Wenn du sündigst, erinnere dich, was Jesus gesagt hatte

Petrus verleugnete den Herrn,
und er erinnerte sich an das, was Jesus gesagt hatte,
– da begann er bitterlich zu weinen (Mt 26,75).

Wer sündigt, ehe er Gott kennt, ehe er seine Erbarmungen erfahren, ehe er das sanfte Joch und die leichte Bürde getragen (Mt 11,30), ehe er die Gnade der Andacht und die Tröstung des Heiligen Geistes empfangen hat: der, sage ich, findet reiche Erlösung.

Von dieser Art sind wir alle gewesen.

Aber jene, die nach ihrer Bekehrung abermals in Sünden und Laster sich verstricken, undankbar für die empfangene Gnade; die, nachdem sie ihre Hand an den Pflug gelegt haben, lau und fleischlich geworden, zurückblicken (Lk 9,62); oder die gar, nachdem sie einmal den Weg der Wahrheit erkannt haben, als offenkundige Abtrünnige zurückweichen:

Du dürftest gewiss recht wenige darunter treffen, die nachher wieder auf ihre frühere Stufe zurückkehren; sie sinken vielmehr, einmal im Schmutz steckend, immer tiefer in Schmutz.

Darüber klagt der Prophet: „Weh, wie glanzlos ist das Gold, gedunkelt das köstliche Feingold!“ und: „Die einst auf Purpur lagen, betten sich jetzt auf Mist“ (Klgl 4,1.5).

Dennoch wollen wir an einem solchen Menschen nicht verzweifeln,
wenn er nur willens ist, sich rasch wieder zu erheben.

Je länger er in seinen Sünden verharrt,
desto schwerer kommt er heraus.

Doch Heil dem, der die Kinder Babylons [die Versuchung] ergreift und an den Felsen [Christus] schleudert (Ps 137,9)! Denn sind sie einmal groß geworden, wird man ihrer kaum mehr Herr. „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, den Gerechten“ (1 Joh 2,1), der vermag, was uns unmöglich ist. Nur darf, wer gefallen ist, das Übel nicht vermehren, um nicht noch tiefer zu fallen. Er stehe vielmehr auf und vertraue, dass auch ihm die Verzeihung nicht versagt werde, wenn er nur von Herzen seine Sünden bekennt. So ist nämlich Petrus, von dem wir sprechen, nach einem so schweren Fall zu solcher Höhe der Heiligkeit gelangt: „Er ging hinaus und weinte bitterlich“ (Mt 26,75). Unter dem Hinausgehen verstehe das Bekenntnis des Mundes, unter dem bitteren Weinen die Zerknirschung des Herzens!

Achte auch darauf, wie er sich des Wortes, das Jesus zu ihm gesprochen hat, erinnerte: erst dann nahm er sich das Wort, das ihm seine Schwachheit vorausgesagt hat, zu Herzen, als ihm die angemaßte Kühnheit geschwunden war. Wehe dir, wenn du nach dem Fall noch mehr den Helden spielen willst! Warum bestehst du so starr und steif auf deinem Verderben? Beuge dich doch lieber, damit du leichter aufgerichtet werdest! Hindere nicht, daß das Verschrobene gebrochen werde, damit es besser gefestigt werden könne. –

Was entrüstest du dich, wenn dich der Hahn schilt?
Sei lieber über dich selbst unwillig.

„Gnadenvolle spendest du Regen, o Gott“ sagt der Psalmist, „du hast deinem Erbe Stärke bewahrt, als es schwach geworden“ (Ps 68,10)! Gesegnete Schwäche, die das Erbe befällt, wenn es den Arzt nicht zurückweist! Die Verhärteten aber wird er wie Töpfergeschirr mit eiserner Rute zerschlagen (Ps 2,9). Doch dein Erbe, sagt der Psalmist, war schwach geworden und du hast es wieder gestärkt.

„Als aber die Sünde sich häufte,
ward die Gnade überreichlich“ (Röm 5,20).

Nach den Worten des hl. Bernhard von Clairvaux
(In sollemnitate Apostolorum Petri et Pauli, s. III,3)

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Wenn du sündigst, erinnere dich, was Jesus gesagt hatte

Petrus verleugnete den Herrn,
und er erinnerte sich an das, was Jesus gesagt hatte,
– da begann er bitterlich zu weinen (Mt 26,75).

Wer sündigt, ehe er Gott kennt, ehe er seine Erbarmungen erfahren, ehe er das sanfte Joch und die leichte Bürde getragen (Mt 11,30), ehe er die Gnade der Andacht und die Tröstung des Heiligen Geistes empfangen hat: der, sage ich, findet reiche Erlösung.

Von dieser Art sind wir alle gewesen.

Aber jene, die nach ihrer Bekehrung abermals in Sünden und Laster sich verstricken, undankbar für die empfangene Gnade; die, nachdem sie ihre Hand an den Pflug gelegt haben, lau und fleischlich geworden, zurückblicken (Lk 9,62); oder die gar, nachdem sie einmal den Weg der Wahrheit erkannt haben, als offenkundige Abtrünnige zurückweichen:

Du dürftest gewiss recht wenige darunter treffen, die nachher wieder auf ihre frühere Stufe zurückkehren; sie sinken vielmehr, einmal im Schmutz steckend, immer tiefer in Schmutz.

Darüber klagt der Prophet: „Weh, wie glanzlos ist das Gold, gedunkelt das köstliche Feingold!“ und: „Die einst auf Purpur lagen, betten sich jetzt auf Mist“ (Klgl 4,1.5).

Dennoch wollen wir an einem solchen Menschen nicht verzweifeln,
wenn er nur willens ist, sich rasch wieder zu erheben.

Je länger er in seinen Sünden verharrt,
desto schwerer kommt er heraus.

Doch Heil dem, der die Kinder Babylons [die Versuchung] ergreift und an den Felsen [Christus] schleudert (Ps 137,9)! Denn sind sie einmal groß geworden, wird man ihrer kaum mehr Herr. „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, den Gerechten“ (1 Joh 2,1), der vermag, was uns unmöglich ist. Nur darf, wer gefallen ist, das Übel nicht vermehren, um nicht noch tiefer zu fallen. Er stehe vielmehr auf und vertraue, dass auch ihm die Verzeihung nicht versagt werde, wenn er nur von Herzen seine Sünden bekennt. So ist nämlich Petrus, von dem wir sprechen, nach einem so schweren Fall zu solcher Höhe der Heiligkeit gelangt: „Er ging hinaus und weinte bitterlich“ (Mt 26,75). Unter dem Hinausgehen verstehe das Bekenntnis des Mundes, unter dem bitteren Weinen die Zerknirschung des Herzens!

Achte auch darauf, wie er sich des Wortes, das Jesus zu ihm gesprochen hat, erinnerte: erst dann nahm er sich das Wort, das ihm seine Schwachheit vorausgesagt hat, zu Herzen, als ihm die angemaßte Kühnheit geschwunden war. Wehe dir, wenn du nach dem Fall noch mehr den Helden spielen willst! Warum bestehst du so starr und steif auf deinem Verderben? Beuge dich doch lieber, damit du leichter aufgerichtet werdest! Hindere nicht, daß das Verschrobene gebrochen werde, damit es besser gefestigt werden könne. –

Was entrüstest du dich, wenn dich der Hahn schilt?
Sei lieber über dich selbst unwillig.

„Gnadenvolle spendest du Regen, o Gott“ sagt der Psalmist, „du hast deinem Erbe Stärke bewahrt, als es schwach geworden“ (Ps 68,10)! Gesegnete Schwäche, die das Erbe befällt, wenn es den Arzt nicht zurückweist! Die Verhärteten aber wird er wie Töpfergeschirr mit eiserner Rute zerschlagen (Ps 2,9). Doch dein Erbe, sagt der Psalmist, war schwach geworden und du hast es wieder gestärkt.

„Als aber die Sünde sich häufte,
ward die Gnade überreichlich“ (Röm 5,20).

Nach den Worten des hl. Bernhard von Clairvaux
(In sollemnitate Apostolorum Petri et Pauli, s. III,3)

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Pater Gerhard Winkler +

Der große Kenner des heiligen Bernhard von Clairvaux, DDr. Pater Gerhard Bernhard Winkler OCist, u. a. emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Universität Salzburg, ist 22. September 2021 vom Herrn über Leben und Tod in seinem 91. Lebensjahr in die ewige Heimat abberufen worden.

Requiescat in pace!

Zisterzienser von Wilhering und wird als solcher am Montag, 27. September, um 14 Uhr nach dem Requiem in der Stiftskirche, auf dem Klosterfriedhof beerdigt.

Pater Gerhard Winkler hat vor zwanzig Jahren eine Gesamtausgabe der Werke des hl.
Bernhard von Clairvaux im Verlag Tyrolia vorgelegt.

Band I: Traktate
Band II: Traktate und Briefe 1-180
Band III: Briefe 181-551
Band IV: Sentenzen und Parabeln = vergriffen!
Band V: Predigten über das Hohelied 1-38
Band VI: Predigten über das Hohelied 39-86
Band VII: Predigten zum Kirchenjahr und über den Psalm „Qui habitat“
Band VIII: Predigten zum Kirchenjahr
Band IX: Predigten
Band X: Register

Zuflucht

Brüder! Suchen wir doch Zuflucht bei Jesus!
Er ist eine feste Burg, wo wir keinen Feind zu fürchten
haben! Ja, könnten wir nur schon für immer dort wohnen!
Doch das kann vorerst noch nicht sein. Was uns aber jetzt
Vorübergehend Zuflucht bietet, das wird einst unsere
Dauernde Wohnung sein, unser ewiges Daheim!
In jeder Versuchung, Bedrängnis und Not steht
diese Zuflucht uns bereit.
Der Mutter Arme sind weit ausgebreitet, die
Felsenklüfte nehmen uns auf, das
erbarmungsvolle Herz
unseres Erlösers steht uns offen!

Bernhard von Clairvaux

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Hl. Bernhard von Clairvaux – 20. August

„Der heilige Bernhard von Clairvaux […] gehört sicher zu den größten religiösen Gestalten des Mittelalters. Er wurde um 1090 in Fontaines in Burgund geboren, besuchte die Schule der Stiftsherren von Saint-Vorles und trat mit etwa 20 Jahren mit einer Reihe von Gefährten in das Reformkloster Cîteaux ein. Bereits im Jahr 1115 erhielt Bernhard den Auftrag, ein Tochterkloster in Clairvaux zu errichten. Er wurde der erste Abt dieser Niederlassung und gründete von dort aus weitere 68 Klöster. Bernhard war ein begnadeter Prediger und Schriftsteller. Seine Werke zeichnet eine hohe literarische Qualität aus. Die Tradition hat ihn als Doctor mellifluus bezeichnet, als Lehrer, dessen Rede süß wie Honig fließt. Dies bezieht sich nicht nur auf seine sprachliche Begabung, sondern vor allem auf den Inhalt seiner Werke: sie sind ganz auf Gott ausgerichtet. Die wahre Gotteserkenntnis besteht für Bernhard nicht in einer denkerischen Leistung, sondern in der persönlichen Erfahrung der Liebe Christi. Und das Geschöpf vermag mit seiner persönlichen kleinen Liebe dem Schöpfer zu antworten. Sie ist geringer als die göttliche Liebe, und doch ist sie vollkommen, wenn sie ganz geschenkt wird. Maria hat diese Liebe in beispielhafter Weise zum Ausdruck gebracht. Bernhard hat keinen Zweifel daran, daß wir durch Maria zu Jesus geführt werden. Von ihr können wir lernen, Jesus nahe zu sein, und wir dürfen sie bitten, uns auf dem Weg mit Christus zu begleiten.“ (Papst Benedikt XVI. 2009)

Es entspricht Bernhards innerstem Wesen, wenn Jesus selbst sich ihm in liebevoller Umarmung vom Kreuz herab zuneigt.

Bernhard von Clairvaux, Christusminne. Oberschönenfeld.

„In seinem geliebten Sohn hat Gott dich schon vor der Grundlegung der Welt gesucht und geliebt. Der vor dir ist, hat dich mit seiner Güte zuerst gesucht und geliebt. Du würdest ihn weder suchen noch lieben, wenn du nicht schon zuvor gesucht und geliebt worden wärest. Einzig der liebevollen Zuneigung erschließt sich das, nicht dem Verstand; du erfährst es, wenn dein Wille sich von ihm umarmen lässt und du in der Gleichförmigkeit der Liebe mit ihm übereinstimmst.“ (hl. Bernhard)

Siehe auch hier.

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Der Unterschied zwischen einem bösen und einem guten Willen.

(nach dem heiligen Bernhard von Clairvaux)

Geschaffen für einen freien Willen, gehören wir in einem gewissen Maße uns selber, wir werden sozusagen Eigentum Gottes durch den guten Willen.

Nun aber macht der den Willen gut, der ihn als frei geschaffen hat.
Und er macht ihn dazu gut, daß wir die Erstlingsfrucht seiner Schöpfung seien. Denn es wäre für uns sicherlich vorteilhafter, überhaupt nicht gewesen zu sein, als immer uns selber zu gehören. Die sich nämlich selber gehören wollten wie Götter, die das Gute und das Böse wissen, gehören nicht allein sich selber, sondern dem Teufel.

Daher bewirkt der freie Wille, daß wir uns selber gehören,
der böse Wille, daß wir dem Teufel gehören,
der gute Wille, daß wir Gott gehören.

Darauf bezieht sich das Wort: „Der Herr kennt die Seinen.“ (2Tim 2,19) Denn diesen, die ihm nicht gehören, sagt er: „Amen, ich sage euch: ich kenne euch nicht.“ (Mt 25,12)

Solange wir also durch den bösen Willen dem Teufel gehören, gehören wir in dieser Zeit gewissermaßen nicht mehr Gott, so wie wir aufhören, noch dem Teufel zu gehören, wenn wir durch den guten Willen Gottes Eigentum werden. Denn „niemand kann zwei Herren dienen.“ (Mt 6,24)

Ob wir im übrigen entweder Gottes oder des Teufels sind, wir hören doch nicht zugleich auf, Herren unserer selbst zu sein. Denn es bleibt ja in beiden Fällen die Freiheit des Willens, so daß dadurch auch der Grund des Verdienstes bleibt.

Deswegen werden wir entweder mit Recht als böse bestraft, denn böse werden wir als Freie, auf Grund des eigenen Willens.
Oder wir werden als Gute verherrlicht, weil wir (solche) in gleicher Weise nur mit unserem freien Willen sein können.

Gewiß macht uns unser Wille dem Teufel zu eigen, nicht seine Macht.
Gottes Gnade aber unterwirft uns Gott, nicht unser Wille.

Denn unser Wille ist gut, was wir zugeben müssen, da er vom guten Gott geschaffen ist; vollkommen aber wird er nicht sein, ehe er seinem Schöpfer vollkommen unterworfen ist.

Damit dürfen wir aber nicht uns selbst unsere eigene Vollkommenheit zuschreiben und Gott nur die Schöpfung, da es wahrlich weitaus besser ist, vollkommen zu sein, als geschaffen zu sein.

Gott zuzuschreiben, was geringer ist, uns aber, was hervorragender ist, scheint durch das Wort allein schon ein Frevel zu sein. Der Apostel verstand, was er von Natur ist und was er von der Gnade erwarten dürfe.
Darum sagte er:

„Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag (das Gute) nicht zu verwirklichen.“ (Röm 7,18)

Er wußte gewiß, daß er das Wollen besitzt auf Grund des freien Willens, aber daß er die Gnade notwendig habe, um das Wollen selbst in Vollkommenheit zu besitzen.

Wenn nämlich der böse Wille ein gewisser Mangel des Willens ist, dann wird gewiß der gute Wille ein Fortschritt desselben sein, seine Vollkommenheit wird aber darin bestehen, alles Gute, das wir wollen, verwirklichen zu können.

(Bernhard von Clairvaux. Sämtliche Werke Bd.1.
Über die Gnade und den freien Willen. 201f)

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Robertus – Albericus – Stephanus

Am 26. Januar begehen die verschiedenen Zweige aller Zisterzienser ihr großes Ordensfest. Sie feiern die Gründeräbte:

Robert von Molesme
* um 1027 in der Champagne
† 1111 in Molesme

Alberich von Cîteaux
* um 1050 in Frankreich
† 26. Januar 1109 in Cîteaux

Stephan Harding
* 1059 in Merriott, Somerset, England
† 28. März 1134 in Cîteaux

Diese drei und weitere achtzehn Mönche aus Molesme wollten ganz treu nach der Regel des heiligen Benedikt leben. Die Lebensweise der Mönche von Cîteaux wollte sich unterscheiden von der des damals üblichen benediktinischen Lebensstiles, der geprägt war durch die Abtei Cluny in Burgund, nicht weit von Citeaux. Es entstand aus dieser Reform innerhalb des benediktinischen Mönchtums ein neuer Orden: die Zisterzienser.

Hll. Zisterziensergründer: Robertus – Albericus – Stephanus

Freilich wird oft auch weithin auch Bernhard von Clairvaux als Mitbegründer des Zisterzienserordens genannt. Aber er war kein Ordensgründer, er war Ordensreformator und Motor dieser neuen geistlichen Bewegung. Bernhard trat 1113 zusammen mit 30 weiteren Gefährten, die meisten waren mit ihm verwandt, als Novize in Citeaux ein. Durch den Einfluss seiner starken Persönlichkeit begann ein enormer Aufschwung im neuen Orden. Sehrschnell wurden die ersten Tochterklöster gegründet werden: 1113 La Ferté, 1114 Pontigny, 1115 Morimond.

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Wie Gott unsere Armseligkeiten zu unserem Heile gedeihen lässt

In diesem Zustand soll also jede Seele die Stimme Gottes hören, sie soll hören voll Staunen und Bewunderung, denn Gott spricht: „Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich“ (Mt 5,3).
Wer ist im Geiste ärmer als der, der in seinem Geiste keine Ruhe findet, der kein Plätzchen entdeckt, wohin er sein Haupt lege?
Dies ist auch der Ratschluß der Erbarmung:
Wer sich selbst mißfällt, gefällt Gott; und wer sein eigenes Haus haßt, dieses Haus voll Schmutz und Unheil, wird in das Haus der Herrlichkeit eingeladen, in das Haus, das nicht von Menschenhänden gebaut ist, sondern im Himmel ewig währt.
Kein Wunder, wenn die Seele über diese große Huld erschrickt, wenn sie dieser Stimme nur schwer glaubt, wenn sie über die Maßen erstaunt und verwundert spricht:
Kann denn das Elend den Menschen selig machen?
Doch wer du auch sein magst, du darfst nicht mißtrauen.
Nicht die Armseligkeit macht den Menschen selig, sondern die Barmherzigkeit. Aber die eigentliche Heimat der Barmherzigkeit ist die Armseligkeit. Oder die Armseligkeit macht dich wenigstens insofern selig, als die Verdemütigung in Demut, die Not in Tugend übergeht. Es heißt ja:
Einen gnadenvollen Regen hast du, o Gott, deinem Erbe abgesondert. Es war ermattet, du aber hast es gestärkt“ (Ps 67,10). Gewiß ist die Krankheit nützlich, die nach der Hand des Arztes verlangt. Und heilsam macht sich los, den Gott vollendet.
Nun gibt es aber keinen Weg zum Reiche Gottes ohne die Erstlinge dieses Reiches, und niemand kann auf das himmlische Reich hoffen, dem es nicht gegeben wird, über seine eigenen Glieder noch Herr zu werden.
Daher spricht die Stimme weiter: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen“ (Mt 5,4). Das soll wohl, deutlicher ausgedrückt, heißen: Mildere die wilden Wallungen des Willens und suche die grausame Bestie zu zähmen. Du bist gefesselt; suche die Bande, die du nicht zerreißen kannst, zu lösen. Nur Gewalt gebrauchen oder immer gegen sie anrennen, läßt dich auf keinen Fall Herr werden.

(Hl. Bernhard von Clairvaux)

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Die Gnade trauter Freundschaft der Seele mit Gott

Welches Vertrauen mag wohl aus solcher Freundschaft erwachsen? –

Meiner Ansicht nach darf eine solche Seele nunmehr ungescheut sprechen:
Mein Geliebter mir!“ (HI 2,16).
Sie fühlt, daß sie liebt, und daß sie heiß liebt, und bezweifelt nicht, daß auch sie heiß geliebt wird. Und an der besonderen Aufmerksamkeit, Ängstlichkeit, Sorgfalt, Mühe, Genauigkeit und Hingebung, womit sie unaufhörlich und liebevoll darüber wacht, wie sie Gott gefallen könne, erkennt sie mit Bestimmtheit ein Gleiches auch an ihm, eingedenk seiner Verheißung:
Mit dem Maße, womit ihr meßt, wird euch zugemessen werden“ (Mt 7,2).
Nur daß die kluge Braut sich sorgsam davor hütet, Gottes gnadenreiche Gegenleistung als eigenes Verdienst anzusehen; weiß doch die Braut, daß ihr vielmehr der Geliebte zuvorgekommen ist. Daher stellt sie seine Tätigkeit voraus.
Mein Geliebter mir und ich ihm!
Also erkennt sie in ihren Vorzügen lediglich Gottes Vorzüge an und zweifelt nicht, daß sie bereits geliebt wird, wenn sie liebt. Ja, so ist es. Die Liebe Gottes gebiert die Liebe in der Seele. Daß er zuerst sein Sinnen auf die Seele richtet, macht sie nach ihm sinnen; daß er zuerst sich um sie kümmert, läßt sie um ihn sich kümmern. Dazu stimmt denn auch, daß die Seele, wenn sie einmal die Herrlichkeit des Herrn mit unverhülltem Auge schauen darf — ich weiß nicht welcher Naturverwandtschaft zufolge — sich ihm alsbald gleichgestalten, sich in sein Ebenbild umgestalten muß (2 Kor 3,18).
Wenn du dich also für Gott bereitest, so muß auch Gott sich dir zeigen.
Dem Heiligen zeigt er sich heilig, den Unschuldigen unschuldig“ (Ps 17,26).
Sollte Gott nicht ebenso dem Liebenden lieb, gegenüber dem Zugetanen zugetan, gegenüber dem Aufmerksamen aufmerksam und gegenüber dem Besorgten besorgt sein?

Zu guter Letzt noch dieses Wort:
Ich liebe die, die mich lieben; und die früh aufstehen, mich zu suchen, werden mich finden“ (Spr 8,17).
Du siehst, wie der Herr dich nicht nur seiner Liebe versichert, wenn du ihn liebst, sondern auch seiner Sorge um dich, wenn du um ihn dich sorgst.
Wachst du, so wacht auch er.
Steh auf in der Nacht zu Beginn deiner Metten; beeile dich noch so sehr, selbst den Metten zuvorzukommen — ihm wirst du nicht zuvorkommen, ihn wirst du bereits vorfinden. Keckheit wäre es, wolltest du dir bei diesem Messen einen Vorsprung oder ein Übergewicht zuschreiben. Gott liebt mehr und früher. Wenn die Seele dies weiß, oder vielmehr, weil sie dies weiß, darf es dich nicht wundern, daß sie sich rühmt, Gottes Majestät habe sich aller anderen Sorgen begeben und sinne nur mehr ihr nach; hat doch auch sie sich aller Sorgen entschlagen und sich in restloser Hingabe ihm geweiht.

(Hl. Bernhard von Clairvaux)

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