Bernardin von Siena, der Heilige des Namens Jesu – 20. Mai

Die Liebe des hl. Bernardin von Siena zum heiligsten Namen Jesu.

Bernardino di Betto, „Das Begräbnis des Heiligen Bernhardin von Siena“, um 1486. Fresko. Rom, Kirche S.Maria in Aracoeli, Cappella Bufalini.

Um das Jahr 1380 schien das Andenken an den süßesten Namen Jesus und die Liebe zu ihm in den Herzen der Völker Oberitaliens untergegangen zu sein, so sehr hatten Hass und die Zwietracht den himmlischen Sinn in den Gemütern vertilgt.

Da erschien, von Gott gesendet, der heilige Bernardin und stellte diesen hochheiligen Namen als ein Zeichen des Friedens und der Einigkeit den Parteien vor Augen, von feinen Lippen ertönte unaufhörlich der Name „Jesus“ und durch die Kraft dieses heiligsten Namens bewirkte er eine wunderbare Umgestaltung der Sitten; die Geister der Hölle mussten fliehen, das Reich Christi begann wieder aufzublühen.

Am Feste Maria Geburt war er geboren; ihm sollte Maria fortan eine treue Mutter und er ihr treuester Diener werden.

Sein Wahlspruch:
„Alles mit Maria!“

Mehr über den hl. Bernardin von Siena hier:
Der Name Jesus sei euer Gruß

Täglichen Anmutungen des heiligen Bernardin. Er seufzte:

Am Sonntag: O guter Jesus! gib, daß ich Dich inbrünstig liebe!

Am Montag: Jesus, süße Liebe, lass mich die unermessliche Liebe fühlen, die Du zu den Menschen hast.

Am Dienstag: Liebenswürdigster Jesus, ich möchte dich lieben, aber ohne dich kann ich es nicht!

Am Mittwoch: Jesus, meine Liebe, lass mich sterben aus Liebe zu Dir!

Am Donnerstag: Jesus, meine Liebe, gib mir eine inbrünstige, demütige, dankbare Liebe zu Dir, damit ich Dich lobe, damit ich Dich preise für Deine unaufhörliche Güte.

Am Freitag: O mein Jesus, der Du für mich gekreuzigt worden, möchte ich mit Dir gekreuzigt werden.

Am Samstag: O mein Jesus, meine glorreichste und süßeste Liebe, wann werde ich doch ganz trunken von Dir sein und wann werde ich so der Welt erscheinen? Wann wird unsere Vereinigung so vollkommen sein, dass ich Dich nicht mehr beleidigen kann? Warum sollte ich mich von Dir entfernen? Ohne Dich sein ist Schmerz und Tod. Dein herrlicher, süßer Name sei gepriesen!!

Wie wäre es, christliche Seele, wenn auch du diese Seufzer täglich oder doch öfter machen würdest!!

(nach: Legende von den lieben Heiligen Gottes. Nach den besten Quellen bearbeitet und herausgegeben. Stadtpfr. Georg Ott, mit oberhirtlicher Gutheißung, Verlag F. Pustet, 1858)

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Meine Hoffnung: CHRISTUS

Sag uns, Maria,
was sahst du auf dem Weg?
Das Grab Christi, des Lebenden;
und ich sah die Herrlichkeit
des Auferstandenen.
Die Engel als Zeugen,
das Schweißtuch und die Gewänder.
Auferstanden ist Christus,
meine Hoffnung.

Dic nobis, María,
quid vidísti in via?
Sepúlcrum Christi
vivéntis:
et gloriam vidi resurgéntis,
Angélicos testes
sudárium et vestes.
Surréxit Chrístus,
spes mea.

Annibale Carracci – Die heilige Jungfrau am Grabe Christi

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Regina Apostolorum – Kraft zum Apostolat

Wenn wir Maria als die Königin des Alls neben ihrem Sohn bezeichnen – der Ausdruck König oder Königin als menschliche Bezeichnung, um damit die Herrschaft des Sohnes Gottes über alles Erschaffene zu beschreiben -, erkennen wir Maria als die Herrscherin an, weil Gott ihr diese Herrschaft über Engel und Menschen gegeben hat. Sie ist die Königin des Universums, größer als sie ist nur Gott. Wenn die Kirche den Begriff „Königin der Apostel“ verwendet, unterstreicht sie den besonderen Beistand, den diese und ihre Nachfolger von Maria, der Hilfe der Christen und Mutter der Kirche erfahren. In Kevelaer steht vor der Gnadenkapelle die Anrufung Auxilium episcoporum; denn die Bischöfe brauchen eine besondere Gnade und sollen der Hilfe der Gottesmutter sicher sein, damit sie ihrem Auftrag treu sind und ihr Amt zum Wohle der Christen aus-üben.

Aber auch wir alle haben einen Auftrag vom Herrn erhalten, der es uns erlaubt, uns „Apostel“ zu nennen. Ähnlich wie den zwölf Aposteln gilt auch uns der gebieterische Befehl des Herrn: „…Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern … und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mt 28,19 f.) Auch wir sind als Gesandte Gottes berufen und bekleiden so das Amt Jesu Christi. Als Christen sind wir besonders verbunden mit Christus; als Christen bekommen wir unseren Christennamen von ihm, wie der hl. Augustinus sagt: Christsein kommt von Christus wie Römer von Rom. „Aus seiner Fülle haben alle empfangen Gnade über Gnade …; die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.“ (Joh 1,16 f.)

Wir sind also zum Apostolat durch Gott selbst berufen worden, d. h. von Jesus in die Welt gesandt, uns als „lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“ zu lassen, „zu einer heiligen Priesterschaft“ (1 Petr 2,5). Gott selbst hat uns bestellt, damit wir das Werk Jesu fortsetzen, um unseres Heiles willen, wie wir es im Glaubensbekenntnis aussprechen. Wir können diesen Auftrag, diese persönliche, göttliche Beauftragung, nicht den Bischöfen und den Priestern oder auch den Ordens-leuten allein zuschreiben, obwohl diese durch eine besondere Berufung der Kirche dienen wollen. Die Kirche muss ständig wachsen und sich erneuern. Sie muss der Welt die Lehre Jesu Christi vermitteln. Alle, die die Kirche bilden, sind mit diesem Auftrag betraut. Niemand ist von der Last dispensiert, die der Herr uns bei der Taufe anvertraut hat.

Die Bischöfe und Priester sind als Hirten für das Volk Gottes berufen. Sie sollen uns das Wort Christi lehren und die Sakramente spenden. Dies ist ihre originäre und eigentliche Aufgabe als Hirten. Als solche haben sie keine Jurisdiktion über die Nicht-Getauften; diese gehören nicht ihrer Diözese an und sind nicht ihre Pfarrkinder. Doch schon als Christen haben sie wie alle Gläubigen die gleichen Pflichten: Christus hat alle zum Apostolat berufen, wenn auch in verschiedener Weise. Als Christen sind wir dazu berufen, die Menschen davon zu überzeugen, dass Jesus sie liebt, dass der Sohn Gottes in die Welt gekommen ist, um uns zu erlösen.

„Da es aber Gott gefiel, das Sakrament des menschlichen Heils nicht eher feierlich zu offenbaren, als bis er den von Christus verheißenen Geist ausgoss, sehen wir, wie die Apostel vor dem Pfingsttag «einmütig im Gebet verharren mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern» (Apg 1,14) und wie auch Maria mit ihren Gebeten die Gabe des Geistes erfleht, der sie schon bei der Verkündigung über-schattet hatte“ . Bei der Firmung betet die Kirche für den Firmling, und die Gottesmutter steht ihm bei, indem sie die Gaben des Heiligen Geistes für ihn erfleht. So ist Maria Mutter der Kirche und Mutter eines jeden Christen, dem sie als Vermittlerin der Gnade hilft, seine Aufgaben mit Freude und Dankbarkeit zu erfüllen.

Es ist der Auftrag der Kirche, den Menschen den Weg zu Gott und die Wahrheit über Gott und seine Geschöpfe zu zeigen und sie zum ewigen Leben zu führen, indem sie sie zu Jesus führt (siehe z. B. Joh 14,6; 3,36; 17,14-17). Christus ist in die Welt gekommen und hat seine Kirche gegründet, damit sie den Menschen das Heil zeigt.

Maria, „die selige Jungfrau (aber) ist durch das Geschenk und die Aufgabe der göttlichen Mutterschaft, durch die sie mit ihrem Sohn und Erlöser vereint ist, und durch ihre einzigartigen Gnaden und Gaben auch mit der Kirche auf innigste verbunden.“ Sie hilft den Christen mit mütterlicher Aufmerksamkeit, alle Verpflichtungen zu erfüllen, die uns auszeichnen sollen: die Heiligkeit und das Apostolat. Die erste Pflicht ist Voraussetzung für die zweite. Niemand, der nicht danach strebt heilig zu werden, kann die Lehre der Kirche vermitteln; keiner wird apostolisch wirken können, ohne gleichzeitig die Heiligkeit anzustreben. Jesus lehrte zwar die Menschen mit Klarheit und Autorität: „Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben“ (Joh 6,63); aber er zeigte ihnen vorher den Weg: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29); und: Jesus tat und lehrte (vgl. Apg 1,1). Die Heilige Schrift zeigt uns: zuerst das Tun, dann das Lehren.

Das Apostolat des Lehrens ist gut; aber noch wichtiger ist das Apostolat des Handelns: Jesus wollte nicht lehren – sagt der hl. Augustinus -, was er selbst nicht war; er wollte nichts fordern, was er selbst nicht tat. Durch gute Werke in Heiligkeit erreichen wir die Gnade, die Gott uns schenkt, und überzeugen die Menschen. Denn so spricht der Herr: „Ich habe euch gesandt zu ernten, wofür ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und ihr erntet die Frucht ihrer Arbeit.“ (Joh 4,38) Maria, die voll der Gnade ist, die unbefleckt Empfangene, die Immaculata hilft uns dabei, das Reich Gottes unter den Menschen sichtbar zu machen. Sie tut es, wie bei den Aposteln, durch ihr Gebet und ihre Fürsprache: „Die Allerseligste Jungfrau Maria hat durch unseren Herrn Jesus Christus alle natürlichen Eigenschaften der Frau angenommen, um jedem Menschen, der seine Zuflucht zu ihr nimmt, hilfreich beizustehen als neue Eva.“

Der wahre Weg zu Gott, den wir den Menschen zeigen sollen, ist nicht nur der Weg der guten Werke, sondern auch der des Kreuzes. Das ist der Schlüssel, der uns den Himmel öffnet. Und Maria stand beharrlich bei dem Kreuz Christi (Joh 19,25). Der Christ sieht in Maria seine Mutter; in diesem Spiegel der Gerechtigkeit sieht er, wie er sich in sein jeweiliges Kreuz zu fügen hat. Maria verdiente uns mit Christus die Fähigkeit zum Apostolat, aber auch wir müssen uns, wie sie, um das Heil der Menschen verdient machen durch Gebet und Ertragen der Widrigkeiten des Lebens.

Der hl. Augustinus lehrt uns: „Wo der Christ große Leiden er-fährt, da spendet Gott großen Trost; bitter sind die Wunden, aber milde sind die Heilmittel … Wer trösten will, muss sich mit dem Leidenden identifizieren; denn bevor er zu trösten vermag, muss er das Leiden empfinden“ . Für einen Christen gilt: „Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst.“ (1 Petr 1,6) Erleiden nicht viele verfolgte Christen mancherlei Prüfungen und sind trotzdem froh, wenn sie einen Gottesdienst besuchen können? Es stimmt: „Wer Schmerz leidet, kann nicht getröstet werden, wenn er nicht den Schmerz aufopfert“ . Und so geht es dem Menschen miserabel, wenn er den wahren geistlichen Trost verliert .

Selbst Nicht-Christen raten uns, „das Missgeschick oder Unglück als eine Gelegenheit zur Tugendübung“ zu erachten ; denn „im Missgeschick oder Unglück glänzt die Tugend“ . „Der Gerechte muss viel leiden, doch der Herr wird ihn allem entreißen.“ (Ps 34,20).

Als der Kaiser von Laurentius die Übergabe der Reichtümer der Kirche verlangte, sammelte Laurentius die Alten, Armen und Kranken und stellte sie vor den Kaiser: „Hier sind die wahren Schätze der Kirche.“ Darauf erlitt Laurentius das Martyrium. Die Kranken, Leidenden und Krüppel, die nach Fatima, Guadalupe, Lourdes oder Kevelaer pilgern, werden meistens nicht geheilt, aber sie werden getröstet, weil sie sehen, wie viele Leiden es in der Welt wegen der Sünde gibt; sie verstehen, dass sie ihre Betrübnisse nicht vergeblich erdulden und dass zur Miterlösung mit Christus gerufen sind.

Wir sind wie Maria zur Miterlösung für unsere Sünden bestimmt: „Legt (als neues Gewand) den Herrn Jesus Christus an“ (Röm 13,14). „Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Das gehört zu unserer Berufung in dieser Welt: mit Maria für den Leib Christi, die Kirche, zu ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt (Kol 1,24). Das heißt nicht, dass wir den Leib nicht beachten sollten, kein Mensch „hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn“ (Eph 5,29); aber wir schenken die Leiden und Betrübnisse dem Herrn, um „durch ihn, mit ihm und in ihm Gott Vater zu verherrlichen .

Als Jesus sein Leben für uns hingab, ist Maria nicht verzweifelt. Sie war in Gedanken bei uns, die wir der Grund der Leiden ihres Sohnes waren. Sie wusste es; sie hatte die Lehre des Sohnes Gottes richtig verstanden; sie opferte ihr Leid um ihren Sohn für uns auf. So ist Maria, die Mutter Gottes, die Trösterin der Betrübten! „Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust und labt euch an ihrem mütterlichen Reichtum!“ (Jes 66,11)

Maria gehört zu Gott. Sie ist die Magd des Herrn und die Immaculata; aber sie ist für uns auch die Mutter des guten Rates. „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5) Wie den Dienern in Kana so empfiehlt sie es auch uns. Gleichzeitig ist sie die Jungfrau, mächtig zu helfen, Virgo potens: „dixit Verbum, et omnia facta sunt; dixit Maria, et Verbum caro factum est“, sagt voll Erstaunen der hl. Thomas: „Das Wort spricht, und alles ist geworden; es spricht Maria, und das Wort ist Fleisch geworden“. Die Kirche ruft zu ihrer Mutter: Mehr als du ist nur Gott! So beten die Christen seit eh und je: „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesgebärerin; verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du glorreiche und gebenedeite Jungfrau, unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin. Versöhne uns mit deinem Sohne, empfiehlt uns deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne“ .

(German Rovira. Die Auserwählung Marias. Eine Betrachtung,
in: Sedes Sapientiae. Mariologisches Jahrbuch, 14 (2010) Bd. 2)

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Spiegel ihres Sohnes

Die Konstitution Lumen gentium sagt über Maria, sie sei „ihrem Sohn vollkommen gleichgestaltet” . Was heißt jedoch gleichgestaltet? Sie ist als „Königin des Alls vom Herrn erhöht”. Sie ist Königin des Alls, der Engel und aller Menschen, seien sie Apostel, Märtyrer, Patriarchen oder Propheten; sie steht, wie ihr Sohn, der als Mensch Herrscher der Welt ist, als Herrin der Herren, als die Siegerin über Sünde und Tod da.

Und was heißt „Siegerin über Sünde und Tod“? Sie ist die Unbefleckt Empfangene und deshalb auch mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen: Assumpta quia Immaculata! Aber den Sieg über die Sünde hat Gott ihr vermittelt: Sie wurde vor der Sünde, sogar vor der Erbsünde bewahrt, weil Gott sie als seine Mutter auserwählte. Sie ist voll der Gnade und vollkommen frei; Gott hat ihr alle Gnaden und Privilegien geschenkt.

Maria ist seither der Spiegel der Gerechtigkeit, das Abbild der Gerechtigkeit und der Heiligkeit Gottes, die für uns unbegreiflich sind. Weil Jesus durch Maria Mensch geworden ist, können wir, mit ihrer Hilfe, durch Jesus Christus gottähnlich werden.

In der Ordnung der Gnade ist Maria unsere Mutter, die Mutter der Kirche. Sie lehrt uns den Gehorsam des Glaubens und stärkt uns in der Hoffnung, weil sie in uns die Liebe zu Jesus und allen Menschen entzündet. Sie ist der Spiegel des Heiligen Geistes.

Maria ist das Symbol und die Mutter der Kirche, deren Haupt ihr Sohn ist. Sie geht mit uns auf dem Pilgerweg des Glaubens und stärkt uns, wenn wir mit der Urkirche „einmütig im Gebet verharren mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern” (Apg 1,14). Sie lehrt uns die Menschlichkeit und vermittelt sie uns damit zugleich die Tugenden in den Dingen des Alltags: Demut, Freundlichkeit, Fried-fertigkeit, Arbeitsamkeit, Hingabe usw. Sie ist für uns das Beispiel dieser Tugenden und erbittet uns von ihrem Sohn die Gnade, sie vollkommen zu üben.

So wie Christus unser Mittler ist, das Bindeglied zu Gott, weil er Gott und Mensch ist, so ist Maria Vermittlerin aller Gnaden, die Christus uns nach seinem Sieg über die Sünde schenken kann. Wir nennen sie „Mutter der göttlichen Gnade“, Mater divinae gratiae, nicht nur weil sie die Mutter Gottes ist, sondern weil sie die Mutter des Hauptes der Kirche ist. Deswegen erreichen uns die Gnaden, gratia capitis, des Hauptes der Kirche. Diese Geheimnisse können wir nur verstehen, wenn Gott sie uns im Gebet eröffnet.

Ein weiteres großes Mysterium ist das Verhältnis Gottes zu uns: Gott liebt uns als seine Kinder. Das Kreuz ist „eine neue Manifestation der ewigen Vaterschaft Gottes, der sich in ihm erneut der Menschheit und jeden Menschen nähert, indem er ihm den dreimali-gen Geist der Wahrheit schenkt … Der Gott der Schöpfung offen-bart sich als Gott der Erlösung, als Gott, der sie sich schon am Tag der Schöpfung offenbart hat“ . Und „wenn die Wirklichkeit der Erlösung in ihrer menschlichen Dimension die unerhörte Größe des Menschen erhüllt … so erlaubt uns doch die göttliche Dimension der Erlösung, auf eine sozusagen unüberbietbar empirische und ‚historische‟ Weise zugleich jene Liebe zu enthüllen, die nicht einmal vor dem außerordentlichen Opfer des Sohnes zurückweicht, um der Treue des Schöpfers und Vaters zu den Menschen gerecht zu werden“ .

Man kann sagen: Gott leidet – ein unerforschliches Mysterium: d. h. der Gottmensch leidet, und so beweist er uns seine Liebe! Er, der unser Glück ist und es für immer bleiben will, leidet, und mit ihm seine Mutter, die auch unsere Mutter ist. Als Zeichen der Leiden Christi feiern wir die Heilige Messe, die die Vergegenwärtigung seines Todes am Kreuze ist, doch auch die Auferstehung verkündet.

Maria ist die schmerzhafte Mutter, die Mater dolorosa, die mit uns und für uns leidet, wenn wir unsere Pflichten nicht erfüllen: „In der Stunde der Schmach, unter dem Kreuz, ist Maria zur Stelle, ihrem Sohn nahe … bereit, sein Los zu teilen. Überwinden wir die Angst davor, uns da, wo wir hingestellt sind, als verantwortliche Christen zu bekennen. Das mag unbequem sein – aber die Gottesmutter wird uns helfen” . Sie hilft uns bei der großen Aufgabe, die wir haben, die sogenannten kleinen Dinge zu beachten.

(Aus: German Rovira. Die Auserwählung Marias. Eine Betrachtung,
in: Sedes Sapientiae. Mariologisches Jahrbuch, 14 (2010) Bd. 2)

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Mittlerin der Gnaden, 3

3. Die Lehre der Kirche

Mit dem Bekenntnis der Unbefleckten Empfängnis ehren wir „die heilige und unteilbare Dreifaltigkeit“ und gleichzeitig den Sohn, „den unsterblichen König der Zeiten und Sieger über Sünde und Tod“ ; wir erkennen so die Zierde und Auszeichnung der Jungfrau an und vermehren die Herrlichkeit seiner erhabenen Mutter“ . Dieses Bekenntnis dient prinzipiell „zur Erhöhung und zum Wachstum der christlichen Religion“ und „zur Freude und Begeisterung der ganzen Kirche“ .

Mit der Verkündigung dieser immerwährenden Wahrheiten bewirkt die Kirche dreierlei: Gott zu lobpreisen, die Muttergottes zu ehren und den Glauben zu fördern. Sie sind Ausdruck des Wirkens Marias in der Kirche.

Die Religiosität zeigt sich im Leben eines Volkes vor allem im Be-ten. Das Gebet drückt aus, woran das Volk glaubt. In der christlichen Religion glauben wir an Gott, so wie er uns von Jesus Christus offenbart wurde. Die Offenbarung Gottes zeigt sich in der Tradition und der Heiligen Schrift, die sich am Lehramt der Kirche orientieren und von diesem richtig interpretiert werden. In der katholischen Tradition hat die Liturgie eine besondere Aufgabe: Es geht ihr vor allem um die heilige Eucharistie. Die Liturgien sind mannigfaltig und finden ihren Ausdruck in Hymnen, Musik und Kunst.

Die Menschwerdung unseres Erlösers ist der größte Beweis der Vorsorge Gottes, so Leo der Große, da „nämlich die Wirksamkeit Marias sich vor allem in der Erhöhung und im Wachstum unseres Glaubens ausdrückt, indem sie uns bei seiner Verbreitung hilft und beisteht. Unser Geschlecht lief von selbst den grausamen Tyrannen zu, stürzte sich in den tiefsten Abgrund der Bosheit und übertrat ungescheut die Gesetze der Natur. Das sah der Schöpfer, und er entschloss sich, uns auf eine ebenso weise wie gerechte Art in eigener Person zu retten. Er wollte uns weder durch seine eigene Allmacht allein befreien, noch durch seine Barmherzigkeit allein unseren Feind vertilgen … So schlug er den Mittelweg ein: Er zeigte seine Barmherzigkeit, ohne dabei seiner Gerechtigkeit auch nur im Geringsten etwas zu vergeben. Er vereinigte die besiegte Menschennatur mit sich, führte sie selbst auf den Kampfplatz, setzte sie instand, den zu Boden zu schlagen, von dem sie zuvor schimpflich überwunden worden war, das harte, ihr auferlegte Sklavenjoch abzuwerfen und wieder zur Freiheit zu gelangen“ .

So kommen wir zu einem der Mysterien, die uns die Größe Gottes und seine Barmherzigkeit zeigen: Gott wusste von Ewigkeit her, „als er die Fundamente der Erde abmaß“ (Spr 8,30), dass die Jungfrau Maria Millionen von Jahren danach freiwillig Ja sagen würde zu seinem Willen.

Angesichts dieser Bereitschaft Marias hat Gott sie neun Monate bevor sie zur Welt kam von der Erbsünde befreit. Sie wurde im Augenblick ihrer Zeugung ohne Sünde und voll der Gnade empfangen.

Gott die Ehre zu geben, ist die Aufgabe der Religion, die sich in menschlichen Handlungen vollzieht. Maria führt uns zur Ehre Gottes, zu Erhöhung und Wachstum der Religion, zu Freude und Begeisterung der Kirche . „So möge sie denn auch uns ganz nahe sein in den betrüblichen und leiderfüllten Schicksalsschlägen, in all den bitteren Nöten und kummervollen Bedrängnissen; möge sie uns mit ihrem mütterlichen Herzen ganz umfangen, bei Gott mit ihrer machtvollen Fürbitte für uns eintreten, die Geißeln seines göttlichen Zorns, die uns wegen unserer Sünden heimsuchen, von uns abwenden! Möge sie die in wilden Aufruhr geratenen Wogen des Unheils, von denen die Kirche überall zu unserem unsagbaren Schmerz hin und her geworfen wird, besänftigen und glätten und unsere Trauer in Freude verwandeln“.

(Aus: German Rovira. Die Auserwählung Marias. Eine Betrachtung,
in: Sedes Sapientiae. Mariologisches Jahrbuch, 14 (2010) Bd. 2)

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Mittlerin der Gnaden, 2

2. Die Tradition und die Volksfrömmigkeit

Die Bezeichnung ‚Vermittlerin‟ und später ‚Mittlerin aller Gnaden‟ ist in der Kirche durch die Frömmigkeit des Volkes Gottes verbreitet worden. Was wir heute Volksfrömmigkeit nennen, besteht schon seit dem zweiten Jahrhundert. Indirekt bestätigt durch Origenes, der Maria die Theotokos nannte, ist das Gebet „sub tuum praesidium“ ein klares Zeichen des Vertrauens des Volkes Gottes auf die Fürsprache Marias.

Was ist nun der Unterschied zwischen Vermittlerin und Fürsprecherin? Warum sprechen wir von Fürbitten und von Fürsprachen? Gibt es wesentliche Unterscheidungsmerkmale zwischen den Begriffen? Theologisch sind sie verwandt, als wären sie Synonyme. Aber an und für sich bedeutet Fürbitte: beten zu Gott für andere Menschen, von denen wir glauben, dass sie es nötig haben: „…betet für die, die euch verfolgen“, rät uns der Herr (Mt 5,44).

Fürsprechen dagegen ist das Eintreten für jemanden, von dem wir meinen, dass er das Recht hat, etwas zu bekommen, was er nicht erhalten würde, wenn nicht wir für ihn redeten; oder wir setzen uns für jemanden ein, von dem wir erwarten, dass er in Zukunft so handeln wird, wie wir es für richtig halten. Diese Form der Fürsprache hat schon etwas mit einer Vermittlung zu tun.

Der Herr hat uns beides empfohlen: Fürbitten und Fürsprechen. Dabei sollen wir selbstverständlich nicht annehmen, Gott wisse nicht alles. Aber wenn er uns sagt: „Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet“, dann ist unser Gebet für die anderen Gottes Wunsch. Wir sollen bitten, obwohl wir wissen, dass Gott uns alles geben will; denn auch wir geben unseren Kindern alles Gute, aber es freut uns, wenn sie uns um etwas bitten (Mt 7,7; vgl. 7,8-11).

So sollen wir für die Menschen bitten, auch für unsere Verstorbenen: in der zuversichtlichen Hoffnung, dass unser Gebet erhört wird. Empfehlen wir auch unsere Anliegen und die der Menschen Maria, den Engeln und den Heiligen im Glauben daran, dass sie unsere Fürsprecher sind.

Obwohl die Begriffe Fürsprecher und Mittler verwandt sind, drücken sie, etwas Verschiedenes aus. Vermittlung ist die Aufgabe, zwischen Parteien zu schlichten. Bei Maria aber ist dies anders, man könnte es mit dem Feuer oder mit dem Licht vergleichen. Wenn etwas brennt, erzeugt es Wärme. Gott ist wie Feuer, dessen Wärme Maria gleicht, die uns das Feuer vermittelt, das uns sogar brennen lassen kann. Mit dem Licht gebrauchen wir ein Bild, das sehr häufig in der Heiligen Schrift vorkommt (vgl. z. B. Gen 1,3-4 und Joh 1,3-5 oder 3,19-21). Das Licht kann durch einen Spiegel vermittelt werden oder durch eine Lampe. Darin können wir ein Symbol der Vermittlung durch Maria sehen : Sie ist der Spiegel der Gerechtigkeit und wird auch mit dem brennenden Dornbusch verglichen, in dem Gott sich dem Mo-se zeigt (vgl. Ex 3,1-6).

Am besten aber zeigt sich eine Mittlerin in der Mutterschaft. Und welche Aufgaben sind damit Maria von Gott anvertraut worden: Maria hat den Sohn Gottes für uns empfangen und geboren; sie hat uns Gott geschenkt oder vermittelt. Das Wirken ihrer mütterlichen Liebe lebt aus der Mittlerschaft Christi und schöpft all seine Kraft daraus. Deshalb suchen die Gläubigen in Angst und Gefahr vertrauensvoll Zuflucht bei der seligen Jungfrau .

Von Anfang an haben die Christen Maria als die Mittlerin für sich bei ihrem Sohn gesehen, dem Sohn Gottes. Schon Justin erblickte in Maria die Neue Eva: Maria ist das Gegenbild zu Eva, die mit ihrem Ungehorsam die uns von Gott geschenkten Gaben verloren hat und, wenn man so will, die Mutter unseres Todes ist“ . Auch Irenäus von Lyon sieht in Maria, die uns Christus gewonnen hat, die neue Eva . Der hl. Efrem ist vielleicht der erste, der (373) Maria ausdrücklich mit dem Begriff Vermittlerin der Gnade bezeichnet . Es gibt viele Zeugnisse bei den Kirchenvätern, in denen die Mutter Gottes, die Theotokos, als Mittlerin aller Gnaden bezeichnet wird. Cyrill von Alexandrien ist ja ein qualifizierter, durch das Konzil von Ephesus bestätigter Zeuge ihrer göttlichen Mutterschaft; ebenso sind es Andreas von Kreta , Ambrosius von Mailand , Hieronymus oder Johannes von Damaskus . Im Westen sind später Leander von Sevilla, Isidor von Sevilla und Hildefons von Toledo Zeugen dieser Tradition. Durch die irischen Mönche ging sie zur Karolingischen Renaissance über, und es kam zu einer Erneuerung nicht nur in der Theologie, sondern auch in der Mariologie.

Hildefons von Toledo kann man als den „Vater der Weihe an Maria“ bezeichnen , obwohl die Bezeichnung „Weihe“ zuerst von Romanus dem Meloden gebraucht wird. Romanus erwähnt auch den Vergleich Eva-Maria. Später gibt es zahlreiche katholische geistliche Schriftsteller, die Maria als Mittlerin anrufen, so den hl. Anselm und den hl. Bernhard von Clairvaux . Eadmer von Canterbury hat uns als Erster einen schriftlichen Traktat über die Unbefleckte Empfängnis hinterlassen.

(Aus: German Rovira. Die Auserwählung Marias. Eine Betrachtung,
in: Sedes Sapientiae. Mariologisches Jahrbuch, 14 (2010) Bd. 2)

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Mittlerin der Gnaden, 1

1. Die Lehre des Neuen Testaments

Die katholische Lehre, dass Maria Mittlerin zwischen ihrem Sohn Jesus und ihren geistigen Kindern ist, hat eine sehr alte Tradition und stützt sich auf Schriften, die bis auf die Apostel zurückgehen, vor allem auf das Evangelium des Johannes. Aber auch bei Lukas, in Passagen der Apostelgeschichte und in den Briefen findet man bestätigt, dass Gott für Maria eine besondere Rolle im Werk der Erlösung und der Heiligung der Menschen vorgesehen hat.

Bei Lukas ist die Heiligung Johannes des Täufers noch im Schoße seiner Mutter Elisabeth (1,39-45) auffallend. In der Apostelgeschichte (1,14) wird Maria als Mitglied der Gemeinde genannt, die den Heiligen Geist empfängt (2,1-4) und an der Feier der Heiligen Messe teilnimmt (Apg 2,46). Das II. Vatikanische Konzil sagt, dass Maria mit ihrem Gebet mit den Aposteln und der Gemeinde zu ihrem Wohle wirkt . Auch in der Offenbarung des Johannes liest man im 12. Kapitel: „Da geriet der Drache in Zorn über die Frau und er ging fort, um Krieg zu führen mit ihren übrigen Nachkommen, die den Geboten Gottes gehorchen und an dem Zeugnis für Jesus festhalten.“ (12,17) Die Kirche hat immer, ohne die anderen Interpretationen zu verneinen, angenommen, dass hier auch die Mutter Gottes gemeint ist.

Im Johannesevangelium geht es um die Barmherzigkeit Marias gegenüber den Brautleuten bei der Hochzeit von Kana. Damit verborgen bleibt, dass die Brautleute nicht für genügend Wein bei ihrer Hochzeit gesorgt haben, bittet Maria ihren göttlichen Sohn um Abhilfe. Wir kennen die Tonart und die Gestik, das liebevolle Lächeln nicht, mit dem er sagt: „Was willst du von mir Frau?“ (Joh 2,4) Aber dass Maria den Dienern gleich darauf sagt: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5), deutet klar darauf hin, dass Mutter und Sohn sich so vollkommen verstanden, wie wir es uns kaum vorstellen können.

Durch dieses Wunder offenbarte sich Jesus seinen Jüngern (s. Joh 2,3-5/11). Hier ist nicht ausdrücklich von Vermittlung der Gnade die Rede, aber schon von einem gewissen Einfluss auf Jesus, so dass seine Jünger an ihn glaubten (Joh 3,11); und das ist wirklich eine Gnade.

Diese Perikope des Johannesevangeliums erscheint in der Votivmesse zu Ehren der Jungfrau Maria als „Mutter und Mittlerin der Gnade“. Die erste Lesung aus dem Buch Esther , Zeichen der Für-sprache für das Volk Gottes, ist eine Typologie Marias. Im Kommentar zu dieser Messe sagt die Kirche: „Mittlerin der Gnade ist die selige Jungfrau Maria, weil sie Christi Gefährtin bei der Erwirkung der größten Gnade für uns war“ und wiederholt im Tagesgebet diese Aussage: Gott, du hast gewollt, dass die selige Jungfrau Maria den Urheber der Gnade gebären sollte und dieser hat sie zur Gefährtin im Geheimnis der Erlösung gemacht.

Auch die Szene am Fuß des Kreuzes (Joh 19,25-27) verstehen alle Kommentatoren von Anfang an als Jesu Übergabe seiner Mutter an alle Menschen als ihre Mutter. Nach der gängigen Interpretation seit den ersten Jahrhunderten ist dies an sich noch keine Offenbarung der Mittlerschaft Marias und ihrer Miterlösung, aber doch ihrer geistigen Mutterschaft. Dies hat Johannes Paul II. ausführlich in seiner Enzyklika Redemptoris mater dargelegt . Die Präfation der Messe ‚Quelle des Heils‟ bekennt im Hinblick auf Maria: „Die Kirche reicht allen Gläubigen das Wasser des Heiles, das aus der Seitenwunde Christi hervorströmt“ .

Maria wird in den Evangelien zweifelsohne als Vermittlerin und auch als Miterlöserin dargestellt; doch bedarf diese ihre Stellung weiterer Erwägungen, um verständlicher zu machen, dass wir ebenfalls zur Miterlösung gerufen sind, auch wenn diese bei der Gottesmutter eine andere Qualität hat als bei uns.

(Aus: German Rovira. Die Auserwählung Marias. Eine Betrachtung,
in: Sedes Sapientiae. Mariologisches Jahrbuch, 14 (2010) Bd. 2)

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Die einzigartige Stellung Marias neben Christus

Wo steht die Mutter des Herrn, und in welchem Bereich ist sie wirksam im Hinblick auf das Werk der Erlösung? Da Maria als wahre Mutter der Erlösten gewirkt hat, erstreckt sich ihre Wirksamkeit traditionell auf Bereiche die eng zusammenhängen: Die „Wirksamkeit der Zustimmung bei der Empfängnis Christi“ , die „Mitwirkung Marias bei der Erlösungstat“ sowie „beim Erlösungsopfer“ .

Maria ist auch die Unbefleckte Empfängnis: „Vor jeder Makel der Erbsünde wurde die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch die einzigartige Gnade und Bevorzugung des allmächtigen Gottes bewahrt, im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erlösers des Menschengeschlechtes.“ So hat die Gnade der Gotteskindschaft von Anfang an Marias Existenz bestimmt. Sie wirkt weiterhin in ihr und hält sie von jeglicher Sünde fern. Und diese „Unbefleckte Gottesmutter und immerwährende Jungfrau Maria wurde nach Vollendung ihres irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen“ .

Jesus, der Sohn Gottes und Christus heißt, der Messias, der Erlöser der Welt, starb am Kreuz für uns Menschen und wollte seine Mutter an diesem Werk der Erlösung beteiligen. Aber nicht nur Maria wollte Jesus Christus zur Miterlöserin machen, sondern auch jeden von uns: Wir sind berufen mitzuerlösen. Paulus sagt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ (Gal 2,19)

Das trifft in vollem Sinne auf die jungfräuliche Mutter des Herrn zu: Das unbefleckte Herz Marias, erfüllt vom Heiligen Geist, denkt mit unermesslicher Liebe an uns und will uns mit ihrem Sohn für immer vereinigen. Sie spürte am Fuß des Kreuzes die Leiden unseres gekreuzigten Erlösers, der sein Leben hingab für unsere Sünden (vgl. Mt 20,28), und, weil sie voll der Gnade war (Lk 1,28), d. h. voll des Heiligen Geistes, empfand sie die Erlösung der Menschen als notwendig. Das müssen wir auch fühlen, wenn wir miterlösen wollen: Liebe und Schmerz, weil die Menschen nicht an Gott, ihren Schöpfer und Erlöser, denken.

Am 14. September feiert die Kirche das Fest Kreuzerhöhung. Das Kreuz wird besonders anschaulich erfahrbar, wenn der Christ das Heilige Kreuz verehrt und bereit ist, „das Kreuz jeden Tages, verborgen, ohne Glanz und Trost“ zu tragen. Dann ist er selbst der Gekreuzigte, auf den Christus wartet . „Maria, Meisterin des verborgenen und schweigenden Opfers … Ihr werdet sie nicht beim Einzug in Jerusalem finden, noch – mit Ausnahme von Kana – zur Stunde der großen Wunder. Aber sie flieht nicht vor der Verachtung auf Golgotha“ .

So kann Miterlösung geschehen: mit der Erfüllung der alltäglichen Pflichten in der Familie, im Beruf, als vorbildliche Bürger; alles in verborgener Hingabe. Wenn man so handelt, trägt man das Kreuz mit Jesus.

Schauen wir wieder auf die Unbefleckte Empfängnis! Maria ist die vollkommenste Frau aller Zeiten: Gott hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut und nun wird sie von allen Geschlechtern gepriesen (vgl. Lk 1,48); sie verdiente mit der Hilfe der Gnade, die ihr gegeben wurde, einen solchen Grad an Reinheit und Heiligkeit, dass sie in angemessener Weise Mutter Gottes sein konnte .

Die Gnade ist nur wirksam, wenn wir es wollen. Die Werke, die wir tun, sind Folge der Gnade und unseres Willens, und ohne unser Mittun ist die Gnade in uns ‚machtlos‟. Wenn wir entsprechend der Gnade und den Eingebungen des Heiligen Geistes handeln, dann gewinnen wir neue Gnaden, dann beteiligen wir uns am Opfer Christi und bewirken die Miterlösung.

Am Beispiel Marias können wir dies sehen: Der Gruß des Engels wird wirksam, als sie das fiat spricht, „mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Dann verließ sie der Engel, denn er hatte seinen Auftrag erfüllt. Ähnliches geschah beim Gruß Elisabeths. Sie sprach prophetisch zu Maria: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen“, weil die Mutter des Herrn in ihrem Hause erschien und das Kind, das sie selbst in ihrem Schoß trug, seine Dankbarkeit gegenüber der Mutter des Herrn zeigt: Durch den Besuch Marias hat Johannes die Gnade der Gotteskindschaft empfangen, die Christus für uns am Kreuz verdient hat, weil Maria geglaubt hat (Lk 1,39-45).

(Aus: German Rovira. Die Auserwählung Marias. Eine Betrachtung,
in: Sedes Sapientiae. Mariologisches Jahrbuch, 14 (2010) Bd. 2)

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Nach der Heiligen Messe: Gebet zum Gekreuzigten

Gütiger Herr Jesus Christus, ich flehe Dich an:
Laß Dein Leiden mir Kraft sein, durch die ich gefestigt,
beschützt und verteidigt werde;
laß Deine Wunden als Speise und Trank für mich Sättigung,
Labung und Freude sein;
durch die Besprengung mit Deinem Blute
wasche all meine Sünden ab;
Dein Tod sei mir unversiegliches Leben,
Dein Kreuz ewige Glorie: All dies
sei Erquickung, Wonne, Heil und
Süßigkeit für mein Herz:
der Du lebst und herrschest
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Obsecro te, dulcissime Domine Jesu Christe, ut passio tua sit mihi virtus, qua muniar, protegar atque defendar; vulnera tua sint mihi cibus potusque, quibus pascar, inebrier atque delecter; aspersio Sanguinis tui sit mihi ablutio omnium delictorum meorum; mors tua sit mihi vita indeficiens, crux tua sit mihi gloria sempiterna. In his sit mihi refectio, exsultatio, sanitas et dulcedo cordis mei: Qui vivis et regnas in sæcula sæculorum. Amen.

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