Bruder Lorenz von der Auferstehung – Fünfzehnter Brief

Gott weiß am besten, wessen wir bedürfen, und alles, was Er für uns tut, ist nur für unser Bestes. Wenn wir nur wüssten, wie sehr Er uns liebt, würden wir immer bereit sein, aus Seiner Hand mit Gleichmut und Gelassenheit das Süße wie das Bittere zu empfangen; alles, was von Ihm käme, wäre uns dann teuer. Selbst die schlimmsten Heimsuchungen würden wir hinnehmen, außer wir sähen sie in einem falschen Licht. Wenn wir sie aus den Händen Gottes, der sie erteilt, kommend sehen könnten, und wenn wir nur wüssten, dass Er unser liebender Vater ist, der uns demütigt und beunruhigt, dann würden unsere Schmerzen ihre Bitterkeit verlieren und sogar zu einer Tröstung werden.

Lasst all unsere Bemühungen darauf gerichtet sein, Gott zu kennen, denn je mehr wir Ihn kennen, umso besser wünschen wir ihn kennen zu lernen. Und da Erkenntnis gewöhnlich der Maßstab der Liebe ist, wird auch unsere Erkenntnis umso tiefer und breiter sein, je größer unsere Liebe ist. Und ist unsere Liebe Gottes nur groß genug, dann werden wir Ihn in Freuden und Schmerzen immer gleichermaßen lieben.

Lasst uns nicht die Zeit damit verschwenden, Gott nur für irgendwelche fühlbaren Wohlwollensbeweise – wie stark diese auch immer ausfallen mögen – zu suchen oder zu lieben, die Er für uns vielleicht bereit hält. Gefallensbeweise dieser Art, wie groß sie auch immer sein mögen, können uns nicht so nahe an Gott heranbringen wie ein einziger Akt des Glaubens. Lasst uns Ihn so oft wie möglich im Licht des Glaubens suchen – Er ist in uns, sucht Ihn also nirgendwo sonst.

Erweisen wir uns nicht als grob und verdienen wir nicht Schande, wenn wir Ihn im Stich lassen und uns selbst mit Nichtigkeiten beschäftigen, die Ihm missfallen und vielleicht sogar beleidigen? Wir müssen vielmehr fürchten, dass diese Nichtigkeiten uns eines Tages teuer zu stehen kommen.

Lasst uns damit beginnen, Ihm in aller Gewissenhaftigkeit anzuhängen. Lasst uns alles andere in unseren Herzen verwerfen, damit Er allein es besitzt. Bittet Ihn um diese Gunst. Wenn wir von unserer Seite aus tun, was wir nur können, werden wir schon bald sehen, wie der Wandel, nach dem wir verlangen, in uns gewirkt werden wird. Ich vermag Ihm nicht genug für die Erleichterung zu danken, die Er Euch hat zuteil werden lassen. Ich hoffe auf Seine Gnade, Ihn in einigen Tagen treffen zu dürfen. Lasst uns füreinander beten.

[Zwei Tage später musste er sich zu Bett legen, in dem er innerhalb einer Woche verstarb.]

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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Bruder Lorenz von der Auferstehung – Vierzehnter Brief

Ich statte Dank unserem Herrn ab, der Euch ein wenig Erleichterung verschafft hat, wie es Euer Wunsch gewesen war. Ich war selbst oft nahe daran, meinen letzten Atemzug zu tun, obwohl ich dabei so zufrieden war wie noch nie. Folglich habe ich nicht um Linderung gebetet, sondern um die Stärke, mit Tapferkeit, Demut und Liebe leiden zu können. Oh wie süß es doch ist, mit Gott leiden zu können! Wie groß auch immer Eure Leiden sein mögen, empfangt sie mit Liebe. Es ist wie das Paradies, für Ihn zu leiden und mit Ihm zu sein. Wenn wir uns daher in diesem Leben des Friedens des Paradieses erfreuen möchten, sollten wir die Gewohnheit eines vertrauten, demütigen und liebevollen Umgangs mit Ihm annehmen; wir müssen unseren Geist daran hindern, bei jeder Gelegenheit von Ihm abzuschweifen, und wir müssen aus unserem Herzen einen spirituellen Tempel machen, in dem wir Ihn unaufhörlich verehren, und ständig sollten wir über uns wachen, damit wir nichts sagen, tun oder denken, was Ihm missfallen könnte. Wenn unser Gemüt auf diese Weise mit Gott befasst ist, wird unser Leiden voll Weihe und Trost werden.

Ich weiß, wie schwierig in den Anfängen das Erlangen dieser Stufe ist, denn wir müssen dazu aus reinem Glauben handeln. Doch obwohl es schwierig ist, wissen wir doch gleichzeitig, dass wir mit der Gnade Gottes alle Dinge vermögen, die Er niemandem versagt, der ernstlich nach ihr verlangt. Klopft an, seid hartnäckig im Anklopfen – und ich versichere Euch, dass Er Euch in der fälligen Zeit die Türe öffnen wird und Euch all das mit einem Male gewähren wird, was Er während vieler Jahre zurückgehalten hat. Adieu. Betet für mich zu Ihm, wie ich für Euch bete. Ich hoffe Ihn schon bald zu treffen.

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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Bruder Lorenz von der Auferstehung – Dreizehnter Brief

Es schmerzt mich, Euch so sehr lange leiden zu sehen, Was mir etwas Erleichterung verschafft und die Empfindungen, die ich aufgrund Eures Leidens hege, lindert, ist, dass sie Prüfungen der Liebe Gottes für Euch sind. Betrachtet sie aus dieser Sichtweise heraus, und Ihr werdet sie leichter ertragen können. So wie Euer Fall liegt, lautet meine Meinung dazu, dass Ihr menschlichen Trost aufgeben und Euch gänzlich der göttlichen Vorsehung hingeben solltet; vielleicht wartet Er nur auf diese Eure Ergebung und Euer vollkommenes Vertrauen in Ihn, um Euch zu heilen. Da die Ärzte bisher trotz aller Bemühungen nicht erfolgreich gewesen sind und Eure Beschwerden noch zunehmen, ist es nicht zuviel von Gott verlangt, wenn Ihr Euch in Seine Hände begebt und nur noch auf Ihn hofft.

Ich sagte Euch letztens, dass Er die Krankheiten des Körpers manchmal deshalb schickt, um die Beschwernisse der Seele zu kurieren. Habt daher Mut und macht aus der Not eine Tugend – bittet Gott nicht um eine Erleichterung Eurer Schmerzen, sondern um die Stärke, sie tapfer ertragen zu können; aus Liebe zu Ihm und um Ihm zu gefallen, und so lange es Ihm beliebt.

Derartige Gebete kommen unserer Natur natürlich etwas hart an, sind aber das Beste vor Gott und süß für diejenigen, die Ihn lieben. Liebe versüßt die Schmerzen, und jemand, der Gott liebt, leidet Ihm zuliebe mit Freude und mit Tapferkeit. Tuet so – ich ersuche Euch darum. Tröstet Euch mit Ihm, der der alleinige Arzt all Eurer Gebrechen ist. Er ist der Vater aller Geplagten und immer bereit, uns zu helfen. Er liebt uns mehr, als wir uns vorstellen können. Liebt Ihn daher auch und sucht nicht anderswo nach Trost, und ich hoffe, dass Ihr diesen schon bald erfahren möget. Adieu. Ich werde Euch mit meinen Gebeten beistehen, so bescheiden sie auch sein mögen, und bin immer der Eure im Herrn.

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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Bruder Lorenz von der Auferstehung – Zwölfter Brief

Wenn wir nur ausreichend der Übung der Gegenwärtigkeit Gottes hingegeben wären, würden alle körperlichen Beschwerden schon allein dadurch in großem Maße erleichtert werden. Oft gestattet Gott den Schmerzen, an uns heranzutreten, um unsere Seelen zu reinigen und uns neuerlich zu verpflichten, mit Ihm zu bleiben.

Fasst Zuversicht, bietet Ihm unaufhörlich Eure Schmerzen an, bittet Ihn um Kraft, sie zu ertragen. Erwerbt vor allem die Gewohnheit, so oft wie nur möglich Gott zu euch einzuladen, und vergesst Ihn so wenig als Ihr könnt. Verehrt Ihn in Euren Gebrechlichkeiten, bietet Euch Ihm von Zeit zu Zeit an. Fleht Ihn in den Zeiten besonderen Leidens demütig und liebevoll (wie das Kind den Vater) an, Euch die Kraft zur Erfüllung Seines heiligen Willens zu schenken. Ich bin bestrebt, Euch dabei mit meinen bescheidenen Gebeten beizustehen.

Gott kennt viele Wege, um uns zu Ihm zu bringen. Manchmal verbirgt Er Sich Selbst in uns, aber der Glaube, der in den Zeiten der Not nie versagt, ist dann unsere Stütze und die Grundlage unserer Zuversicht, die allein in Gott ruhen sollte.

Ich weiß nicht, wie Gott über mich zu verfügen gedenkt, aber ich bin immer glücklich. Alle Welt leidet, aber ich, der ich die strengste Zucht verdienen würde, fühle so beständige und so große Freuden, dass sie kaum in mir Platz finden.

Ich würde Gott gern darum bitten, mir einen Teil Eurer Leiden aufzuerlegen, aber ich kenne mich und meine großen Schwächen nur allzu gut um zu wissen, dass ich der elendste, lebende Mensch wäre, wenn Er mich auch nur einen Moment lang mich selbst überlassen würde. Und auch wenn ich nicht zu glauben vermag, dass Er mich jemals allein lassen könnte, da mir der Glaube mehr als alle Sinneserfahrung starke Zuversicht gibt, so weiß ich auch, dass Er uns niemals im Stich lassen würde, wenn nicht wir Ihn zuvor im Stich lassen würden. Lasst uns fürchten, Ihn zu verlassen. Lasst uns auf immer mit Ihm sein. Lasst uns leben und sterben in Seiner Gegenwart. Betet für mich, wie ich für Euch bete.

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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Bruder Lorenz von der Auferstehung – Elfter Brief

Ich bete nicht darum, dass Eure Schmerzen erleichtert werden mögen, sondern ich bete aufrichtig zu Gott dafür, dass Er Euch Stärke und Geduld geben möge, damit Ihr sie so lange ertragen könnt, wie es Ihm beliebt. Tröstet Euch mit Ihm, der Euch an das Kreuz bindet – Er wird Euch erlösen, sobald Er es als genügend ansieht. Glücklich diejenigen, die Seinetwegen leiden! Gewöhnt Euch daran, auf diese Art zu leiden, und sucht bei Ihm die Kraft, um so viel wie möglich aushalten zu können, und so lange, wie Er es für Euch als nötig ansieht. Die Weltmenschen verstehen solche Wahrheiten nicht und es ist auch nicht verwunderlich, da sie auf die Art leiden, die ihnen entspricht und nicht auf die Art der Christen, denn sie erachten Krankheit als einen naturhaften Schmerz, aber nicht als einen Gnadenerweis von Gott. Da sie ihn nur in diesem Licht zu sehen vermögen, finden sie in ihm auch nur Kummer und Qual. Diejenigen jedoch, die die Krankheiten als aus der Hand Gottes kommend, als die Wirkung seiner Gnade und als das Mittel, durch welches sie nach Seinem Willen Erlösung finden werden, erblicken können, finden in ihnen gewöhnlich große Süße und merklichen Trost.

Ich wünschte, Ihr könntet Euch selbst zu der Überzeugung bekehren, dass Gott uns in den Krankheiten oft (in gewissem Sinne) näher und mehr in uns gegenwärtig ist als in den Zeiten der Gesundheit. Vertraut Euch keinem anderen Arzt an, denn – und das ist meine Art des Verstehens – Er behält Eure Heilung Sich Selbst vor. Setzt also Euer ganzes Vertrauen in Ihn, und Ihr werdet schon bald die Wirkungen Eurer Heilung vorfinden, die wir nur allzuoft dadurch verzögern, indem wir größeres Vertrauen in unsere Ärzte setzen.

Welche Heilmittel Ihr auch immer verwenden möget – sie helfen nur so weit, wie Er es erlaubt. Wenn die Schmerzen von Gott kommen, dann kann auch nur Er sie kurieren. Oftmals sendet er die Krankheiten des Körpers nur, um diejenigen der Seele zu heilen. Vertraut Euch dem unübertrefflichen Arzt für Körper und Seele an.

Ich kann voraussehen, wie Ihr mir sagen werdet, dass ich gut reden habe, wo ich doch an der Tafel des Herrn esse und trinke! Gewiss habt Ihr Grund dazu, so zu sprechen, doch glaubt Ihr etwa, dass es ein nur kleiner Schmerz für den größten Verbrecher dieser Welt wäre, an des Königs Tisch zu speisen und von diesem bedient zu werden ohne die Gunst der Vergebung? Ich glaube vielmehr, er würde sich äußerst unbehaglich fühlen, und zwar so sehr, dass nur seine Zuversicht in die Güte seines Herrschers dies mindern könnte. Daher versichere ich Euch, dass ich, was immer ich auch an der Tafel meines Königs speisen werde, ich doch stets meine Sünden und die Ungewissheit ihrer Vergebung vor Augen habe, was mich quält, obwohl in Wahrheit sogar diese Qual noch erfreulich für mich ist.

Seid zufrieden mit den Umständen, in welche Gott Euch gestellt hat. Wie glücklich Ihr mich auch immer sehen mögt, seid versichert, dass ich Euch beneide. Für mich wären Schmerzen und Leiden das Paradies, wenn ich darin mit meinem Gott leiden könnte, und das größte Vergnügen wäre die Hölle für mich, wenn ich es ohne Ihn genießen müsste, denn mein ganzer Trost liegt darin, nur für Ihn zu leiden.

Schon bald werde ich zu Gott heimkehren. Was mich in diesem Leben erfreut, ist, dass ich Ihn nun mit dem Glauben sehen kann, und dass ich Ihn auf eine Art sehe, die mich manchmal sagen lässt: Ich glaube nicht mehr, sondern ich SEHE. Ich spüre, was der Glaube uns lehren will, und in dieser Gewissheit und dieser Übung des Glaubens möchte ich leben und sterben in Ihm.

Verbleibt immer mit Gott, denn das ist Eure einzige Stütze und Euer einziger Trost in Euren Beschwernissen. Ich werde Ihn anflehen, mit Euch zu sein. Ich entbiete Euch meine Dienste.

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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Bruder Lorenz von der Auferstehung – Zehnter Brief

Ich habe mit ziemlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, um mich dazu zu bringen, M. … zu schreiben, und ich tue es nicht rein deshalb, weil Ihr und Frau … es von mir wünscht. Bitte schreibt die Anleitungen auf und sendet sie ihm. Ich bin sehr erfreut über das Vertrauen, welches Ihr in Gott setzt, und wünsche mir, Er möge es mehr und mehr in Euch wachsen lassen. Wir können nicht auf einen so gütigen und treuen Freund verzichten, der uns weder in dieser noch der nächsten Welt jemals im Stich lassen wird.

Falls M. … seinen Vorteil aus dem Verlust, den er gehabt hat, ziehen möchte und all seine Zuversicht auf Gott setzt, wird Er ihm schon bald einen neuen Freund geben, der noch stärker und noch eifriger ist, ihm zu dienen. Es liegt bei Ihm, nach Seinem Belieben über die Herzen zu verfügen. Vielleicht war M. … zu anhänglich an den, den er verloren hat. Wir sollen unsere Freunde lieben, aber ohne dabei die Liebe zu Gott, die die Hauptsache ist, zu schmälern.

Bitte erinnert Euch an das, was ich Euch nahegelegt habe, und das war: Tag um Tag, nächtens, während Eurer Geschäfte und sogar während Eurer Zerstreuungen an Gott zu denken. Er ist stets nahe bei Euch und mit Euch – lasst Ihn nicht allein. Gewiss würdet Ihr es für grob halten, einen Freund, der Euch besuchen kommt, stehen zu lassen. Müssen wir dann aber nicht Gott umso mehr achten? Vernachlässigt Ihn nicht, sondern denkt nur umso mehr an ihn, verehrt ihn beständig, lebt und sterbt mit Ihm. Dies ist die glorreiche Hauptbeschäftigung des Christen, und mit einem Wort gesagt: Darin besteht unsere Berufung. Wenn wir sie als solche nicht kennen sollten, dann müssen wir sie erlernen. Mit meinen Gebeten werde ich mich bemühen, Euch darin zu unterstützen, und bin der Eure im Herrn.

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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Bruder Lorenz von der Auferstehung – Neunter Brief

Der Anlagebrief stellt die Antwort auf den Brief dar, den ich von … erhalten habe. Reicht ihn bitte an sie weiter. Sie scheint mir voll guten Willens zu sein, aber auch der Gnade vorauseilen zu wollen. Man wird nicht plötzlich und auf der Stelle heilig. Ich anempfehle sie Euch, denn wir sollten uns zwar gegenseitig mit unserem Rat zur Seite stehen, aber mehr noch mit unserem guten Beispiel. Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr mir ab und zu Nachricht von ihr gebt, und darüber, ob sie eifrig und gehorsam bleibt.

Lasst uns nicht vergessen, dass unser einziges Anliegen in diesem Leben sein sollte, Gott zu erfreuen, und dass eigentlich alles andere nichts als Narrheit und Nichtigkeit ist. Ihr und ich, wir haben jetzt vierzig Jahre des religiösen Lebens [d.h., des monastischen Lebens] verlebt. Haben wir diese in Liebe und im Dienst an Gott, der uns durch Seine Gnade zu diesem Leben und zu diesem Zweck berufen hat, verbracht? Ich bin von Scham und Bestürzung erfüllt, wenn ich daran denke, welche großen Gunstbeweise ich einerseits von Gott erhalten habe und unaufhörlich immer noch erhalte, und wie wenig ich andererseits guten Gebrauch von ihnen zu machen verstand, und wie gering doch meine Fortschritte auf dem Wege der Vollkommenheit sind.

Da wir durch Seine Gnade noch ein wenig Zeit gewährt bekommen haben, lasst uns nun in aller Ernsthaftigkeit beginnen, lasst uns die verlorene Zeit wiederaufholen, lasst uns zur vollen Gewissheit dieses Vaters der Gnaden, der immer bereit ist, uns liebevoll zu empfangen, zurückkehren. Lasst uns aus Liebe zu Ihm all dem entsagen – und lasst uns großzügig entsagen –, was nicht Er ist, denn Er verdient unendlich viel mehr. Lasst uns auf immer an Ihn denken. Lasst uns unsere ganze Hoffnung in Ihn setzen, denn ich zweifle nicht daran, dass wir schon bald die Wirkungen dessen vorfinden und den Reichtum Seiner Gnaden empfangen werden, mit deren Hilfe wir alles zu tun vermögen und ohne die wir nichts anderes können als sündigen.

Ohne die wirkliche und beständige Hilfe Gottes können wir den vielfältigen Gefahren des Lebens nicht entgehen – lasst uns Ihn daher immer um sie bitten. Wie können wir Ihn um etwas bitten, ohne mit Ihm zu sein? Und wie können wir anders mit Ihm sein als so oft wie möglich an Ihn zu denken? Und wie können wir oft an Ihn denken, ohne diese heilige Gewohnheit heranzubilden, die dies erst möglich macht? Ihr werdet mir sagen, dass ich mich nur wiederhole, und das ist wahr, denn darin besteht die beste und einfachste Methode, die ich kenne, und da ich keine andere verwende, rate ich aller Welt, ein Gleiches zu tun. Bevor wir lieben können, müssen wir Wissen haben. Um Gott kennen zu können, müssen wir oft an Ihn denken, und wenn wir Ihn dann lieben gelernt haben, sollten wir auch stets oft an Ihn denken, damit unser Herz immer bei unserem Schatz sei. Es ist dies ein Beweggrund, der wohl Eurer Betrachtung wert ist.

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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Bruder Lorenz von der Auferstehung – Achter Brief

Ihr sagt mir damit wahrhaftig nichts Neues, denn Ihr seid nicht der einzige, der sich von wandernden Gedanken belästigt fühlt. Unser Verstand ist außerordentlich sprunghaft, aber da der Wille der Meister all unserer Geistesvermögen ist, ist es seine Aufgabe, sie zur Ordnung zu rufen und zuguterletzt Gott zu Füßen legen.

Sobald unser Gemüt, das besonders in den Anfängen unserer Hingabe auf der Suche nach größerer Sammlung ist, erst einmal gewisse schlechte Gewohnheiten des Umherwanderns und der Zerstreutheit angenommen hat, sind diese nur noch schwer zu überwinden, und sie ziehen uns dann, gewöhnlich auch gegen unseren Willen, zu den irdischen Dingen hin.

Ich glaube, dass eine Abhilfe darin besteht, unsere Fehler zu bekennen und uns vor Gott zu demütigen. Ich würde Euch nicht dazu raten, in Euren Gebeten viele Worte zu machen, denn viele Worte und lange Verhandlungen sind oftmals die Ursache des Umherwanderns. Seid in Euren Gebeten vor Gott vielmehr wie ein stummer oder sprachloser Bettler vor dem Tor des reichen Mannes und lasst es Euch angelegen sein, Euer Gemüt mit der Gegenwart des Herrn zu beschäftigen. Sollte es dann manchmal umherstreifen und sich von Ihm zurückziehen, dann seid deswegen nicht allzu beunruhigt, denn Unruhe und Besorgtheit verstärken die Zerstreutheit des Gemüts nur noch, statt seine Sammlung zu befördern. Der Wille muss es dann in die Stille zurückführen, und falls Ihr in dieser Verfahrensweise beharrlich seid, wird Gott Euch beistehen.

Eine einfache Möglichkeit dafür, das Gemüt zu den Gebetszeiten leichter zu sammeln und seine Stille bewahren zu helfen, besteht darin, es überhaupt zu allen Zeiten niemals allzu weit wandern zu lassen. Haltet es immer strikt in der Gegenwart Gottes fest und gewöhnt Euch daran, so oft wie möglich an Ihn zu denken. Ihr werdet feststellen, wie leicht Ihr Euer Gemüt dann in den Gebetszeiten ruhigzuhalten oder es zumindest leicht von seinen Wanderungen zurückzurufen vermögt.

In meinen früheren Briefen habe ich Euch bereits ausführlich mitgeteilt, wie viel Nutzen wir aus dieser Übung der Gegenwärtigkeit Gottes ziehen können. Lasst uns ernsthaft darin sein und füreinander beten.

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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Bruder Lorenz von der Auferstehung – Siebter Brief

Ihr dauert mich so sehr. Es wäre von größter Wichtigkeit, wenn Ihr die Sorge um Eure Angelegenheiten niederlegen und den Rest Eures Lebens allein in der Verehrung Gottes verbringen könntet. Er verlangt von uns nicht so sehr viel – eine kleine Erinnerung an Ihn von Zeit zu Zeit oder eine geringfügige Verehrung genügen, wie etwa ein Gebet um Seine Gnade, unsere Aufopferung unserer Leiden für Ihn und manchmal auch ein Dank an Ihn für die Gefallen, die Er Euch erwiesen hat und immer noch, auch in den größten Schwierigkeiten, erweist. Tröstet Euch, so oft Ihr könnt, mit Ihm. Erhebt Euer Herz zu Ihm, auch während Eurer Mahlzeiten oder wenn Ihr Euch in Gesellschaft befindet, denn auch die kleinste Erinnerung an Ihn ist Ihm stets willkommen. Ihr müsst dazu nicht laut weinen – Er ist uns näher, als uns bewusst ist.

Um mit Gott zu sein, ist es nicht erforderlich, immer in die Kirche zu gehen – machen wir doch aus unserem Herzen einen Gebetsraum, in den wir uns von Zeit zu Zeit zurückziehen, um mit Ihm in Demut, Einfachheit und Liebe Umgang zu pflegen. Jeder ist zu einem solch vertrauten Umgang mit Gott fähig – die einen mehr, die anderen weniger. Er weiß, was jeder einzelne von uns zu leisten vermag. Lasst uns also damit beginnen, denn vielleicht erwartet Er von uns nur diesen einen hochherzigen Entschluss. Habt Mut. Wir haben so wenig Lebenszeit; Ihr seid jetzt fast vierundsechzig, und ich bin fast achtzig. Lasst uns mit Gott leben und sterben – die Leiden werden uns süß und teuer werden, wenn wir mit Ihm sind, und die größten Freuden werden wie eine grausame Bestrafung für uns sein, wenn wir Ihn vermissen. Möge Er für alles gesegnet sein. Amen.

Wendet Euch mehr und mehr Seiner Verehrung zu. Bittet um Seine Gnade, um Ihm Euer Herz von Zeit zu Zeit und auch auf dem Höhepunkt Eurer Beschäftigungen und sogar in jedem einzelnen Moment, sofern Ihr dies vermögt, darzubieten. Verpflichtet Euch nicht so sehr ängstlich bestimmten Regeln oder bestimmten Formen der Hingabe, sondern handelt aus dem Geist des Vertrauens in Gott heraus, in Liebe und Demut. Seid meiner bescheidenen Gebete und dessen, dass ich der ihre und insbesondere Euer Diener bin, versichert.

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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Bruder Lorenz von der Auferstehung – Sechster Brief

Ich habe von Frau … die Dinge erhalten, die Ihr ihr für mich mitgegeben habt. Ich frage mich, weshalb Ihr mir nicht gleichfalls Eure Gedanken zu dem kleinen Buch, welches Ihr erhalten haben müsstet, habt zukommen lassen. Bitte setzt von ganzem Herzen die Übung darin auch jetzt im Alter fort – besser spät als nie.

Ich vermag nicht nachzuvollziehen, wie religiöse Menschen ohne die Übung der Gegenwärtigkeit Gottes zufrieden zu leben verstehen. Von meiner Seite her pflege ich, so viel ich kann, den Rückzug zusammen mit Ihm im tiefsten Innern meiner Seele, und wenn ich dann mit Ihm bin, empfinde ich vor nichts Furcht, während aber schon das kleinste Vergessen Seiner unerträglich für mich ist.

Diese Übung ermüdet den Körper nicht besonders, obwohl sie ihn jedoch sehr wohl viele der kleinen, unschuldigen und erlaubten Vergnügen entbehren lässt, denn Gott gestattet nicht, dass eine Seele, die sich Ihm gänzlich hingeben möchte, nach anderen Vergnügen als nur nach Ihm verlangt, und das ist ja nur verständlich.

Ich meine damit aber nicht etwa, dass wir uns deshalb irgendeinen gewaltsamen Zwang auferlegen müssten. Nein – wir sollten Gott in heiliger Freiheit dienen und unsere Angelegenheiten vertrauensvoll, im Glauben und ohne Sorgen und Beunruhigungen erledigen. So oft wir unser Gemüt umherwandern und fern von Gott sehen, sollten wir es Ihm sanft und ruhig wieder zuwenden.

Es ist jedoch sehr nötig, dass wir all unser Vertrauen gänzlich in Gott setzen und sämtliche anderen Sorgen beiseitelegen, und dies gilt sogar für bestimmte Formen der Hingabe – auch wenn diese in sich selbst gut sein mögen –, sofern wir sie in unvernünftiger Weise gebrauchen. Alle diese Formen dienen letztlich nur der Erreichung eines Zieles, und wenn wir schließlich durch die Übung der Gegenwärtigkeit Gottes in Ihm unser Ziel gefunden haben, ist die Verwendung der früheren Mittel nutzlos geworden. Wir sollten anstelle dessen den Umgang der Liebe mit Ihm pflegen und in seiner Heiligen Gegenwart verbleiben – durch Akte des Gebets, der Verehrung oder des Verlangens nach Ihm, durch Akte der Entsagung oder des Dankes und überhaupt in jeder nur denkbaren und geeigneten Weise, die unser Geist finden mag.

Seid nicht wegen der auf natürliche Weise entstehenden Widerstände, die Ihr vielleicht bemerken werdet, entmutigt – zwingt euch einfach dazu, weiterzumachen. Zunächst hält man all dies für verlorene Zeit, aber Ihr müsst weitergehen und entschlossen sein, darin bis zum Tode auszuharren, ungeachtet all der Schwierigkeiten, die auch immer auftreten mögen. Ich empfehle mich den Gebeten Eurer heiligen Gemeinschaft und den Euren im Besonderen. Ich bin der Eure im Herrn.

Für die Übersetzung bin ich Herrn Clemens Vargas Ramos (+) zum Dank verpflichtet – RIP.

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