Dies sagte in einem Interview mit der Tageszeitung La Verità Rod Dreher, der Autor des Buches „Option Benedikt“. In diesem Buch erzählt Dreher die Geschichten konservativer Christen (Katholiken, Orthodoxe und Evangelikale), „die kreative Wege erkunden, den Glauben in diesen dunkler werdenden Zeiten freudig und gegenkulturell auszuleben“.
Im Interview behauptet Dreher, die Botschaft des verstorbenen Papstes Benedikts XVI. sei aktueller denn je.
„Er wollte die Fülle der katholischen Tradition
gegen die Modernisierer bewahren,
die alles ändern wollen, um sich dem Zeitgeist anzupassen.“
Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. sei „ein brillanter Theologe“ gewesen, so Dreher, der seine Bücher so verständlich geschrieben habe, dass sie allen Christen zugänglich seien. Diese große Begabung wirke über seinen Tod hinaus, da seine Texte auch in der Zukunft all denen zugänglich sein würden, die sie lesen wollen.
Das Urteil über Ratzinger, er sei ein Konservativer gewesen, stimme insofern, betonte Dreher, als er „ein Konservativer im eigentlichen Sinn des Wortes war“.
„Er wollte die Fülle der katholischen Tradition gegen die Modernisierer bewahren, die alles ändern wollen, um sich dem Zeitgeist anzupassen.“
Nach Dreher sei es aber irreführend, diese Begriffe zu verwenden, um Ratzinger zu beschreiben. Er selbst habe einmal erklärt, ein „Progressist“ zu sein, weil er Konzilsperitus war:
„Nicht deshalb, weil er ein Linkstheologe war, wie es ein Hans Küng und die ihm nachfolgenden Gegner waren, sondern weil er wollte, daß sich die Kirche von der Strenge der Neuscholastik befreit und zu einer mehr augustinischen Erfahrung von Christus zurückkehrt. Mit anderen Worten, er betrachtete es als progressiv, den Status quo abzuschütteln und zu einer intensiveren und radikaleren Art als Kirche den Herrn kennenzulernen und ihm zu dienen. Er war wirklich ein Mann des Konzils, ungeachtet dessen, was seine Feinde sagten. Aber es ist auch wahr, daß er sich nicht vorstellen konnte, daß die Rezeption des Konzils so katastrophal ausfallen würde.“
Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. habe erkannt, so Dreher, „daß die Vernunft ohne Glauben unweigerlich fürchterlich wird, wie wir heute überall auf dieser postchristlichen Welt sehen können“.
„Ratzinger zeigt dem konservativen Denker, auch dem laizistischen, daß Glauben und Vernunft keine Feinde sind, wie die Modernisten behaupten, sondern in Wirklichkeit Geschwister, die zusammenarbeiten müssen, um eine menschliche Welt aufzubauen.“
Auf die Frage, ob es Denker und Bewegungen gibt, die Ratzingers Denken vorantragen können, gibt sich Dreher zurückhaltend:
„Es gibt heute viele Konservative in der katholischen Kirche. Nach der beleidigenden Predigt von Franziskus beim Begräbnis von Benedikt habe ich einem italienischen Freund eine Nachricht geschrieben, in der ich ihm sagte, daß ich ein ungutes Gefühl habe, was die Zukunft der rechtgläubigen katholischen Gläubigen betrifft, nun, da Benedikt nicht mehr ist.“
Der Freund habe geantwortet, daß er diesbezüglich unbesorgt sei, wie die große Zahl der auf dem Petersplatz Anwesenden gezeigt habe. Allerdings, so Dreher, könne er im Moment niemand vom Format Benedikts erkennen, der seine Position einnehmen könnte.
„In gewisser Hinsicht ist es klar, daß es niemand gibt, der seinen Platz einnehmen könnte: Er war der letzte christliche Humanist, der letzte, der wirklich und leidenschaftlich an die Rolle der mit dem christlichen Glauben integrierten Vernunft glaubte und die Hochkultur verkörperte und verteidigte. Der Tod von Papst Benedikt XVI. symbolisiert den Untergang des christlichen Abendlandes. Die Zukunft steht nicht fest, wir können immer zu Christus zurückkehren. Es bräuchte aber ein Wunder, denn der christliche Westen hat eine Todessehnsucht.
In gewisser Hinsicht führte Benedikt ein tragisches Leben: Er hat für das Konzil gearbeitet, um die Kirche zu erneuern und Christus anzunähern, aber gelebt, um mitansehen zu müssen, wie eben dieses Konzil dazu gebraucht wurde, um die Kirche schwer zu schädigen. Er wurde Papst, aber seine persönliche Heiligkeit und intellektuelle Genialität haben ihm nicht geholfen, die Kirche vom Schmutz zu reinigen. Die Arbeit, die er als Glaubenspräfekt von Johannes Paul II. und dann als Papst geleistet hat, um den wahren Glauben und die katholische Tradition zu verkünden und zu lehren, hat nur solange überdauert, um mitansehen zu müssen, wie dann sein Nachfolger Papst Franziskus alles grausam zerstört. Das alles ist seine Tragödie.
Wenn sich aber die Dinge, vor denen uns Benedikt gewarnt hat und vor denen er uns durch seine besondere Verkündigung des Evangeliums und des Glaubens bewahren wollte, wirklich bewahrheiten sollten – und ich denke, daß es so sein wird –, dann wird es unsere Tragödie sein.“
Dreher betont, dass in den USA heute Seminaristen und jungen Priestern nicht sagen würden, sie seien sie seien Priester von Johannes Paul II., und schon gar nicht von Franziskus.
„Sie sagen mir, daß die Söhne Benedikts XVI. sind, angeregt von der Kraft und der Schönheit seiner Unterweisung.
Wenn die Kirche in den USA in den nächsten 50 Jahren in ihrem Priestertum überleben wird, dann wird das ein Geschenk Wojtylas und Ratzingers sein.“
Die Frage nach den Folgen von Benedikts Tod beantwortete Dreher mit den Worten:
„Vielleicht bin ich einfach nur abergläubisch, aber ich habe den Eindruck, daß Benedikt XVI. auf irgendeine mystische Weise ein „Katechon“ war, eine Kraft, die Bergoglio vom Schlimmsten zurückhielt. Bevor ich zur Totenmesse für Benedikt ging, dachte ich, daß ich in diesem Punkt vielleicht zu pessimistisch sei. Als ich dann aber die grausame und respektlose Predigt von Franziskus hörte, wußte ich, es nicht zu sein. Bergoglio verachtet wirklich alles, was Benedikt repräsentiert hat. Nun befürchte ich, daß Bergoglio noch freier darin ist, Schaden anzurichten. Ich verstehe nun auch besser, warum Benedikt sagte, daß der Glauben nur in kleinen Gemeinschaften von wirklichen und einfachen Gläubigen überleben wird. Jetzt ist nicht der Augenblick zu verzweifeln oder vor der Angst zu kapitulieren, sondern stark zu sein und beharrlich und den Glauben auf provokante Weise zu leben. Wir erleben die Zeit der Option Benedikt XVI.“
Originalinterview in Laverita
Deutsche Quelle: Katholisches
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