenväter)

Knieender hl. Franziskus, Ausschnitt G. Gasparro

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Zehn Merkzeichen für den Mann

1. Als Mann bist du ein Mitkreator des Schöpfer-Gottes!
(Als Erfinder, als Künstler, als Vater.)

2. Du hast die Aufgabe, die Erde zu bebauen!
(Auch Acker, Haus, Herd und Land.)

3. Du hast die Aufgabe, die Erde zu bewahren!
(Auch vor ihrer Zerstörung durch Maßlosigkeit in Technik und Wirtschaft.)

4. Du bist für die Erde verantwortlich!
(Für die Gesunderhaltung und die Bewahrung des Lebens – auch des ungeborenen Menschen und der Geschöpfe.)

5. Du bist für dein Umfeld verantwortlich!
(Für deine Familie – auch für deine Nachbarn, deine Stadt und deinen Kreis, für ihre Flüsse, Seen und Berge.)

6. Lass dich aus diesen Aufgaben von niemandem verdrängen!
(Selbst nicht von deinen eigenen wilden Schösslingen, nicht von Macht-anmaßenden Männinnen – auch dann nicht von deiner Frau.)

7. Du bist für deine Kinder zum Vorbild berufen!
(Auch in Gemeinden und Verbänden.)

8. Deine Kinder wollen von dir geliebt und wert gehalten sein!
(Wie deine Nächsten auch.)

9. Deine Kinder wollen von dir beschützt sein!
(Auch durch das geltende Recht und durch Landesverteidigung.)

10. Die dir Anvertrauten wollen verstanden sein!
(Gebrauche dafür die dir von Gott geschenkten Augen und das dir dafür erstellte Gehirn zum Nach-Denken und Einfühlen – auch beim Umgang mit deiner Frau.)

(Christa Meves)

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Damaskus – 25. Januar

Saulus aber noch Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn atmend, ging zum Hohenpriester, und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit, wenn er welche fände, die dieses Weges wären, Männer und Weiber, er sie gefesselt nach Jerusalem führte.

Als er nun auf dem Wege war, und sich Damaskus näherte, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel. Und er fiel auf die Erde, und hörte eine Stimme, die zu ihm sprach:

Saulus, Saulus! warum verfolgst du mich?
Er sprach: Wer bist du, Herr? und dieser antwortete: Ich bin Jesus, den du verfolgst; es ist dir hart, wider den Stachel auszuschlagen.

Da sprach er zitternd und staunend: Herr! was willst du, dass ich tun soll? Und der Herr sprach zu ihm: Stehe auf, und gehe in die Stadt; dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst!

Die Männer aber, welch mit ihm reisten, standen sprachlos, da sie zwar die Stimme hörten, aber niemanden sahen.

Da stand Saulus von der Erde auf; und als er die Augen auftat, sah er nichts. Sie nahmen ihn also bei der Hand, und führten ihn nach Damaskus. Daselbst war er drei Tage, ohne zu sehen; und er aß nicht, und trank nicht.

Es war aber ein Jünger zu Damaskus, mit Namen Ananias. Zu diesem sprach der Herr in einem Gesichte: Ananias!
Er antwortete: Siehe, Herr, hier bin ich.
Und der Herr sprach zu ihm: Stehe auf, und gehe in die Straße, welche die gerade heißt, und frage im Hause des Judas nach jemanden mit Namen Saulus aus Tarsus; denn siehe, er betet.

(Und er hat einen Mann mit Namen Ananias eintreten, und ihm die Hände auflegen sehen, damit er wieder sehend werde.) Ananias aber antwortete: Herr! ich habe von vielen gehört, wie viel Böses dieser Mann deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat. Und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle, die deinen Namen anrufen, zu fesseln.

Der Herr sprach zu ihm: Gehe hin! denn dieser ist mir ein auserwähltes Werkzeug, meinen Namen vor Heiden und Könige und die Kinder Israels zu tragen. Denn ich werde ihm zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muss.

Da ging Ananias hin, und trat in das Haus, und ihm die Hände auflegend sprach er: Bruder Saulus! der Herr Jesus, der dir auf dem Wege, auf dem du kamest, erschienen ist, hat mich zu dir gesandt, damit du sehend und mit dem Heiligen Geiste erfüllt werdest.

Und sogleich fiel es wie Schuppen16 von seinen Augen, und er erhielt das Gesicht wieder, stand auf, und wurde getauft.

Dann nahm er Speise, und kam wieder zu Kräften. Er hielt sich aber bei den Jüngern, die zu Damaskus waren, einige Tage auf. Und alsbald predigte er in den Synagogen Jesus, dass dieser der Sohn Gottes sei. Es staunten aber alle, die es hörten, und sprachen: Ist nicht dieser es, welcher in Jerusalem die Jünger verfolgte, die diesen Namen anriefen? und der dazu hierher gekommen ist, um sie zu fesseln und zu den Hohenpriestern zu führen? Saulus aber erstarkte immer mehr, und brachte die Juden, welche zu Damaskus wohnten, in Verwirrung, indem er bewies, dass dieser Christus sei.

Als nun viele Tage verflossen waren, hielten die Juden miteinander Rat, ihn zu töten. Jedoch wurden ihre Anschläge dem Saulus bekannt. Sie bewachten aber Tag und Nacht die Tore, damit sie ihn töteten. Da nahmen ihn die Jünger bei Nacht, und ließen ihn über die Mauer in einem Korbe hinab.

Als er nun nach Jerusalem kam, suchte er sich den Jüngern anzuschließen; aber alle fürchteten sich vor ihm, da sie nicht glaubten, dass er ein Jünger sei. Barnabas aber nahm sich seiner an, führte ihn zu den Aposteln, und erzählte diesen, wie er auf dem Wege den Herrn gesehen, dass dieser zu ihm geredet, und wie er in Damaskus freimütig im Namen Jesu gepredigt habe.

Und er ging mit ihnen in Jerusalem ein und aus, und sprach freimütig im Namen des Herrn. Er redete auch mit den Heiden, und stritt mit den griechischen Juden; diese aber suchten ihn zu töten. Da dieses die Brüder erfuhren, geleiteten sie ihn nach Cäsarea, und entsandten ihn nach Tarsus.

(Apg 9,1-30)

Saulus Damascus Paulus

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Hl. Timotheus – 24. Januar

Gnade, Erbarmung, Friede von Gott dem Vater und Christus Jesus, unserm Herrn.

Ich sage Gott Dank, dem ich von den Voreltern her mit reinem Gewissen diene, wie ich ohne Unterlass deiner eingedenk bin in meinen Gebeten Tag und Nacht, voll Sehnsucht dich zu sehen, wenn ich an deine Tränen denke, damit ich mit Freude erfüllt werden möchte, da ich mir jenen Glauben in die Erinnerung rufe, der ungeheuchelt in dir lebt, und der zuerst in deiner Großmutter Lois und deiner Mutter Eunice wohnte, und, ich bin gewiss, auch in dir.

Deshalb erinnere ich dich, dass du die Gnadengabe Gottes wieder erweckest, welche in dir ist durch die Auflegung meiner Hände. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit, sondern der Stärke und Liebe und Selbstbeherrschung gegeben.

Schäme dich also nicht des Zeugnisses von unserem Herrn, noch meiner, seines Gefangenen, sondern leide mit für das Evangelium vermöge der Kraft Gottes, der uns errettet und berufen hat durch seine heilige Berufung, nicht zufolge unserer Werke, sondern nach seinem Ratschlusse der Gnade, die uns verliehen worden in Christus Jesus vor ewigen Zeiten.

Jetzt aber ist sie offenbart worden durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod vernichtet, dagegen Leben und Unverweslichkeit an´s Licht gebracht hat durch das Evangelium, für welches ich bestellt bin als Verkünder und Apostel und Lehrer der Heiden. Um dieser Ursache willen leide ich auch solches. Aber ich schäme mich dessen nicht, denn ich weiß, auf wen ich mein Vertrauen gesetzt habe, und ich bin überzeugt, dass er mächtig ist, meine Hinterlage zu bewahren auf jenen Tag.

Das Vorbild heilsamer Worte, welche du von mir gehört hast, bewahre im Glauben und in der Liebe, die in Christus Jesus sind.

(Paulus an Timotheus, 1,1-13)

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Das wahre Gesetz der Liebe …

Die heilige Klarissin Camilla Battista von Varano (1458-1524) ist eine Lehrmeisterin des geistlichen Lebens. Sie liebte das göttliche Herz Jesu über alles. In ihrer Abhandlung über die Reinheit des Herzens schreibt sie die starken, törichten, uns heutigen fast unverständlichen Worte:

„Das Gesetz der Liebe führt die Seele zu einem Verlangen, das von der Welt als Verrücktheit angesehen wird, wenn die Seele mit wahrer und inniger Zuneigung ruft: Mein lieber Gott, warum bestrafst du mich nicht, warum erträgst du meine Sünden? Schick mich in die Hölle, die ich verdiene, damit ich dich dort liebe.“

 

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Kommuniongebet

O süßester Jesu,
auch für mich armen Sünder
bist du hier
im allerheiligsten Sakramente
gegenwärtig
und verlangst sehnlichst,
in mein Herz einzukehren.
Siehe, die Sünden,
die ich getan habe,
bereue ich von ganzem Herzen
und bete mit dem armen Zöllner:
O Gott, sei mir armen Sünder gnädig!
Komm daher
mit deiner Liebe und deiner Gnade
und bleibe allzeit bei mir.
Dir schenke ich mein Herz;
nimm es ganz in Besitz!
Dein Kind will ich sein
im Leben und im Tode.

 

O mildreichster Vater,
ich danke dir für diese große Gnade ….

Stehe mir weiter mit deiner Gnade bei,
dass ich stets im Glauben, in der Hoffnung
und in der Liebe verharre
und einst das ewige Leben erlange.
Amen.

(Martin von Cochem, Kapuziner)

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Acht Gedanken der Schlechtigkeit

[…] So ist es denn nötig, daß wir auch die Erkenntnis der leidenschaftlichen Gedanken verleihen, durch welche jegliche Sünde vollbracht wird. Acht sind alle Gedanken, welche die Schlechtigkeit umfassen:

jener der Völlerei,
jener der Unzucht,
jener der Geldgier,
jener des Zornes,
jener der Traurigkeit,
jener der Unlust,
jener der eitlen Ehrsucht und
jener des Hochmuts.

Ob uns diese acht Gedanken belästigen oder nicht belästigen, das steht nicht in unserer Macht.

Ob sie aber in uns verweilen oder nicht verweilen, Leidenschaften erregen oder nicht erregen, das steht in unserer Macht.

Eines ist die Einflüsterung und etwas anderes die Verbindung mit ihr; eines das Ringen und etwas anderes die Leidenschaft sowie auch die Zustimmung, welche sich der Ausführung nähert und angleicht. Und eines ist die Tat und etwas anderes die Gefangenschaft.

Einflüsterung nun ist die einfachhin vom Feind her geschehende Erinnerung, z. B.: „Tu das oder jenes“, wie bei unserem Herrn und Gott: „Sprich, daß diese Steine zu Brot werden.“ Dies steht, wie gesagt, nicht in unserer Gewalt. Verbindung aber ist die Annahme des vom Feind eingegebenen Gedankens und die gleichsam zusammen mit ihm erfolgende Erwägung und lustvolle Unterhaltung, welche von unserer freien Entscheidung ausgeht. Leidenschaft aber ist die aufgrund der Verbindung erfolgende Gewöhnung an die vom Feind eingegebene Leidenschaft und ihre gleichsam fortwährende Erwägung und Vorstellung.

Das Ringen hingegen ist der Widerstand des Gedankens — entweder, um die im Gedanken sich findende Leidenschaft, d. h. den leidenschaftlichen Gedanken, auszutilgen, oder um ihm zuzustimmen. So spricht auch der Apostel: „Das Fleisch nämlich begehrt wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch; sie stehen einander feindlich gegenüber.“ Gefangenschaft aber ist die gewaltsame und unfreiwillige Fortführung des Herzens, wenn es von subjektiver Einstellung und langer Gewohnheit gewaltsam beherrscht wird. Zustimmung hingegen ist das Herabneigen zu der Leidenschaft des Gedankens. Tat hingegen ist die unmittelbare Ausführung des leidenschaftlichen Gedankens, dem man zugestimmt hat.

(Johannes von Damaskus, Abhandlung, 10)

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