Fünf Tage mit dem Trappisten Bruder Rafael Arnäiz Baron (5/5)

Am 18. September 2010 erinnerte Papst Benedikt XVI. in der Westminster-Kathedrale die Jugend an die Wohltat des Schweigens:
„Ich bitte euch, jeden Tag in euer Herz zu schauen, um die Quelle aller echten Liebe zu finden. JESUS ist immer dort; ruhig wartet er auf uns, dass wir still werden bei ihm und seine Stimme hören. In der Tiefe eures Herzens ruft er euch, dass ihr Zeit mit i hm verbringt im Gebet. Aber diese Art von Gebet, von wirklichem Gebet, erfordert Disziplin; es erfordert, jeden Tag Zeit für Momente des Schweigens zu reservieren … Auch inmitten der Geschäftigkeit und dem Stress unseres Alltags müssen wir Raum
schaffen für Stille, denn in der Stille geschieht es, dass wir Gott finden, und in der Stille geschieht es, dass wir unser wahres Selbst entdecken.“

Bitten wir die Allerseligste Jungfrau MARIA, sie möge uns lehren, in der Stille unseres
Herzens nach Gott zu suchen.

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(Rafael 1935)
Herr, schau auf Deinen Diener Rafael! … Du weißt, dass sein Leben und seine ganze Seele Dir gehören. Er hat sie Dir einmal übergeben, und Du, als Eigentümer und Herr, nahmst sie an. Du sahest, dass sie nicht vollkommen war, und wolltest sie läutern. Was ich Dir gab, war alles, was ich besaß. Aber alles, was ich hatte, waren Sünden, Elend und Unvollkommenheiten, und das war Deiner nicht würdig.

Willst Du mich durch Opfer läutern? Opfere mich, Herr! Willst Du mein Leiden? Nimm es, Herr! Ich will Deinem göttlichen Handeln kein Hindernis in den Weg legen. Aber, Herr, vergiß mich nicht! Sieh, ich bin armselig und könnte es allein nicht aushalten. Gut, Herr, nimm keine Rücksicht auf mich und tu, was Du willst! Ich will mich nur darum bemühen, keine Hindernisse aufzubauen, und an mir geschehen lassen… Außerdem ist das so einfach und so wohltuend!

Herr, mit jedem Tag, der vergeht, erkenne ich besser, was ich zu tun habe, um mich zu heiligen. Früher glaubte ich, dass ich – ich Armseliger! – derjenige war, der die Tugend übte und dass ich, wenn ich etwas Gutes tat, es aus mir selbst vollbrachte. Aber nein, Herr, das ist es nicht! Alles Gute kommt von Dir. Daher ist es das Beste, in meinem Leben Dich wirken zu lassen. Ich überlasse mich ganz Dir. Nicht einmal den Wunsch, gut zu sein, möchte ich haben, wenn es nicht auch Dein Wunsch ist. Ich will gar nichts. Ich will für die Welt ein Nichts sein. Ich möchte ganz Dein sein. Sogar meine Sünden gebe ich Dir, denn sie sind das Letzte, was mir bleibt und nur mir gehört.

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Besuchen Sie gerne die deutschsprachige Webseite
http://www.heiliger-rafael.de

Vor einigen Jahren wurden auch auf dem Blog WegWahrheitLeben sehr schöne Beiträge zum Thema veröffentlicht.

Webseite der Abtei San Isidro mit einer eigenen Seite zu Rafael

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BUCHEMPFEHLUNGEN

1.
Nur Gast auf Erden?
Rafael Arnáiz Barón – Mystiker und Mönch
Autoren Rafael Arnáiz Baron
Bernardus Verlag 1997
680 Seiten; 20,00€
ISBN: 978-3910082373

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2.
P. Tomás Gallego O.C.S.O.
Wenn ich tausend Leben hätte … Rafael Arnáiz Barón – Student, Künstler, Mönch und Mystiker.
Bernardus Verlag 2007
82 Seiten; 7,50€
ISBN: 978-3810794192

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3.
Juan Antonio Martinez-Camino.
Geistliche Übungen mit Bruder Rafael. Texte des hl. Rafael Arnáiz Barón O.C.S.O. als lebendige Verwirklichung der Exerzitien des hl. Ignatius von Loyola.
Bernardus Verlag 2011
200 Seiten; 12,80€
ISBN: 978-3810701213

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Fünf Tage mit dem Trappisten Bruder Rafael Arnäiz Baron (4/5)

Im Juli 1936 brach der Spanische Bürgerkrieg aus. Rafael wurde am 29. September mobilisiert, jedoch für dienstuntauglich befunden. Viele der jungen Mönche wurden eingezogen. Rafael litt sehr darunter, dass seine Mitbrüder in den Krieg zogen, während er selbst ausgemustert war; nach einem Aufenthalt bei seiner Familie, die in einem ruhigen Dorf in Kastilien Zuflucht gefunden hatte, kehrte er am 6. Dezember ins Kloster zurück.

Am 7. Februar 1937 musste Rafael wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zum dritten Mal das Kloster verlassen, da er dort aufgrund des Krieges nicht mehr angemessen versorgt werden konnte. Bei seiner Abreise versicherte er:
„Ich erkenne so klar Gottes Hand, dass es mir nichts ausmacht.“
Er kehrte zu seinen Eltern in das kastilische Dorf zurück, in dem sie sich immer noch aufhielten, und griff wieder zu Staffelei und Pinsel. Er streifte durch die Felder, sprach mit den Pächtern, informierte sich über die Ländereien seines Vaters, verbrachte viel Zeit im Freien mit der Betrachtung des Himmels, musizierte, betete den Rosenkranz. Von seiner Mutter gepflegt, besserte sich sein Zustand allmählich, obwohl die Krankheit nicht besiegt war. Er hatte nun eine weitere Schwelle überschritten: Er akzeptierte die Wirklichkeit nicht nur, er liebte sie auch so, wie sie war.

Rafael spürte, dass JESUS ihn ins Kloster zurückrief, zögerte jedoch angesichts des Leidens, das ihn dort erwartete.
„Der Herr prüft mich schwer mit dieser Krankheit, die mich kommen und gehen lässt, ohne einen festen Platz zu haben, an dem ich verweilen kann : bald in der Welt, bald im Kloster; um das zu verstehen, muss man es erlebt haben …“ Eines Tages sagte Rafael schließlich zu seiner Mutter: „Mutter, ich muss gehen.“ – „Schon?“, fragte sie beklommen. – „Ich muss … Morgen kehre ich ins Kloster zurück“, erklärte er, bevor er am 15. Dezember wieder nach San Isidro aufbrach. Der Abschied von seiner Mutter war schmerzlich. Da sie sah, dass ihr Mann keine Reisevorbereitungen traf, fragte sie ihren Sohn: „Fährt dein Vater nicht mit?“ – „Nein. Diesmal fahre ich allein.“

Rafael schrieb in sein Tagebuch:
„Meine Berufung besteht einzig darin, Gott zu lieben, im Opfer und im Verzicht, ohne andere Regel als den blinden Gehorsam seinem Göttlichen Willen gegenüber. Ich glaube, ich erfülle heute diesen Willen, wenn ich ohne Ordensgelübde und als Oblate den Vorgesetzten der Zisterzienserabtei San Isidro de Duenas gehorche …“

Er litt physisch und moralisch:
„Sie kennen meine Berufung nicht. Wenn die Welt um das ständige Martyrium meines Lebens wüsste … Wenn meine Familie wüsste, dass mein Mittelpunkt weder das Trappistenkloster, noch die Welt, noch irgendein Geschöpf ist, sondern nur Gott, der gekreuzigte Gott … Meine Berufung heißt: leiden.“

Von da an wünschte er sich nichts mehr und verzichtete auf jeden offiziellen Status:
„Mir ist meine Berufung klar geworden. Ich bin kein Mönch … ich bin auch kein Laie … ich bin nichts … Gott sei gelobt, ich bin nichts weiter als eine Seele, die Christus liebt.“

Zu Beginn der Fastenzeit 1938 kündigte Vater Abt an, er werde Rafael bald die Kukulle (das
Ordensgewand, das normalerweise den Mönchen vorbehalten ist, die ihre Profess abgelegt haben) und das schwarze Skapulier überreichen (bis dahin hatte er das weiße Skapulier der Novizen getragen). Einen Augenblick lang war Rafael außer sich vor Freude, doch schon bald fing er sich:
„Mir ist klargeworden, dass ich nicht frei von Eitelkeit bin.“

Sein Beichtvater berichtete, dass er in dieser Lebensphase ganze Stunden vor dem Tabernakel verbrachte und danach ganz verklärt wirkte. Um ihn in den langen, trotz allem belastenden Stunden der Einsamkeit zu beschäftigen, erteilte man ihm Aufgaben: Kartoffeln schälen, in der Schokoladenfabrik arbeiten, Pläne und Zeichnungen für den Abt anfertigen oder Latein lernen. Doch nichts konnte ihn von seiner Liebe zu Gott ablenken. Die Tiefe seines spirituellen Lebens erschloss sich den anderen allerdings weitaus mehr als ihm selbst. Er hatte eher das Gefühl, auf der Stelle zu treten und schrieb er am 13. April:
„Allerliebster JESUS, mein Gott, ich sehe, Herr, dass ich nichts für deinen Dienst tue. Ich fürchte, ich vergeude meine Zeit… Wann werde ich endlich anfangen, dir wirklich zu dienen, JESUS?… Ich bin nutzlos und krank.“
Und für sich selbst fügte er hinzu:
„Armer Bruder Rafael! Sei damit zufrieden, dass du dich jeden Moment um reine Absichten bemühst und Gott jeden Moment liebst; dass du alles aus Liebe und mit Liebe tust“

Am Ostersonntag, dem 17. April 1938, bekam Bruder Rafael von seinem Vater Abt das schwarze Skapulier und die Kukulle überreicht. In seiner Betrachtung von diesem Tag notierte er:
„Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass ich mich heute nicht von Eitelkeit habe überwältigen lassen … Dennoch: JESUS allein erfüllt Herz und Seele.“

Kurz zuvor hatte er einem Mitbruder geschrieben:
„Wer alles aufgibt, gibt nur wenig auf, denn er gibt nur das auf, was er eines Tages (an seinem Todestag) ohnehin aufgeben muss, ob er will oder nicht.“

Am 22. April besuchte ihn sein Vater und verbrachte den ganzen Tag mit ihm. Es schien ihm gut zu gehen. Am 23. bekam er jedoch plötzlich hohes Fieber und heftige Schmerzen; er starb am Morgen des 26. April 1938 im Alter von 27 Jahren.

Grabkapelle

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Fünf Tage mit dem Trappisten Bruder Rafael Arnäiz Baron (3/5)

Im Juli schrieb Rafael an seine Novizenbrüder im Kloster:
„Ihr wisst nicht, was ihr besitzt, und ihr könnt Gott niemals genug für diese große Wohltat danken. Ich selbst wusste es auch nicht, bevor ich gezwungen war, in die Welt zurückzukehren … Die Menschen rufen in selbstmörderischem Hochmut ,Wir brauchen keinen Gott!’… Unsere Gesellschaft ist kaputt; sie beschäftigt sich mit allem, nur nicht mit dem, was wirklich wichtig ist. Ich sage euch ehrlich: Sieht man die derart verblendeten Menschen, wird man ganz traurig, und man möchte ihnen zurufen: ,Wo lauft ihr hin, ihr Narren und Verrückten ? Ihr kreuzigt JESUS, jenen Nazaräer, der uns gebeten hat, einander zu lieben !… Seht ihr nicht, dass ihr den falschen Weg eingeschlagen habt, dass das Leben ganz kurz ist und dass man es nützen sollte, weil das Gericht Gottes nah ist? Doch das nützt nichts; in der Welt hört man nichts mehr von Gott und seinem Gericht.“

Rafael hatte erkannt, dass die Menschen aus der Finsternis des spirituellen Todes nur befreit werden können, wenn sie ihr Herz für Christus, das Licht der Völker, öffnen.

Im Januar 1935 fuhr er mit seinem Bruder Leopoldo an die französische Grenze, um dort ein Auto für seinen Vater abzuholen. Er wollte es unbedingt als Erster fahren; während der Reise kostete er sowohl den Komfort als auch den Spaß voll aus. Doch trotz dieser Freude am Weltlichen schrieb er einige Monate später an seinen Abt:
Meine Mönchsbrüder „glauben vielleicht, dass ich sie vergessen habe, aber die Wesen, die man in Gott liebt, vergisst man nicht. Indem man sie liebt, liebt man Gott, und Ihn in seinen Geschöpfen zu lieben, ist ein großer Trost, der seiner Ehre nichts nimmt.“

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Im Mai 1935 erkrankte Rafaels Schwester Mercedes an einer unheilbaren, akuten Bauchfellentzündung. Rafael kümmerte sich viel um sie, doch er litt unbeschreiblich, sie in diesem Zustand zu sehen. Am 9. Juni war die Kranke am Ende ihrer Kräfte. „Sorge dich nicht, Schwesterchen“, sagte er zur ihr. „Ich gehe gleich in die Kirche und erzähle alles der Gottesmutter, damit sie euch von eurem Leiden befreit, Mama und dich; du wirst eine ruhige Nacht haben, du wirst schon sehen.“
Eine Viertelstunde später kam er lächelnd wieder:
„Ich habe es getan. Ich habe zur Heiligen Jungfrau gesagt: ,Sieh zu, Mutter, was du für Mama tun kannst; und mach meine Schwester gesund.‘ Du wirst schon sehen, wie dich die Gottesmutter heilen wird.“
Nach einer letzten Morphiumspritze schlief die Kranke die ganze Nacht durch. Die Schmerzen hörten völlig auf, und innerhalb eines Monats hatte sie entgegen allen Erwartungen die zuvor verlorenen 25 kg wieder zugenommen.

Doch der junge Mann sehnte sich nach wie vor nach dem Klosterleben. Im Dezember 1935 schrieb er über den Trappistenmönch:
„Seine Berufung besteht darin, dass er von der Welt und den Geschöpfen vergessen werden will, um sich in der Stille und der Demut eines Oblaten Gott zu weihen. Er will eine Opfergabe für Gott sein, aber unbemerkt von der Welt: ein leichter Schatten, der sein Leben damit verbringt, Gott intensiv und still zu lieben; er will den Seelen der ganzen Welt zur Gottesliebe verhelfen, und zwar ohne deren Wissen.“

Rafaels Gesundheit hatte sich so sehr gebessert, dass er am 11. Januar 1936 ins Kloster zurückkehren durfte. Da er wegen seiner Diabetes nicht streng nach der Regel leben konnte, wurde er Oblate, d.h. er sollte nicht wie die anderen eine öffentliche Profess ablegen. Diese Situation war für ihn umso demütigender, als seine Seele sich mit aller Kraft nach dem Trappistenleben sehnte: den Bußübungen, der Arbeit, der Regel. Gleichwohl begriff er sein Oblatentum als eine Loslösung von seiner Berufung zum Trappisten:
„Ich verdiene es nicht, Mönch zu werden … Die heilige Messe lesen?… Herr, ich muss so bald vor dir erscheinen, was macht das schon? … Die Gelübde? … Liebe ich Gott nicht mit aller Kraft? Wozu dann noch Gelübde? Nichts hindert mich daran, an Seiner Seite zu sein, Ihn zu lieben, still, demütig, in der Schlichtheit eines Oblaten.“

Er verknüpfte seinen Oblatenstatus mit dem Mysterium der Passion Christi. Doch seine Loslösung von allem machte ihn nicht gleichgültig gegenüber den anderen; er schrieb an seinen Vater:
„Ich möchte ein sehr menschlicher Heiliger werden“ und „Die Liebe zu Gott schließt die Liebe zu den Geschöpfen nicht aus“.

Um ihn besser pflegen zu können, brachte man ihn auf der Krankenstation unter. Der frühere Novizenmeister war gestorben, und Rafaels Beziehung zum neuen Novizenmeister war recht schwierig. Er musste Einsamkeit und Unverständnis erdulden, da einige Mönche an den für ihn geltenden Ausnahmen von der Regel Anstoß nahmen. Glücklicherweise konnte er sich auf den Abt und auf seinen Beichtvater stützen. Anfänglich, unter der Pflege eines jungen Mitbruders, lief alles sehr gut, doch dieser wurde im Herbst 1936 zum Kriegsdienst einberufen und verließ das Kloster; sein Nachfolger zeigte viel weniger Verständnis.

 

Fünf Tage mit dem Trappisten Bruder Rafael Arnäiz Baron (2/5)

In Erinnerung an seine ersten Eindrücke bei den Trappisten sagte er sechs Jahre später, der Herr habe sein Gemüt bewegt, um ihn zum Nachdenken anzuregen. 1931 wurde er Mitglied der Katholischen Aktion und beteiligte sich fortan sowohl an den Konferenzen des heiligen Vinzenz von Paul als auch an nächtlichen Anbetungen. Trotz seiner tiefen Frömmigkeit war er ein großer Feinschmecker und kannte viele Restaurants; im Alltag zeigte er sich jedoch kein bisschen wählerisch und aß, was man ihm vorsetzte. Er war einerseits von überbordender und ansteckender Fröhlichkeit, andererseits zu gegebener Zeit auch sehr nachdenklich.

Bei seinem zweiten Besuch in San Isidro entdeckte Rafael den tiefen Sinn der klösterlichen Stille:
„Die Leute sagen, dass die Stille im Kloster traurig ist … Das ist völlig falsch … Das Schweigen im Trappistenkloster ist die freudigste Sprache, die sich der Mensch vorstellen kann … Aus der Seele des Trappisten, der scheinbar so armselig und in der Stille lebt, sprudelt ein herrlich munterer Gesang voller Liebe und Freude dem Schöpfer entgegen, seinem Gott und liebevollen Vater, der für ihn sorgt und ihn tröstet …“

Im September 1931 schrieb er während eines Aufenthaltes bei den Trappisten:
„Der Trappist lebt in Gott und für Gott. Gott ist sein einziger Lebenszweck in dieser Welt. Welcher Unterschied zu den sogenannten Christen, für die Gott nur ein zweitrangiges Wesen ist, mit dem man morgens um 8 Uhr ein Stelldichein hat und den man um 9 Uhr wieder verlässt – bis zum nächsten Morgen zur selben Stunde, um ihn dann sofort erneut zu vergessen! … Der Künstler mit seiner hohen Empfindsamkeit ist vom Kloster und dem Leben der Trappisten ähnlich beeindruckt, wie von einem Bild oder einer Sonate. Als Christ und gläubiger Mensch sieht er mehr dahinter. Er erfährt Gott auf greifbare Art und Weise. Danach fühlt er sich gestärkt im Glauben, und wenn der Herr ihm die Gnade gewährt, hat er sogar ein bisschen an Selbsterkenntnis gewonnen; er ist dort allein mit Gott und seinem Gewissen, er ändert seine Art zu denken, die Dinge zu empfinden, und … auch sein Verhalten und Auftreten in der Welt.“

In den Jahren 1932-1933 leistete Rafael seinen Militärdienst und setzte anschließend sein Architekturstudium in Madrid fort. Er stellte einen genauen Stundenplan für sich zusammen, der morgens mit der Frühmesse begann und abends mit dem Rosenkranz schloss. Er schrieb an seine Eltern:
„Ich habe festgestellt, dass mir alles besser gelingt, wenn ich mich am Anfang des Tages in Gottes Hände begebe.“

Ein Dokumentarfilm über das Leben der Zisterzienser aus Anlass der 800-Jahrfeier der französischen Abtei Sept-Fons vertiefte den guten Eindruck, den er bei seinem Besuch in San Isidro gewonnen hatte, und führte dazu, dass er beschloss, ins Kloster zu gehen. Er verbrachte den 24. und 25. November 1933 bei den Trappisten; sein Aufnahmegesuch wurde angenommen.

Am liebsten wäre er gleich im Kloster geblieben, ohne sich von jemandem zu verabschieden, nicht einmal von seinen Eltern, denn er fürchtete die Reaktion seines eigenen Herzens. Doch der Apostolische Nuntius (der Botschafter des Papstes), dem er sich anvertraut hatte, riet ihm: „Ich denke, Sie müssen sich von Ihren Eltern verabschieden und ihren Segen einholen.“

Rafael verbrachte also die eineinhalb Monate bis zu seinem Eintritt ins Kloster bei seiner Familie. Er wartete zunächst das Weihnachtsfest ab, obwohl es ihm sehr schwer fiel, und eröffnete schließlich am Nachmittag des 7. Januar 1934 seiner Mutter mit tränenerstickter Stimme: „Mutter, Gott ruft mich … Ich will ins Trappistenkloster.“ Sie senkte den Kopf und sagte nur: „Sohn!“ Sie informierte Rafaels Vater, der nach einem Augenblick der Rührung Gott für diesen Entschluss pries; anschließend fragte er seinen Sohn: „Wann willst du los? Ich werde dich fahren.“ Sie einigten sich auf den 15. Januar.

san-rafael-arnaizDer junge Postulant fügte sich gut in sein neues Leben ein. Er glaubte, am Ziel seiner Wünsche und seiner Berufung angekommen zu sein: „Gott hat den Trappistenorden für mich erschaffen, und mich für den Trappistenorden jetzt kann ich selig sterben, ich bin Trappist!“

Einige Monate später zeichnete sich jedoch plötzlich eine akute Diabetes bei ihm ab: Im Mai nahm er innerhalb von acht Tagen 24 kg ab und wurde nahezu blind. Rafael musste zu seinem Leidwesen zu seiner Familie zurück, um sich pflegen zu lassen, verließ das Kloster jedoch in der Hoffnung, eines Tages wiederkommen zu können. Die sofort eingeleitete ärztliche Behandlung schlug an, Rafael ging es bald besser. Er litt darunter, in ein Leben zurückkehren zu müssen, das er so schweren Herzens verlassen hatte. Der junge Klosteranwärter beschrieb sich als einen Griesgram, den man in seinem Schweigen und in seiner Sammlung stört: er sei auf der Suche nach sich selbst. Er begann wieder zu rauchen, Geige zu spielen und zu malen.

Am 3. Juni schrieb er einen Brief an seinen Onkel Polin: „Was nun geschieht, ist ganz einfach: Gott liebt mich eben sehr … Im Kloster war ich glücklich, ich hielt mich für den Glücklichsten unter den Sterblichen, ich hatte mich von den Geschöpfen loslösen können und suchte nur noch nach Gott … Aber eine Sache blieb mir noch: meine Liebe zum Kloster und zu den Trappisten; und JESUS, der im Hinblick auf die Liebe seiner Söhne sehr fordernd und eifersüchtig ist, wollte, dass ich mich von meinem geliebten Kloster trenne, wenn auch nur vorübergehend.“

Rafael erkannte schnell die befreiende Wirkung dieser Prüfung auf sein Herz.

 

Fünf Tage mit dem Trappisten Bruder Rafael Arnäiz Baron (1/5)

Bei seiner Heiligsprechung am 11. Oktober 2009 wurde Bruder Rafael von Papst Benedikt XVI. als ein junger Mann präsentiert, der „Ja zu dem Vorschlag sagte, JESUS unmittelbar und entschlossen ohne Einschränkungen und Bedingungen zu folgen.“

Im Dezember 1936 verfasste Bruder Rafael in seinem Kloster – zwischen einer vielbefahrenen Straße und einer Eisenbahnlinie gelegen, die die Klostermauern immer wieder erbeben ließ – eine humorvolle Meditation unter dem Titel „Freiheit“. So viele Reisende rasten mit solcher Geschwindigkeit vorbei! Sie wähnten sich frei. Doch „wahre Freiheit ist oft zwischen den vier Mauern eines Klosters eingeschlossen“. Sie liegt „im Herzen des Menschen, der nur Gott liebt. Sie wohnt im Menschen, dessen Seele weder am Geist, noch an der Materie, sondern ausschließlich an Gott hängt.“

Bei der Generalaudienz vom 10. August 2011 sagte Papst Benedikt XVI.:
„Diese Orte vereinen zwei für das kontemplative Leben sehr wichtige Elemente: die Schönheit der Schöpfung, die auf jene des Schöpfers verweist, und die Stille, die fernab der Städte und der großen Verkehrsadern gewährleistet ist. Ein von der Stille geprägtes Umfeld fördert die Sammlung, das Hören auf Gott und die Betrachtung am besten … Gott spricht in der Stille, aber man muß ihn hören können. Darum sind die Klöster Oasen, in denen Gott zur Menschheit spricht.“

Glocken der Trappistenabtei San Isidro

Rafael Arnäiz Baron wurde als das Älteste von vier Geschwistern am 9. April 1911 in Burgos in Spanien geboren. Mit neun Jahren kam er auf ein Jesuitenkolleg. Schon bald zeigten sich bei ihm sowohl eine tiefe Empfindsamkeit als auch eine große geistige und künstlerische Begabung. Im Januar 1922 zog die Familie nach Oviedo, und der Junge wechselte auf das dortige Jesuitenkolleg. Aufgrund seiner großen Frömmigkeit gehörte er dem Leitungsgremium der Sankt-Stanislaus-Kongregation an. Bereits damals war er nach Ansicht seines Präfekten auf der Suche nach Gott, als „wäre er magnetisch zu Ihm hingezogen“.

Der junge Rafael war von lebhaftem Temperament und verlor leicht die Geduld, wenn etwas nicht schnell und gut genug klappte; er war auch sehr geräuschempfindlich und achtete penibel auf die Reinheit seiner Kleidung und seiner persönlichen Sachen. Alles Hässliche, Schmutzige oder Grobe stieß ihn ab, auch vulgäre Geschichten und Ausdrücke. Auf seinen Reisen führte er stets seine Bleistiftschachtel mit und kehrte mit vielen Landschaftszeichnungen, Entwürfen und Skizzen nach Hause zurück, die nach ihrer Fertigstellung in Mappen gesammelt oder verschenkt wurden.

1930begann Rafael ein Architekturstudium in Madrid. Er träumte davon, zu zeichnen, zu malen, seine Eindrücke auf der Leinwand oder auf dem Papier festzuhalten; daneben machte er auch Musik. Seine ersten Ferien verbrachte er bei seinem Onkel Polin und seiner Tante Maria und entdeckte in deren Nähe die Trappistenabtei San Isidro de Duenas.

Bereits an seinem ersten Abend im Kloster fühlte sich Rafael tief bewegt, als er der Komplet beiwohnte. Er schrieb an seinen Onkel: „Ich habe ein Salve Regina gehört … Gott allein weiß, was ich dabei empfand … Das war ganz überwältigend.“

 

Ramons Liebeslied

Ich lebe, um in Gott zu gründen,
doch fiel ich tief in schwere Sünden.
Vom Zorne Gottes müsst´ ich künden,
wenn mir nicht Christus, unser Herr,
an seinem Kreuz erschienen wär´,
um Gottes Lieb´ in mir zu zünden.

Ich betete: „mein Gott, verzeihe!“,
lebt´ viele Jahre tief in Reue,
da schenkte mir der Herr aufs Neue
die Hoffnung, dass mich Lieb´ befreie
zu gutem Werk, in Gott getan:
So nahm er sich des Sünders an.

Im Kloster dann zu Miramar
studierte Franziskanerschar,
die zur Mission erkoren war.
Dort nahm die Liebe mich gefangen
zum Herrn; ich weinte vor Verlangen,
wo Stab und Rebe sich umschlangen.

Ich wünschte sehr, dass sich erweist,
wie Vater, Sohn und Heil´ger Geist
nicht Gott als EINEN teilt, zerreißt.
Und dass der Sohn, wie ihr wohl wisst,
aus reiner Magd geboren ist
als Gott und Mensch: als Jesus Christ.

Die Welt, die Jesus schuf aus Huld,
sie war verlorn durch eigne Schuld.
Da stieg von seinem Himmelsthron
zu ihr herab der Gottessohn,
und starb für sie. Dass uns verschon´
am jüngsten Tag des Herrn Geduld!

Ich fand und schrieb ein neues Wissen,
dass niemand müsst´ die Wahrheit missen
und aller Irrtum wird´ zerrissen.
Die Mauren soll es überzeugen,
Tatar und Jude sich ihm beugen;
im Christen weckt es das Gewissen.

Lob, Preis und Ehr´ dem Höchsten Herrn!
Mein Lieben send´ ich ihm von fern,
in seinem Glanze lebt´ ich gern,
wär´ ich nicht, ach, ein Sünder nur;
doch schritt ich freudig durch die Flur
als mancher Bücher Troubadour.

Nun bin ich arm, verachtet, alt,
die Menschen gehn vorüber kalt,
ich finde nirgends Hilf noch Halt.
Ich suchte Grosses in der Welt,
und schuf ein Werk, das Gott gefällt;
jetzt ist mein Ruf verweht, verhallt.

Nun lass mich sterben, Herr, im Meer
der Liebe, das so groß und hehr,
dass Fürst und Pfaff mir nimmermehr
verwehren kann den Tod zur Ehr´,
zum Preise deiner Herrlichkeit:
Ich bin nicht würdig, doch bereit!

(Ramon Llull, Die Kunst sich in Gott zu verlieben, Textübertragung Erika Lorenz)

Ave Maria – Maria Verkündigung – Festgeheimnis (25.3.)

Dreimal täglich das ANGELUS-Gebet.

Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft
– und sie empfing vom Heiligen Geist.
Gegrüßet …

Maria sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn,
– mir geschehe nach deinem Wort.
Gegrüßet…

Und das Wort ist Fleisch geworden
– und hat unter uns gewohnt.
Gegrüßet…

Bitte für uns, o heilige Gottesgebärerin,
– auf dass wir würdig werden der Verheißungen Christi.

Lasset uns beten:
Wir bitten Dich, o Herr, Du wollest Deine Gnaden
unsere Herzen eingießen, damit wir,
die wir durch Botschaft des Engels
die Menschwerdung Christi Deines Sohnes erkannt haben,
durch sein Leiden und Kreuz
zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangen
durch denselben Christus, unsern Herrn.
Amen.

Verkündigung an Maria Liutold-Evangeliar Mondsee, um 1170

 

Mit den Mönchen den Kreuzweg beten – Mariawald, Samstag, 1. April

In einer Woche:

Einladung zum Kreuzweg in der Fastenzeit, am Samstag, den 1. 4. 2017

Nach der Non, dem Stundengebet um 14 Uhr, sammeln sich die Teilnehmer vor der Kirche von Mariawald und gehen um 14.20 Uhr schweigend nach Heimbach.

Dort beginnt um ca. 15.00 Uhr beim Gnadenbild in der Pfarrkirche der Kreuzweg. Wer will, kann sich natürlich auch jetzt noch anschließen. (Ein Fahrdienst von Mariawald zurück nach Heimbach wird bei Bedarf eingerichtet.)

Nachdem wir den 14 Stationen des Leidenswegs Christi, dargestellt in den kleinen Kapellen im Ruppental und in der Klostermauer, betrachtend und betend gefolgt sind, findet der Kreuzweg gegen 17 Uhr seinen Abschluss mit dem Segen von Dom Josef in der Klosterkirche.

Der Gang und das Beten von Mariawald nach Heimbach und zurück soll uns helfen, die Passion Jesu Christi im Gedenken und im Gebet mitzuvollziehen und Gott für das Erlösungsopfer seines Sohnes zu danken. Deshalb ist es angemessen, von Anfang an zu schweigen und auf Störungen durch Photographieren zu verzichten.

Feste Schuhe sind für die Wege durch den Wald notwendig!

gottgefällig – gottverbunden – gottergeben (4/4)

Gottergeben sterben

Wenn es uns darum geht, gottergeben zu sterben, dann stellen wir uns vor die bedeutsame Frage:
Wie möchte ich eigentlich sterben?
Ist es mir ein entscheidend wichtiges Anliegen, mit und in Gott zu sterben?
Bin ich mit mir selbst im Reinen?
Lebe ich mit meinen Mitmenschen im Frieden?
Bin ich mit Gott versöhnt?
Habe ich überhaupt je daran gedacht, gottergeben meine irdischen Lebenstage zu beschließen?

Im Volksmund heißt es zurecht: Wie dein Sonntag, so dein Sterbetag.
Wenn wir dieses Wort beherzigen, dann mag es uns heute vielfach bang ums Herz werden. Wie viele Menschen leben – wie man so sagt – in den Tag hinein, ohne an Gott zu denken und ihr Tun und Lassen vor Gott zu prüfen! Wie viele Katholiken vernachlässigen ihre Sonntagspflicht, also namentlich die strikte Verpflichtung, an Sonntagen und gebotenen Feiertagen die heilige Messe zu besuchen! Wie viele Christen, die zwar Kinder Gottes heißen und es aufgrund ihrer Taufe auch sind, bemühen sich redlich, sich auf den Tod vorzubereiten und um eine gute Sterbestunde zu beten! Die Kirche hat es nie unterlassen, den Gläubigen nahezulegen, Gott darum zu bitten, er möge uns vor einem jähen, plötzlichen und unversehenen Tod bewahren.

Das Sakrament der Krankensalbung, auch „Letzte Ölung“ genannt, das nicht auf den letztmöglichen Augenblick des irdischen Lebens aufgeschoben werden soll und das bekanntlich auch wiederholbar ist, darf in unserer katholischen Kirche nicht vernachlässigt werden. Der verantwortungsbewusste Umgang mit diesem Sakrament soll nicht zuletzt auch dazu verhelfen, dass ein gottergebenes Sterben möglich wird. Am Schluss des Jakobusbriefes betont der Verfasser die Macht des vertrauensvollen Gebets und kommt dabei insbesondere auch auf die Krankensalbung zu sprechen: „Ist einer von euch bedrückt? Dann soll er beten. Ist einer fröhlich? Dann soll er ein Loblied singen. Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Presbyter der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben.“

Zum gottergebenen Sterben gehört auch der Wunsch, ein wahrhaft christliches Begräbnis zu erhalten und sicherzustellen. In jüngster Zeit hat die römische Kongregation für die Glaubenslehre eigens eine Instruktion über die Beerdigung der Verstorbenen und die Aufbewahrung der Asche im Fall der Feuerbestattung herausgegeben. Darin wird an den Grundsatz erinnert, dass gemäß ältester christlicher Tradition die Kirche nachdrücklich empfiehlt, den Leichnam der Verstorbenen auf dem Friedhof oder an einem anderen heiligen Ort zu beerdigen. Sie hat allen Grund, diese seit alters gebräuchliche christliche Weise der Beerdigung neuerlich zu betonen, da vielfach der Glaube an die Auferstehung und das ewige Leben „verdunstet“ oder gar verschwunden ist. Auch wenn die Feuerbestattung nicht grundsätzlich verboten ist, so muss doch für ein christliches Begräbnis gewährleistet sein, dass mit der Kremation des Leichnams nicht eine Leugnung des Glaubens an die Auferstehung und das ewige Leben einhergeht. Gottergeben sterben – das heisst gerade auch hierzulande, dem Aufruf der Kirche zur Erdbestattung Folge zu leisten; denn wir sind berufen, den Glauben an die Auferstehung zu verkünden. Durch den Tod wird die Seele zwar vom Leib getrennt; bei der Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag wird Gott die unsterbliche Seele aber wieder mit dem verklärten Leib vereinen. Noch verfügen wir bei uns über eine schöne christliche Grabkultur, die uns an die Vergänglichkeit des irdischen Lebens gemahnt und gleichzeitig zur geistigen Verbindung mit jenen, die uns im Glauben vorangegangen sind, einlädt.

Der Gottesdienstteilnehmer bei unserer eingangs erwähnten Geschichte hat gesagt:
„Wir heißen Kinder Gottes und sind es … zu schön, um wahr zu sein!“ Nun sollten wir es wissen: Es ist schön und wahr zugleich, Kind Gottes zu heißen und es zu sein, wenn wir gottgefällig leben, gottverbunden lieben und gottergeben sterben. Die Fastenzeit, die wir nun beginnen, will eine Einladung sein, die schöne Wahrheit unserer Gotteskindschaft als unsere christliche Berufung persönlich zu bejahen und im alltäglichen Leben wirksam werden zu lassen. Dazu erbitten wir die Hilfe jener, die durch ihr gottgefälliges Leben, ihre gottverbundene Liebe und ihr gottergebenes Sterben die ewige Vollendung erlangt haben. Es sind die Heiligen und Seligen des Himmels. Sie sind unsere Vorbilder und unsere Fürsprecher bei Gott, damit auch wir auf unserer irdischen Pilgerschaft gottgefällig zu leben, gottverbunden zu lieben und gottergeben zu sterben bestrebt sind. Diese Glückseligen des Himmels haben das Wohlgefallen Gottes gefunden, sind in der Liebe Gottes geborgen und haben teil an jenem Leben, das keinen Tod mehr kennt. Es ist unsere große Hoffnung, dass wir in ihrer Gemeinschaft dasselbe erleben dürfen. Dafür lohnt es sich, hier auf Erden gottgefällig zu leben, gottverbunden zu lieben und gottergeben zu sterben.

Für uns alle erbitte ich den mütterlichen Schutz der Himmelskönigin Maria und erteile von Herzen meinen Segen für eine gnadenvolle Vorbereitung auf das hohe Osterfest. Amen.

Schellenberg, am Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes,
11. Februar 2017
+ Wolfgang Haas
Erzbischof von Vaduz

aus: Msgr. Wolfgang Haas, Erzbischof von Vaduz
Hirtenbrief zur Fastenzeit 2017

 

 

gottgefällig – gottverbunden – gottergeben (3/4)

Gottverbunden lieben

Wenn nun von „gottverbunden lieben“ die Rede ist, dann deutet dies bereits auf eine Verbindlichkeit hin. Gottverbunden lieben ist weit mehr als ein Akt der bloßen Sympathie oder einer unverbindlichen Höflichkeit. Wer gottverbunden liebt, weiß, dass es sich hierbei nicht um eine Beliebigkeit handelt, sondern um eine vor Gott zu verantwortende Haltung und um ein Gott gegenüber geschuldetes Verhalten. Bei aller zwischenmenschlichen Liebe ist Gott sozusagen der Dritte im Bunde. Ohne ihn hat wahre Liebe letztlich keinen Bestand und ist ständig von Egoismus, Eigensucht und Eigennutzen bedroht und angefochten. Nur wer gottverbunden liebt, bleibt vor jeder Entartung dessen, was den Namen Liebe verdient und was Liebe wirklich bedeutet, bewahrt. Schon der Dichter sagt: Die wahre Liebe besteht nicht in der Begeisterung, sondern in der Treue. Treue ist bei allen mit Gott verbundenen Liebesbeziehungen der wesentliche Grundzug. Ob es sich dabei um das eheliche Versprechen von Mann und Frau – also den Ehebund – handelt, ob es um die Eltern-Kind-Beziehung – also das familiäre Band – geht, ob wir es mit einem geistlichen Bündnis durch Gelübde oder Versprechen zu tun haben, immer muss es um jene Treue in der Liebe gehen, die nur durch Gottverbundenheit möglich ist.

Die heilige Therese von Lisieux schenkt uns einen beherzigenswerten Grundgedanken, wenn sie sagt: „Die Liebe schließt alle Berufungen in sich, die Liebe ist alles, sie umspannt alle Zeiten und Orte … Mit einem Wort, sie ist ewig.“ Und an anderer Stelle sagt sie ganz persönlich: „Nur die Liebe kann uns dem lieben Gott wohlgefällig machen. Sie ist das einzige Gut, das ich begehre.“ Mag auch unter diesen oder jenen Umständen die affektive Liebe in den verschiedenen gottgefälligen Liebesbeziehungen schwächer werden oder gar erkalten, so bleibt doch der effektive Liebesbund erhalten und löst sich nicht einfach auf; denn er gründet auf jener Verbindlichkeit, die durch Gottverbundenheit geprägt ist. Wer ein Bündnis wie beim Ehesakrament oder beim Ordensgelübde oder bei der heiligen Weihe geschlossen hat, hat eben sein Ja-Wort vor Gott gegeben und Gott damit gleichsam zum Zeugen seines Versprechens genommen. Solche Zusage ist also nicht das Einlassen auf ein Experiment und steht nicht zur Disposition nach eigenem Gutdünken.

Wenn nun etwa in Bezug auf die christliche Ehe deren Unauflöslichkeit zur Diskussion gestellt wird und der Ehebruch nicht mehr in jedem Fall als schwere Sünde gelten soll, dann ist ein solches Bestreben direkt gegen Gottes Heilswillen gerichtet. Schon in der ursprünglichen Schöpfungsordnung und schliesslich in der Erlösungsordnung ist die Ehe von Gott als unauflösbarer Bund gewollt. „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ So sagt es Jesus in aller Eindeutigkeit und rehabilitiert damit das, was von Anfang an galt. Nur der Tod kann das Eheband trennen. Niemand, welchen Standes und Ranges er auch immer sei, hat die Vollmacht, ein gültiges sakramentales Eheband zu lösen.

Da zwischen dem Leben im Ehesakrament und dem Empfang der eucharistischen Speise kein Widerspruch und keine Verunklärung aufkommen dürfen, gilt bei aller fürsorgenden Liebe zivilrechtlich Geschiedenen gegenüber stets und ohne Abstriche in jedem Fall, was das kirchliche Lehramt gerade auch durch den heiligen Papst Johannes Paul II. verkündet hat:

„Die Kirche bekräftigt jedoch ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen. Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht. Darüber hinaus gibt es noch einen besonderen Grund pastoraler Natur: Ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung. Die Wiederversöhnung im Sakrament der Buße, das den Weg zum Sakrament der Eucharistie öffnet, kann nur denen gewährt werden, welche die Verletzung des Zeichens des Bundes mit Christus und der Treue zu ihm bereut und die aufrichtige Bereitschaft zu einem Leben haben, das nicht mehr im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe steht. Das heißt konkret, dass, wenn die beiden Partner aus ernsthaften Gründen – zum Beispiel wegen der Erziehung der Kinder – der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, ‚sie sich verpflichten, völlig enthaltsam zu leben, das heißt, sich der Akte zu enthalten, welche Eheleuten vorbehalten sind.‘“

An diese kirchliche Lehre und Ordnung sind wir alle gebunden, gerade auch in der seelsorglichen Betreuung und Begleitung der uns anvertrauten Menschen. Als Christgläubige, die gottverbunden lieben, wollen wir gerade in der heutigen Gesellschaft darum bemüht sein, auch andere zur Liebe aus Gottverbundenheit zu gewinnen und sie vor falschen Wegen zu bewahren.

aus: Msgr. Wolfgang Haas, Erzbischof von Vaduz
Hirtenbrief zur Fastenzeit 2017