[…] So ist es denn nötig, daß wir auch die Erkenntnis der leidenschaftlichen Gedanken verleihen, durch welche jegliche Sünde vollbracht wird. Acht sind alle Gedanken, welche die Schlechtigkeit umfassen:
jener der Völlerei,
jener der Unzucht,
jener der Geldgier,
jener des Zornes,
jener der Traurigkeit,
jener der Unlust,
jener der eitlen Ehrsucht und
jener des Hochmuts.
Ob uns diese acht Gedanken belästigen oder nicht belästigen, das steht nicht in unserer Macht.
Ob sie aber in uns verweilen oder nicht verweilen, Leidenschaften erregen oder nicht erregen, das steht in unserer Macht.
Eines ist die Einflüsterung und etwas anderes die Verbindung mit ihr; eines das Ringen und etwas anderes die Leidenschaft sowie auch die Zustimmung, welche sich der Ausführung nähert und angleicht. Und eines ist die Tat und etwas anderes die Gefangenschaft.
Einflüsterung nun ist die einfachhin vom Feind her geschehende Erinnerung, z. B.: „Tu das oder jenes“, wie bei unserem Herrn und Gott: „Sprich, daß diese Steine zu Brot werden.“ Dies steht, wie gesagt, nicht in unserer Gewalt. Verbindung aber ist die Annahme des vom Feind eingegebenen Gedankens und die gleichsam zusammen mit ihm erfolgende Erwägung und lustvolle Unterhaltung, welche von unserer freien Entscheidung ausgeht. Leidenschaft aber ist die aufgrund der Verbindung erfolgende Gewöhnung an die vom Feind eingegebene Leidenschaft und ihre gleichsam fortwährende Erwägung und Vorstellung.
Das Ringen hingegen ist der Widerstand des Gedankens — entweder, um die im Gedanken sich findende Leidenschaft, d. h. den leidenschaftlichen Gedanken, auszutilgen, oder um ihm zuzustimmen. So spricht auch der Apostel: „Das Fleisch nämlich begehrt wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch; sie stehen einander feindlich gegenüber.“ Gefangenschaft aber ist die gewaltsame und unfreiwillige Fortführung des Herzens, wenn es von subjektiver Einstellung und langer Gewohnheit gewaltsam beherrscht wird. Zustimmung hingegen ist das Herabneigen zu der Leidenschaft des Gedankens. Tat hingegen ist die unmittelbare Ausführung des leidenschaftlichen Gedankens, dem man zugestimmt hat.
(Johannes von Damaskus, Abhandlung, 10)
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