Zu den härtesten Bußübungen, um den Leib der Seele zu unterwerfen, zählt ohne Zweifel das Nacht-wachen.
Es braucht eine kräftige Gesundheit und kluge Einschätzung der eigenen Kräfte. Wenn diese Übung die Standespflichten angreift, ist sie zu meiden.
Doch gehört das Nacht-wachen zum christlichen Leben. Die Osternacht, der Höhepunkt des liturgischen Jahres, ist ja eine Nachtwache. Das Nachtwachen wird auch in Sühnenächten und in der „Ewigen Anbetung“ geübt.
Das Nacht-wachen ist schon im Alten und im Neuen Testament von Gottes Wort empfohlen.
Beim Propheten Isaias (26,9) heißt es:
„Meine Seele sehnt sich nach Dir in der Nacht; ja auch mit meinem Geiste wache ich in meinem Innern am frühen Morgen zu Dir.“
Der Psalmist (133,2) mahnt:
„Erhebet des Nachts eure Hände zum Heiligtum und preiset den Herrn!“
Du brauchst nicht etwa zu denken, der Psalmist rede vom abendlichen Gebet: er sagt anderswo ausdrücklich (118,62):
„Ich stehe um Mitternacht auf, um Dich zu preisen Deiner gerechten Gebote wegen.“
Das ist in der Heiligen Schrift deswegen niedergeschrieben worden, damit wir, die Nachfolger der heiligen Schriftsteller, durch diese Mahnungen und Beispiele aufgemuntert werden, auch das nächtliche Gebet fleißig zu üben.
Lukas berichtet vom Herrn:
„Die ganze Nacht verbrachte er im Gebet mit Gott.“
Das tat er nicht für sich, sondern für uns, damit wir sehen, was wir zu tun haben. Zur Zeit seines Leidens macht er dem Petrus einen Vorwurf (Matth. 26,40f):
„So konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?“
Die übrigen Apostel aber mahnte er:
„Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet!“
So unterrichtet und gelehrt, haben die Apostel ebenfalls gewacht und diese Übung andern empfohlen. Petrus wurde in der Nacht im Gefängnis von einem Engel geweckt, der ihm das eiserne Tor öffnete, und dann kam er in das Haus, wo eine Menge von Christen versammelt war, nicht um zu schlafen, sondern um zu beten. In seinem ersten Brief (5,8) mahnt der Apostelfürst:
„Seid nüchtern und wachsam!“
Der hl. Paulus (1Kor 16,13) schreibt:
„Seid wachsam, steht fest im Glauben!“
Kurz, er mahnt, in der Nacht zu wachen und zu beten. Die Mönchsorden haben in ihren Regeln das (mitter-)nächtliche Gebet vorgeschrieben.
„Durch das Nachtwachen wird das Fleisch abgetötet, werden die Laster niedergerungen, wird die Keuschheit befestigt. Gut ist zwar auch die Betrachtung bei Tag, und gut das Gebet, aber sehr wirksam ist die nächtliche Betrachtung. Während des Tages kommen die verschiedenen Bedürfnisse, zerstreuen die Geschäfte den Geist; vielerlei Sorge nimmt die Seele ein. Die Nacht aber ist still und ruhig und zum Gebet geschaffen, für die Wachenden geeignet, da sie den Menschen, frei von irdischen Beschäftigungen, und ganz gesammelt, vor Gottes Antlitz stellt. Erkennet also, daß das Nachtwachen Gott angenehm ist, um Segen zu erlangen.“ (Hl. Nicetius von Trier, De Vigiliis)
Um diese Früchte zu erlangen, muß man nicht nur mit dem Körper wachen, sondern auch dem Herzen nach, nicht mit dem Munde, sondern auch mit dem Herzen beten. Das Herz sei dem Teufel verschlossen und Gott geöffnet.
Mit dem Psalmisten (76,3) kann man dann freudig sagen:
„Am Tage meiner Drangsal suche ich Gott, strecke meine Hand des Nachts nach ihm aus und täusche mich nicht.“
„Gut ist es, den Herrn zu preisen und Lob zu singen Deinem Namen, Du Höchster, am frühen Morgen Deine Barmherzigkeit zu verkünden und Deine Treue des Nachts.“ (Psalm 91,2)
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