[…] Ich aber weiß, an diesem Punkte meiner Geschichte angelangt, nicht, wie mir zu Mute ist. Ich möchte einerseits die an ihm verübten Frevel und Ungerechtigkeiten offen erzählen, andererseits aber habe ich ehrerbietige Scheu vor der sonstigen Tugendhaftigkeit derer, die ihm das Unrecht zugefügt haben. Deshalb will ich versuchen, selbst Ihre Namen geheim zu halten. Dieselben hatten verschiedene Gründe, ihm feind zu sein, und wollten den hellen Glanz der Tugend dieses Mannes nicht ansehen. Sie fanden einige elende Ankläger, und obschon sie die Verleumdung als solche klar durchschauten, setzten sie doch fern von der Stadt ein Gericht ein und fällten das Urteil. Der Kaiser aber, der ihnen als Priestern Glauben schenkte, verfügte, daß jener weit weg von der Stadt seinen Aufenthalt nehmen solle. So wurde derselbe, ohne die Anklage gehört und ohne sich verteidigt zu haben, gleich als wäre er der Punkte, deren man ihn beschuldigte, überführt, gezwungen, die Stadt zu verlassen. Er begab sich nach dem am Eingang zum Pontus gelegenen Hieron. So heißt nämlich der dortige Ankerplatz. Da aber während der Nacht ein sehr heftiges Erdbeben entstand, das die Kaiserin in gewaltigen Schrecken versetzte, so sandte man gegen Morgen Boten an den Vertriebenen mit der Bitte, schleunigst in die Stadt zurückzukehren und die Gefahr von ihr abzuwenden. Nach diesen Boten wurden noch andere geschickt und nach diesen wieder andere, so daß schließlich der Bosporus mit Abgesandten ganz bedeckt war. Als das gläubige Volk dieses erfuhr, verstopfte es förmlich mit seinen Segelschiffen den Ausgang der Propontis; denn alle eilten ihm mit brennenden Wachsfackeln entgegen.
Für dieses Mal wurde also die engverbundene Schar seiner Feinde auseinandergesprengt. Aber nach wenigen Monaten fanden sie sich wieder zusammen und forderten Rechenschaft nicht in betreff der früheren falschen Anklagepunkte, sondern wegen des nach der Absetzung gehaltenen Gottesdienstes. Johannes entgegnete, er sei nicht ordnungsgemäß gerichtet worden, habe keine Anklage gehört, habe sich nicht verteidigen können, sei auch nicht in seiner Gegenwart verurteilt, sondern vom Kaiser verbannt und von ihm auch wieder zurückgerufen worden. Seine Feinde beriefen indessen eine neue Synode und verlangten nicht einmal ein geordnetes Rechtsverfahren, sondern redeten dem Kaiser ein, daß das Urteil gesetzmäßig und gerecht gewesen sei, und verbannten ihn nicht nur aus jener Stadt, sondern schickten ihn auch in ein kleines und einsames Städtchen Armeniens mit Namen Kukusus. Auch von dort vertrieben sie ihn wieder und verwiesen ihn nach Pityus, dem äußersten Punkt des Pontus und des römischen Reiches, in der Nähe der wildesten Barbaren. Doch der gütige Herr duldete nicht, daß der ruhmvolle Kämpfer und Sieger bis zu diesem Inselchen geschleppt werde. Denn als er nach Komana gekommen war, nahm er ihn auf in das ewig junge und schmerzlose Leben. Sein Leib aber, der so herrliche Kämpfe bestanden hatte, wurde neben dem Reliquienschrein des Martyrers Basiliscus beigesetzt, wie es der Martyrer im Traume befahl.
Wie viele Bischöfe nun um seinetwillen von ihren Kirchen vertrieben und selbst bis an die äußersten Grenzen des Erdkreises verbannt wurden, wie viele auch von denen, welche die aszetische Lebensweise sich erwählt hatten, dem gleichen Schicksale verfielen, das scheint mir überflüssig zu erzählen und die Darstellung zu sehr in die Länge zu ziehen. Überdies halte ich es für angezeigt, die widerlichen Vorgänge nur kurz zu behandeln und die Fehler der dabei tätigen Personen, da sie gleichen Glaubens mit uns sind, zuzudecken1. Die meisten von ihnen haben auch ihr Unrecht gebüßt und durch ihre Leiden den Übrigen eine nützliche Lehre gegeben.
Dieses Unrecht verabscheuten ganz besonders die Bischöfe Europas; sie trennten sich sogar von der Gemeinschaft der Urheber desselben, und sämtliche Illyrier schlossen sich ihnen an. Die meisten Bischöfe der morgenländischen Städte dagegen vermieden zwar die Teilnahme an dem Unrecht, spalteten aber nicht den Leib der Kirche. Selbst als der große Lehrer des Erdkreises gestorben war, stellten die Bischöfe des Abendlandes die Kirchengemeinschaft mit denen in Ägypten, im Morgenlande, im Bosporus und in Thrazien nicht eher wieder her, als bis diese den Namen jenes ehrwürdigen Mannes in die Liste der verstorbenen Bischöfe aufgenommen hatten. Und den Arsacius, der auf jenen folgte, würdigten sie nicht einmal einer Begrüßung; den Attikus aber, den Nachfolger des Arsacius, der oftmals Gesandte schickte und oftmals um Frieden bat, anerkannten sie erst später, als er den Namen des Heiligen in das Verzeichnis der Bischöfe eingetragen hatte. […]