MARIA KÖNIGIN – und Magd

„Die Muttergottes nimmt an der universalen Herrschaft und Gewalt Gottes und ihres Sohnes selbst teil – weiterhin Gott, dem Schöpfer, unterworfen, aber als das besondere, wunderbare, einzigartige, unvergleichliche und unwiederholbare Geschöpf des Schöpfers. Diesen erkennt sie auch als Königin an, aber alles jeder andere sonst ist und bleibt ihr unterworfen – nach dem Willen Gottes, nicht, weil sie diese Herrschaft für sich beansprucht oder gar usurpiert hätte.

Nur weil sie nichts anderes als Magd sein wollte und war, ist sie die universale Herrscherin von Gott her geworden. So wie auch ihr Sohn Christkönig wurde, weil er nichts anderes als Knecht sein wollte und war.“

(Quelle)

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Himmlische Lehre

Wenn wir das Auge darauf richten,
die Würde des Heiligen Geistes zu erfassen,
so dürfen wir nicht etwas
von der Erhabenheit des Vaters und des Sohnes
Verschiedenes denken.
Denn das Wesen der göttlichen Dreifaltigkeit
widerspricht in keiner Hinsicht Ihrer Einheit.

Eine ewig währende Eigenheit ist es für den Vater,
der Erzeuger eines Ihm gleich ewigen Sohnes zu sein.
Eine ewig währende Eigenheit ist es für den Sohn,
zeitlos vom Vater hervorgebracht zu sein.
Auch für den Heiligen Geist
ist es eine ewig währende Eigenheit,
der Geist des Vaters und des Sohnes zu sein.

Daher ist der Vater nie ohne Sohn,
nie sind Vater und Sohn
ohne den Heiligen Geist gewesen.

In Ihrer Existenz
sind alle Zeitstufen ausgeschlossen;
keine Person ist früher, keine später,
Denn die unwandelbare Gottheit
dieser seligen Dreifaltigkeit
ist eins im Wesen, ungeteilt im Werk,
übereinstimmend im Willen,
gleich in der Allmacht,
ebenbürtig in der Herrlichkeit.

Wenn die Heilige Schrift von Ihr so spricht,
dass sie Ihr Taten oder Worte zuschreibt,
die den einzelnen Personen
Rentsprechen scheinen,
wird der katholische Glaube
dadurch nicht verwirrt, sondern belehrt,
so dass durch die Eigentümlichkeit der Stimme
oder des Werkes
die Wahrheit der Dreifaltigkeit
|indringlich eingeschärft wird:
Der Verstand soll nicht trennen,
Bas das Gehör unterscheidet.
Deswegen nämlich werden gewisse Dinge
unter Nennung des Vaters oder des Sohnes
oder des Heiligen Geistes vorgebracht,
damit das Bekenntnis der Gläubigen
in der Dreifaltigkeit nicht irre.
Da sie ja in sich untrennbar ist,
würde man nie darauf kommen,
dass es eine Dreifaltigkeit gibt,
wenn diese immer ungetrennt genannt würde.
So zieht also gerade die Schwierigkeit,
darüber zu sprechen,
unser Herz zum richtigen Verständnis hin,
und gerade wegen unserer Schwachheit
kommt uns die himmlische Lehre zu Hilfe.

Weil in der Gottheit des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes
nicht an eine einzige Person,
noch an eine Verschiedenheit der Natur
zu denken ist,
kann die wahre Dreifaltigkeit
gleichzeitig im Geist gedacht,
aber nicht gleichzeitig mit dem Mund
ausgesprochen werden.
Wenn dieser Glaube
in unseren Herzen fest gegründet ist,
dann glauben wir auf heilbringende Weise,
dass die ganze Dreifaltigkeit zusammen
eine Kraft, eine Majestät, ein Wesen ist,
ungeschieden im Wirken,
untrennbar durch die Liebe,
ununterschieden in der Macht,
die alles zugleich erfüllt
und alles zugleich umfasst.

(Leo der Große)

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O meine Seele

O meine Seele
betrachte doch die große Wonne
und die große Liebe
des Vaters in der Erkenntnis Seines Sohnes
und des Sohnes in der Erkenntnis Seines Vaters
und betrachte die flammende Liebe,
in der Sich der Heilige Geist mit Ihnen vereint.

Betrachte, wie keine dieser drei Personen
von dieser Erkenntnis und Liebe
Sich ausschließen kann,
weil Sie ja ein Wesen sind!
Diese göttlichen Personen erkennen und lieben Sich
und haben Ihre Wonne aneinander.

Wie kannst Du, mein Gott,
da noch meiner Liebe bedürfen?
Wozu willst Du sie,
oder was hast Du von ihr?
Sei gepriesen, mein Gott,
sei gepriesen in Ewigkeit!
Lobpreisen sollen Dich, o Herr,
alle Geschöpfe ohne Ende,
denn bei Dir kann es kein Ende geben!

Freue dich, meine Seele,
dass es eine Liebe gibt,
die deinen Gott so liebt, wie Er es verdient!
Freue dich, dass es eine Erkenntnis gibt,
die Seine Güte
und Seinen unendlichen Wert erkennt!

Sage Ihm Dank,
dass Er uns auf Erden Einen gegeben hat,
der Ihn so erkennt;
das ist der eingeborene Sohn des Vaters.

Unter diesem Schutz
kannst du zu Ihm gelangen und Ihn bitten,
es möchten alle Dinge dieser Erde,
da Seine Majestät bei dir Ihre Wonne findet,
nicht imstande sein,
dich der Wonne an deinem Gott zu berauben
und zu verhindern,
deiner Größe dich zu erfreuen und zu frohlocken,
dass Er so sehr gelobt
und gepriesen zu werden verdient.

Da kannst du Ihn bitten, Er wolle dir beistehen,
dass auch du etwas beitragest
zum Lobpreis Seines Namens
und in Wahrheit sagen könntest:

Meine Seele
lobpreist den Herrn, den dreifaltigen Gott!

(Teresa von Avila)

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Nach DIR verlangen

O ewige Gottheit,
o ewige Dreieinigkeit!
Du hast bewirkt,
dass das Blut Deines einzigen Sohnes
durch die Vereinigung mit der göttlichen Natur
ein so wertvoller Preis ist!

Du, ewige Dreifaltigkeit, bist ein tiefes Meer,
in dem ich immer Neues entdecke,
je länger ich suche.
Und je mehr ich finde,
desto mehr suche ich Dich.

Gleichsam auf unersättliche Weise
sättigst Du die Seele;
denn in Deinem Abgrund
sättigst Du die Seele so,
dass sie doch immer noch hungrig bleibt,
nach Dir, ewige Dreifaltigkeit, verlangt
und sich danach sehnt,
Dich, das Licht,
in Deinem Licht zu schauen.

Ich kostete und schaute
mit dem Licht der Vernunft
in Deinem Licht Deinen Abgrund,
ewige Dreifaltigkeit,
und die Schönheit Deiner Schöpfung.

Darum hüllte ich mich ein in Dich
wie in ein Gewand und sah,
dass ich Dein Bild sein werde.

Denn, ewiger Vater,
Du schenktest mir von Deiner Macht
und von Deiner Weisheit,
von der Weisheit,
die Deinem Eingeborenen eigen ist.
Und der Heilige Geist,
der von Dir, dem Vater,
und von Deinem Sohn ausgeht,
hat mir die Willenskraft verliehen,
durch die Er mich fähig macht zu lieben.

Du, ewige Dreifaltigkeit,
bist der Schöpfer, ich bin das Geschöpf.
Durch das Blut Deines eingeborenen Sohnes
hast Du mich neu geschaffen;
daran erkenne ich, von Dir erleuchtet,
dass Du von der Schönheit Deines Geschöpfes
ergriffen bist.

O Abgrund, o ewige Dreifaltigkeit,
o Gottheit, o tiefes Meer!
Wie konntest Du mir Größeres geben
als Dich selbst!

Du bist das ewig brennende Feuer,
das sich nie aufzehrt,
doch mit Seiner Glut
alle Eigenliebe der Seele verzehrt.
Du bist das Feuer,
das alle Kälte wegnimmt
und mit Seinem Licht die Geister erleuchtet,
mit dem Licht,
in dem Du mir Deine Wahrheit
zu erkennen gabst.

Im Spiegel dieses Lichtes erkenne ich Dich,
das höchste Gut,
das Gute über allem Guten,
das selige Gute, das unermesslich Gute,
das unschätzbar Gute;
die Schönheit über aller Schönheit,
die Weisheit, größer als jegliche Weisheit.

Du Speise der Engel,
Du, der sich den Menschen schenkt
Feuer der Liebe.
Du bist das Gewand,
das meine Nacktheit bedeckt;
da wir hungern,
gibst Du uns die Speise Deiner Süße;
denn süß bist Du ohne alle Bitterkeit.
O ewige Dreifaltigkeit!

(Caterina von Siena)

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Verwandle mein Herz

Dich verherrliche, lobe,
verehre, rühme und preise ich,
Dich, den allmächtigen Vater,
den Sohn und den Heiligen Geist,
den einzigen Gott in drei Personen.
Du bist mein Gott, König und Herr.
Hilf mir, verzeih mir, läutere und heilige mich!

Schenke mir Klugheit, Gerechtigkeit,
Tapferkeit und Augenmaß.

Schenke mir Glauben, Hoffnung und Liebe.

Schenke mir die Weisheit des Geistes,
des Verstandes und der Vernunft,
den Geist der Tapferkeit, der Wissenschaft,
der Frömmigkeit und der Gottesfurcht.
Verwandle mein Herz aus Stein
in ein Herz aus Fleisch;

Schenke mir die Demut des Herzens
und die Erkenntnis meiner großen Schuld.

Herr, ich bin nicht würdig,
in Deine Kirche einzutreten,
ich bin nicht würdig,
die Augen zum Himmel zu erheben
und Deinen Namen anzurufen.

Du aber hast mich nach Deinem Willen
geschaffen;
ab Erbarmen mit mir,
ein Herr und mein Gott.

(Petrus Damiani)

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Kniebeugungsgebet – 2

Herr Jesus Christus, unser Gott, der Du Deinen Frieden den Menschen gegeben hast und die Gabe des Allheiligen Geistes – noch im Leben uns gegenwärtig – als unentreißbares Erbe den Gläubigen immerfort darbietest; [der Du] sichtbarer aber dieselbe Gnade Deinen Jüngern und Aposteln heute herabgesandt und ihre Lippen durch feurige Zungen gekräftigt hast, durch die wir [wiederum], das menschliche Geschlecht, – die Erkenntnis Gottes in eigener Sprache im Gehöre empfangend – mit dem Licht des Geistes erleuchtet und dem Irrtum – [sozusagen] wie aus der Finsternis – entrissen sind; und [die wir] durch die Verteilung der wahrnehmbaren und feurigen Zungen und durch übernatürliche Wirksamkeit den Glauben an Dich erlernt haben und Dich mit dem Vater und dem Heiligen Geiste in einer Gottheit, Macht und Gewalt als Gott zu bekennen angefacht sind. Du nun, Abglanz des Vaters, Seines Wesens und Seiner Natur unveränderliches und unbewegliches Abbild, Quelle der Weisheit und der Gnade: öffne auch mir Sünder die Lippen und lehre mich, wie und wofür ich beten soll; denn Du kennst die große Menge meiner Sünden, Deine Barmherzigkeit aber wird die Unzahl derselben überwinden. Siehe, in Furcht stehe ich vor Dir [und] werfe die Verzagtheit meiner Seele in das Meer Deines Erbarmens; leite mein Leben, der Du durch [ein] Wort die ganze Schöpfung mit [der] unaussprechlichen Macht der Weisheit leitest, o stiller Hafen der vom Sturm Bedrängten; weise mir auch den Weg, den ich wandeln soll! Den Geist Deiner Weisheit gib meinen Gedanken, den Geist des Verstandes schenke meiner Unvernunft, mit dem Geiste Deiner Furcht überschatte meine Werke, erneuere auch den rechten Geist in meinem Innern und mit Deinem führenden Geist stärke meine ausgleitenden Gedanken, damit ich jeden Tag – durch Deinen guten Geist geführt zu dem, was förderlich ist – gewürdigt sei, Deine Gebote zu erfüllen und ewig Deiner herrlichen, über unsere Handlungen Rechenschaft fordernden Wiederkunft zu gedenken. Lasse mich nicht den vergänglichen Reizen dieser Welt anschmiegen, sondern stärke mich, nach dem Genusse der zukünftigen Schätze zu streben! Denn Du hast gesagt, o Gebieter, dass ein Jeglicher [das], was er auch immer erbitten werde in Deinem Namen, unverwehrt empfangen werde von Deinem mitewigen Gott und Vater. Darum, so flehe auch ich Sünder am Tage der Ankunft Deines Heiligen Geistes Deine Güte an: gib mir zum Heile, worum ich gebeten! Ja, Herr, Du jeglicher Wohltat reichlicher Geber und gütiger Spender, der Du in überfließender Fülle gibst, um was wir bitten; Du bist [ein] mitleidiger und erbarmender [Herr], der Du sündelos teilgehabt hast an unserem Fleische und Dich denen, die ihre Knie vor Dir beugen, mildherzig neigst, [und der Du] auch zur Sühnung geworden bist für unsere Sünden. Schenke denn, o Herr, Deinem Volke Deine Erbarmungen; erhöre uns aus Deinem heiligen Himmel; heilige uns mit der Kraft Deiner heilenden Rechten; birg uns unter dem Schatten Deiner Flügel; verschmähe nicht die Werke Deiner Hände! Dir allein sündigen wir, Dir allein dienen wir aber auch. Wir verstehen uns nicht, einen fremden Gott anzubeten, noch zu einem andern Gott, o Gebieter, unsere Hände auszustrecken. Verzeihe uns die Übertretungen und nimm unsere kniefälligen Bitten an; strecke nach uns allen [Deine] hilfreiche Hand aus; nimm das Gebet aller an als ein angenehmes Rauchopfer, das vor Deinem huldreichen Throne aufgenommen wird!

Er fügt auch dieses [Gebet] hinzu:

Herr, Herr, der Du uns errettest vor jedem Pfeil, der am Tage fliegt; errette uns auch von jedem Ungemach, das im Finstern schleicht! Nimm an das abendliche Opfer, die Erhebung unserer Hände! Würdige uns auch, die Strecke der Nacht ohne Tadel zurückzulegen, ohne Versuchung zu bösen [Dingen] und erlöse uns von aller Unruhe und Angst, die uns vom Teufel erregt wird! Verleihe unseren Seelen Zerknirschung und unseren Gedanken Besorgnis ob der Prüfung in Deinem furchtbaren und gerechten Gerichte! Festige unser Fleisch in Deiner Furcht und ertöte unsere irdischen Gliedmaßen, auf dass wir auch in der Ruhe des Schlafes erleuchtet werden durch die Betrachtung Deiner Gerichte! Halte auch fern von uns jeden unziemlichen Traum und [jede] schädliche Begierde! Aufstehen aber lass uns zur Zeit des Gebetes, gestärkt im Glauben und fortgeschritten in Deinen Geboten!

Quelle

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Du, o Maria

Du, o Maria,
bist das Buch geworden,
in dem unsere Lebensregel aufgeschrieben ist.
In dich ist die Weisheit des ewigen Vaters
hineingeschrieben worden.
Denn ich sehe,
wenn ich auf dich schaue,
wie die Hand des Heiligen Geistes in dich
die Heiligste Dreifaltigkeit hineingeschrieben,
indem Er in dir das menschgewordene Wort,
den eingeborenen Sohn des Vaters, gebildet hat.
Er hat in dich hineingeschrieben
die Weisheit des Vaters, das Wort,
die Allmacht des Vaters,
der dieses große Geheimnis zu vollbringen verma
die milde Güte des Heiligen Geistes.
Ewige Dreifaltigkeit,
betrachte ich Deinen Heilsplan,
so erkenne ich in Deinem Licht
die Würde und den Adel
des Menschengeschlechts.
Wie die Liebe Dich drängte,
den Menschen aus Dir heraus
ins Dasein zu setzen,
so ruhte sie nicht,
bis sie ihn, der durch die Sünde verloren,
wiedererkauft hatte.

(Caterina von Siena)

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Werenfried van Straaten über den Fürsten der Finsternis

… Ja, es gibt den Fürsten der Finsternis, den roten Drachen der Apokalypse, den gefallenen Engel, der Satan heißt. Er ist der geniale Organisator der Bosheit, eine große Macht ist ihm gegeben. Nicht ohne Grund nennt ihn Christus den „Fürsten dieser Welt“. Es ist eine Dummheit, seinen Einfluss zu bagatellisieren. Er tritt nämlich nicht allein mit menschlicher Schlauheit auf. Ein überirdischer Verstand entwirft die strategischen Pläne der Bosheit, und die Feldzüge der Sünde werden mit übermenschlicher Willenskraft geführt. Es ist schon öfters geschehen – nur ein halbes Jahrhundert her –, dass eine gottlose Idee die Welt unaufhaltsam erobert hat. Ihre Vorkämpfer erreichten, was keiner zuvor erreichte. Umleuchtet vom Schimmer des Erfolges, traten sie als Retter und Wundertäter vor das Volk. Und die Massen ergaben sich ihnen, betrogen, hypnotisiert, aus Dummheit und aus Angst. Sie wussten nicht, dass sie blind ihrem Untergang entgegen gingen. Und so ist es auch jetzt. In Ost und West wird die Kirche überfallen von der Versuchung, Frieden zu schließen mit dem großen Widersacher. Und viele ihrer Kinder, darunter sogar Priester und Bischöfe, unterliegen. Gott ist so weit weg. Und Satans Botschafter reisen lächelnd durch eine Welt, die ihnen hoffnungsvoll die Hände entgegenstreckt. Ein dichter Nebel der Sünde und Gottvergessenheit verschleiert die Wahrheit. Und trotz aller Fortschritte in natürlicher Kenntnis ist die Menschheit im übernatürlichen Bereich immer mehr zum geistlichen Entwicklungsland geworden.

Wenn es wahr ist, dass der uralte Kampf zwischen dem Drachen und der Frau, zwischen Maria und dem Teufel, alles erklärt, was heute in der Kirche und in der Welt geschieht, dann ist es eine Torheit, die Augen vor der Realität des Teufels zu verschließen, und dann ist es religiöser Selbstmord, wenn man Maria aus dem Bewusstsein und der Frömmigkeit des gläubigen Volkes zu vertreiben versucht. Leider müssen wir feststellen, dass diese Torheit und dieser geistliche Selbstmord jetzt katastrophale Wirklichkeit geworden sind. Die katastrophale Übermacht der Bosheit in unseren Tagen ist nicht dadurch zu erklären, dass Gott dem Teufel jetzt besondere Gewalt verliehen hat. Sie ist das Resultat einer Jahrhunderte langen Zersetzung der göttlichen Weltordnung. Die unzähligen Übertretungen, Irrtümer, Sünden und Untaten der Christenheit von früher und in unseren Tagen führten zu einem menschlicherweise unlösbaren Knäuel von Problemen, denen die Welt jetzt ratlos gegenüber steht. Ein Übel rief das andere auf zu einem Kreislauf der Bosheit, zu einem Wirbel der Verwüstung, die uns rettungslos mit sich reißt. Nicht Gott, sondern des Menschen böser Wille und ein diabolischer Verstand haben uns dieses Meisterstück der Hölle geliefert. Wenn aber der Urhasser der wahre Verfolger und Zerstörer der Kirche ist, dann ist es ein schauerlicher Erfolg für den Teufel, dass unzählige Christen auf den Spuren einer Handvoll ungläubiger Theologen praktisch nicht mehr an ihn glauben. Das gibt ihm freies Spiel in der Kirche. …

(Ausschnitt aus einer Predigt von Pater Werenfried van Straaten im Wallfahrtsort Kevelaer 1987)

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Der Schüler über den verkrüppelten Meister

Hermanns Schüler Berthold schreibt über seinen Lehrer und Mitbruder Hermann:

„Er war derart durch die Grausamkeit der Natur an den Gliedmaßen verrenkt, dass er sich von der Stelle, auf die man ihn niedersetzte, nicht ohne Hilfe wieder weg-bewegen, noch sich auf die eine oder die andere Seite wenden konnte.“

Wir wissen nicht, ob alle Benediktiner der Reichenau Bertholds Ansicht geteilt haben oder ob er deswegen expressis verbis von der Grausamkeit der Natur gesprochen hat, um eben anders denkende Mitbrüder von seiner Denkweise zu überzeugen. Jedenfalls haben wir heute die größte Achtung vor dem natur-wissenschaftlichen Denken der Reichenauer Mönche. Schließlich war das Kloster im Bodensee um diese Zeit ja aber auch die „Elite-Universität“ im damaligen Mitteleuropa.

Wenn Hermann der Lahme als Autor des Salve Regina noch im 11. Jahrhundert übermittelt worden war, dann durfte dieses Wissen wegen der Ächtung der Behinderten nicht aufrecht erhalten werden. Es mussten als Autoren des Salve Regina repräsentative Männer der Kirche gefunden werden, auch wenn diese sich bei näherem Hinsehen als völlig unwahrscheinlich herausstellten.

Die erste „Zuschreibung“ des Salve Regina an Hermann den Lahmen, allerdings in versteckter Form, stammt von Johannes von Viktring (*um 1270 + 1347), seit 1307 Abt in Viktring (Kärnten), Verfasser einer Chronik. Man fragt sich, warum Johannes als Chronist sich nicht ganz offen für die Autorenschaft Hermann des Lahmen einsetzt und kann dies nur mit der damaligen offiziellen Meinung der Kirche zu Behinderten erklären. Diese Meinung teilte Johann von Viktring möglicherweise nicht und wollte deswegen wenigstens „durch die Blume“ doch Hermann den Lahmen als Autor des Salve Regina ansprechen.

[Berschin] zitiert die Hermann-Legende des Johannes von Viktring:
„Zu dieser Zeit stand in Deutschland Hermann der Lahme auf seinem Höhepunkt, ein Mann vornehmer Abstammung, der sich in Paris in der Hoffnung auf höchste Würden mit dem Studium plagte, aber wegen seines schwerfälligen Geistes nicht vorankam. Als er sah, dass arme Leute niederen Standes hohen Rang in der Wissenschaft erreichten, schmerzte ihn das heftig und er vertraute sich voll Eifer kniefällig der heiligsten Jungfrau an, die den Schlüssel zu den Wissens- und Weisheitsschätzen Gottes hat, und jammerte tags und nachts, dass er nicht beschämt und bar jeden Wissens zu seinen Freunden und in sein Vaterland zurückkehren müsse. Die Jungfrau, von der man weiß, dass sie milde, gütig und süß ist (clemens, pia et dulcis) und allen im Überfluss gibt, bot ihm folgendes an: entweder überfließendes Wissen verbunden mit einer Auflösung seiner Glieder oder körperliche Gesundheit mit geistiger Schwerfälligkeit wie zuvor. Letzteres verschmähte er und fand seine Freude an der Weisheit.“

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Hermann der Lahme und das Salve Regina

Herimannus Contractus, Hermann der Lahme, genauer übersetzt: der Krüppel (1013-1054), war im Mittelalter hochberühmt als vielseitiger Gelehrter und begeisternder Lehrer der Klosterschule auf der Reichenau; sein Andenken blieb lebendig, weil ihm das SALVE REGINA zugeschrieben wurde, eine Kostbarkeit mittelalterlicher Dichtung.

Den Sproß eines mächtigen schwäbischen Grafengeschlechts, körperlich untauglich zu einer standesgemäßen Karriere, brachte man 1020 im Kloster Reichenau unter und eröffnete ihm so die Möglichkeit, trotz seiner Gebrechen ein sinnerfülltes Leben zu führen: Er konnte durch Gebet und Aufopferung seiner Leiden heiligmäßig wer-den, oder aber in Bibliothek und Klosterschule seine geistigen Fähigkeiten ausbil-den und nutzbar machen. Hermann ergriff entschieden die zweite Möglichkeit und führte trotz seiner Behinderung ein aktives Leben als erstaunlich vielseitiger Gelehrter (Historiker, Mathematiker, Astronom, Instrumentenbauer, Musiktheo-retiker), als Dichter und Komponist. Er wollte sich möglichst viel Welt erschließen und nicht hinter Menschen mit gesunden Gliedern zurückstehen, eine heroische Leistung für einen Mann, der fast ganz bewegungsunfähig war und nicht einmal ein Buch halten konnte.

Seine geistlichen Dichtungen – Hymnen und Antiphonen, darunter eine Kreuzes- und eine Osterhymne und „Alma redemptoris mater“ – zeugen von tiefer Frömmig-keit, die ja kein Widerspruch zu Verstandesklarheit und Willensstärke ist. Ein Lehr-gedicht, das er für die Nonnen in Buchau verfaßte, beweist, daß dieser Mann zu all seinen Fähigkeiten auch noch eine seltene Gottesgabe besaß, nämlich Humor.

Sein Schüler Berthold, der Hermanns Geschichtswerk fortsetzte, hinterließ eine kurze, dichte Biographie seines verehrten Lehrers. Die Analyse dieses Textes, insbe-sondere der Träume, die Hermann kurz vor seinem Tod hatte – die Traumdeutung nach Erkenntnissen moderner Psychologie führt in seinem Fall zu überzeugenden Ergebnissen – zeigt das eindrucksvolle Bild eines unermüdlich tätigen, leistungs-orientierten Menschen, der sich nicht auf den Bereich theoretischer Wissenschaft und die Klosterschule beschränkte, sondern auch als Vordenker auf die große Politik des Reiches Einfluss nehmen wollte.

Hermann hatte ein besonders enges Verhältnis zu seiner Mutter Hiltrud; neben ihr wollte er in Altshausen begraben werden. Sein Grab ist verschwunden, die Echtheit eines in Altshausen bewahrten Schädelfragments zweifelhaft. Um 1630 ist die Ver-ehrung von Hermann-Reliquien noch bezeugt; 1790 ist es damit vorbei, schon die um 1750 neu ausgestattete Kirche in Altshausen erinnert nicht mehr an ihn. Ein Ende mit dem Hermann-Kult machte – außer in Veringenstadt – vermutlich die Auf-klärung, die manche traditionellen und volkstümlichen Formen der Frömmigkeit in die Nähe des Aberglaubens rückte und bekämpfte. Neuere Forschung hat den faszi-nierenden Menschen und Wissenschaftler mit erstaunlich modernen Zügen wieder entdeckt.

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Geblieben ist uns von Hermann dem Lahmen das SALVE REGINA; hier in der ältesten erhaltenen Fassung:

Salve, regina misericordiae,
Vita, dulcedo et spes nostra, salve.
Ad te clamamus exsules filii Evae,
Ad te suspiramus gementes et flentes
In hac lacrimarum valle.
Eia ergo, advocata nostra,
Illos tuos misericordes oculos ad nos converte
Et Jesum, benedictum fructum ventris tui,
Nobis post hoc exsilium ostende,
O clemens, o pia O dulcis Maria.

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