Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (17/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Ave Maria.

17 – Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 17. April 1938, Ostersonntag:

Heute hat Vater Abt mir die Kulle und das schwarze Skapulier überreicht. Ich würde lügen, wenn ich sagte, ich hätte mich heute nicht von der Eitelkeit mitreißen lassen.

Wie armselig bin ich doch!
Herr, Herr, sei mir gnädig und barmherzig!
Ich bin weder größer noch kleiner vor Deinem Angesicht, weil ich hier oder dort bin, so oder anders gekleidet …

Wir Menschen sind und spielen wie die Kinder: wir setzen hohe Erwartungen in Dinge, über die die Engel lachen. Herr, flöße mir Deine heilige Furcht ein, erfülle mein Herz mit Deiner Liebe, und alles andere ist Vanitas vanitatum [Eitelkeit der Eitelkeiten] …

Ich erwarte immer weniger von den Menschen … Wie groß ist Gottes Barmherzigkeit! Er ersetzt über alle Maßen das, was mir die Menschen nicht geben können. Ich erkenne ganz klar, daß der, der seine Augen auf die Erde und die Geschöpfe lenkt, seine Zeit verliert … Jesus allein erfüllt Herz und Seele.

[An seinen Bruder Leopoldo]

Liebster Bruder Leopoldo! An Dich wende ich mich mit meinem Osterbrief, da ich Dich bereits ausreichend als Chef betrachte, um die österlichen Wünsche in Empfang zu nehmen, die dieser Mönch seinen Angehörigen, die er sehr liebt, zukommen läßt. Vor allen Dingen teile ich Dir mit, daß ich die beiden Sendungen Insulin, die mir Vater schickte, erhalten habe. Gott vergelte es ihm! Ich hoffe, daß ich ihn in Kürze hier zu sehen bekomme, […].

[…] Ich lobe Gott für alles und bitte Ihn nur, Er möge Euch mehr Frieden als Fülle verleihen … Ich glaube, Er erhört die Gebete dieses Zisterzienseroblaten.

Heute, am Tag der Auferstehung, hat mir Vater Abt das schwarze Skapulier und die Kulle gegeben, so daß ich – abgesehen von der Tonsur – wie ein wirklicher Mönch aussehe. Ich bin ganz glücklich mit meinen weiten Ärmeln, obwohl ich nicht weiß, was ich damit anfangen soll. Ach, lieber Bruder, wenn ich nur so viel Liebe zu Gott hätte, wie ich Stoff im Überfluß habe! … Ich kann Dir fast nichts berichten; Du verstehst schon, daß das monastische Leben nicht dazu angetan ist, große Neuigkeiten mitzuteilen. Mein Leben verläuft mit dem Erlernen des Lateins, der Lesung der Hl. Schrift und dem Gesang im Chor zum Lob Jesu und Mariens.

Meine Arbeit beschränkt sich darauf, an einigen Tagen zu Bleistift und Pinsel zu greifen, wenn Vater Abt es mir für irgendeine Bestellung aufträgt; an anderen Tagen nehme ich den Besen, um dem Bruder Krankenwärter […] zu helfen. Ich versichere Dir, daß ich glücklich bin und daß die Tage wie im Flug vergehen. Ich hoffe, daß der Krieg bald ein Ende hat und sich alles normalisiert. Dann könnt Ihr mich besuchen kommen in einem winzig kleinen Auto, das ihr dann kauft [ihr früheres war beschlagnahmt worden] und das schön langsam fährt …; die Geschwindigkeit ist sehr gefährlich!

Ich nehme an, daß die Feldarbeit fast beendet ist. Kurz und gut: wenn Du mir schreibst, dann erzähl mir Einzelheiten über alles; denn alles, was mit meinem Elternhaus zu tun hat, interessiert mich, auch wenn ich Trappist bin. Du weißt das sehr gut, denn ich wünsche nichts anderes, als daß es Euch gut geht.

Selbstverständlich muß Gott an erster Stelle stehen; alles andere ist zweitrangig. Aber oft ist das Zweitrangige notwendig, um Frieden und Liebe zu Gott zu haben. Was meinst Du dazu, Bruder? Wir sind nun einmal Menschen!

Vieles würde ich Dir noch sagen, wenn ich Zeit und Papier hätte, aber ich glaube, es erübrigt sich, nicht wahr? Wenn Du herkommst, reden wir von Ernten, von Traktoren und … von Gott.

Schau, ich schicke Dir diese kleinen Bilder, die ich sonntags in meiner Freizeit gemalt habe. Ich weiß nicht, ob sie Dir gefallen; ich denke schon, und sei es nur, weil sie Dein Bruder gemalt hat. Ich nehme an, daß Du die Bedeutung von allen dreien erkennst …; es ist ganz einfach. Da der Mönch mit den Psalmen lebt, soll es Dich nicht wundern, daß ich die Motive daraus genommen habe. Ach, wenn ich malen könnte! Aber sieh, es gibt Dinge im geistlichen Leben, die man nicht auszudrücken vermag. Nur die Heilige Schrift versteht es, in kurzen Worten das zu sagen, wozu viele Reden der Menschen nicht fähig wären.

Schau, lieber Bruder, wenn Du dahin gelangtest, das wirklich zu leben, was diese drei Bilder darstellen, dann wärest Du ein Weiser und ein Heiliger, aber – wie schnell vergessen wir das!

Das erste – wie Du siehst – stellt einen einfachen Laienbruder dar, der den Weg der Wahrheit gewählt hat, viam veritatis elegi … [Ich wählte den Weg der Wahrheit (Ps 119,30)]. In der dunklen Nacht der Welt erhellt nur das Kreuz Christi den Pfad des Lebens … Es gibt nur diese eine Wahrheit, die den Frieden schenkt, um warten zu können, den Mut, um vorwärts zu schreiten, und das Vertrauen, um nicht irrezugehen. Christus und Sein Kreuz sind die Wahrheit, der Weg und das Leben. Er sagte es, und Seine Worte finden ihre Erfüllung in dem ruhigen Frieden jenes Laienbruders, der auf dem Weg der Wahrheit wandelt und Christus sucht.

Auf dem zweiten ist ein Mensch dargestellt, der Gott anbetet in der Erhabenheit Seiner Schöpfung. Er sieht die Welt, betrachtet die Schönheit der Schöpfung und bittet alle Geschöpfe darum, Ihn anzubeten: Omnis terra adoret te [Alle Welt bete dich an (Ps 66,4)]. Der Schatten dieses Menschen, der Gott in der Schönheit liebt, ist ein Kreuz.

Das dritte Bild zeigt einen Mönch, der von der Höhe eines Felsens aus die Welt betrachtet. Und da ihn nach der göttlichen Liebe dürstet und er Sehnsucht nach dem Himmel hat, kann er nichts anderes tun, als ausrufen: Incola ego sum in terra [Fremdling und Pilger bin ich auf Erden (Ps 119,19)].

Liebster Leopoldo, ob wir wollen oder nicht, wir sind wirklich Pilger. Warum sollten wir hier unsere Wohnstatt errichten? Betrachten wir diese Erde, auf die törichte Menschen ihre Hoffnung setzen, auf der sie ihre Kriege ausfechten und in der sie habgierig ihre vergänglichen und elenden Schätze verstecken wie der kleine Mönch des Bildes!

Glücklich zu preisen, Bruder, ist derjenige, der sich in Wahrheit als Fremdling in der Welt betrachtet und nur von Gott träumt und von seinem wirklichen Vaterland! Sein Leben wird in friedlicher Gelassenheit verlaufen, denn Frieden gibt es nur in einem Herzen, das von allem losgelöst ist. Er arbeitet mit einem Blick, der auf Gott gerichtet ist, und seine Arbeit wird gesegnet sein. Er hat Kontakt zu den Menschen, und sein Umgang mit ihnen wird auf der Liebe gegründet sein…

Gut, ich will nicht lästig werden. Ich nehme an, daß die Bilder ausreichend erklärt sind, die Dir dieser arme Mönch mit viel Liebe schickt … Typisch Mönch, wirst Du sagen, und das stimmt. Aber schau, indem ich an solche Dinge denke, über sie meditiere und sie ´wiederkäue‘, vergeht mein Leben, und von dem, was ich habe, gebe ich weiter.

(…) Mehr brauche ich Dir nicht zu sagen. Ich glaube nämlich, daß es nicht nötig ist, Dir aufzutragen, daß Du die Eltern in meinem Namen ganz kräftig umarmst und allen gibst, was Du für angebracht hältst. Und Du, nimm von Deinem Bruder, was ich Dir per Post nicht schicken kann! Aber Du weißt schon, was es ist.

Auf Wiedersehen, lieber kleiner Leopoldo, und sei brav! Schau, Dein Bruder bittet die heiligste Jungfrau sehr darum. Vergiß Du auch nicht diesen Deinen armen Bruder, der Dich so liebhat,
Bruder Maria Rafael

(Aus: Nur Gast auf Erden 624f)

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Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (16/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Ave Maria.

Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 15. April 1938, am Karfreitag:

[Bruder Rafael schreibt an Bruder Luis Gonzaga (Tescelino) von San Isidro, der an der der Front ist]

An erster Stelle, liebster Bruder, sind weder das Du, noch das Sie von großer Bedeutung, wenn man die Liebe Christi besitzt, die unter Zisterzienserbrüdern – wie wir es sind – nicht fehlen darf. Die Liebe – wenn man sich in Gott liebt – kennt keinen formellen Kram. Für diejenigen, die sich im Herzen Jesu lieben, ist es einerlei, welche Anrede man gebraucht.

Was Ihren Brief angeht, kann ich Ihnen nur sagen, daß ich tief beschämt bin über das Vertrauen, das Sie in mein Gebet setzen, […], aber an das Ergebnis meiner armseligen Gebete wage ich nicht zu denken. Mut, Bruder! Ermüden Sie nicht! Ich weiß aus Erfahrung, welchen Schmerz es bedeutet, wenn man gegen die Welt kämpft, und auch, daß nur ein ganz großes Vertrauen in Jesus und Maria uns den Sieg verleihen wird. Wie wunderbar ist dann aber der Friede im Hause Gottes! Alles kommt – sogar das Ende dieser Verbannung, in der uns der Herr nur noch kurze Zeit leben läßt. Haben Sie Mut und ermatten Sie nicht!

Ich wünsche mir, daß meine unbeholfenen Worte an Ihr Herz gelangen und einen winzigen Funken des Friedens in Jesus und des Vertrauens in Maria hineinlegen. Ich wünsche mir, daß im Bruder, der in der Welt lebt, eine sanfte Erinnerung wach wird an den Frieden des Trappistenklosters. Das wird ihn bestimmt ermutigen zum Kampf gegen die Welt und im Sieg über sie (daran zweifle ich nicht). Aber – wozu sollte ich erläutern, was man ohnehin längst begriffen hat, nicht wahr? Jetzt kann ich Ihnen nur sagen, daß es sehr hart ist, die Freiheit aufzugeben, um das Kreuz zu umfangen, aber wenn wir es einmal mit Großmut getan haben, sind weder die ganze Welt noch tausend Welten – wenn es sie gäbe – imstande, uns von ihm zu trennen. Es ist so herrlich, nah beim Kreuze Jesu zu leben! Was Gott von uns erwartet, ist so wenig im Vergleich zu dem, was Er uns schenkt!

Nun gut, ich will mich nicht weiter ausdehnen, denn ich glaube nicht, daß es notwendig ist. Dem Bruder Luis soll die bescheidene Absicht des Bruders Rafael genügen, der ihm zu diesem Osterfest das schickt, was ich vorhin schon sagte. Es ist eine Erinnerung an die gütige und geliebte Jungfrau Maria unserer Trapa, ein Lächeln dieser guten Mutter, die hier auf Sie wartet …, und nicht, damit Sie ausruhen, sondern damit Sie weiterkämpfen unter dem Banner Christi, das Kreuz umfangen und auf das warten, was Er will! Mut, Bruder, meine armen Gebete werden Ihnen nicht fehlen! Sie warten ja schon so sehr darauf! Ihr fester Glaube erreicht mehr als meine Worte. Vergessen auch sie diesen armen Kranken nicht, der hier vor dem Tabernakel darauf hofft, Sie bald wiederzusehen in Ihrem braunen Habit … und daß Sie Gott loben […]

[…] Als ich das letzte Mal von meiner Mutter wegging [15.12.1937], brachte die heiligste Jungfrau alles in Ordnung.

(Aus: Nur Gast auf Erden 621f)

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Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (15/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Gott und meine Seele

Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 14. April 1938, dem Gründonnerstag:

Heute war ein glücklicher Tag für mich. In der hl. Kommunion habe ich dem Herrn versprochen, Ihn in diesen Tagen Seines heiligen Leidens nicht allein zu lassen.

Du wirst immer ganz nahe bei mir sein, ganz tief in meinem Herzen, und ich werde ganz eins sein mit Deinem Kreuzesleiden.

Jesus, laß nicht zu, daß ich mich von Dir trenne!
Guter Jesus, wie sehr liebe ich Dich!

Als ich zur hl. Kommunion ging, erinnerte ich mich an den hl. Apostel Johannes, der während des Abendmahles an Deiner Brust ruhen durfte [vgl. Joh 13,23f].

Sollte ich ihn etwa beneiden?
Seine Tugenden, ja, aber nicht Deine Liebe …

Mein Jesus, ich bin nicht würdig – Du weißt es gut -,
und doch läßt Du auch mich an Deinem göttlichen Herzen ruhen wie Deinen Lieblingsjünger

Ich verspreche Dir, Dich innig zu lieben wie niemand sonst in der Gemeinschaft – mehr als alle zusammen – und Dich nicht allein zu lassen in Deinen Schmerzen und Deiner heiligsten Passion.

Jungfrau Maria, hilf mir,
meinem guten Jesus treu zu sein!

Schon ist der Tag vergangen, ein Tag mehr in der Endrechnung und ein Tag weniger in der Verbannung dieses Lebens … Schon ist der Gründonnerstag vorüber und mit ihm der Trost, ihn für Gott und mit Gott gelebt zu haben. Wie wird das Morgen aussehen?

Ich habe Angst. Ich mißtraue mir selbst. Ich habe große Angst, wenn ich mich so glücklich mit Jesus sehe, mit Jesus allein. Seit vier Jahren habe ich viel gelitten! Meine Seele war so lange Zeit zerrissen, daß ich jetzt – da ich mir bewußt werde, daß jenes für dieses notwendig war – Angst habe – und nicht weiß wovor. Es ist nicht vor dem Leiden; nein, davor ist es nicht. Ich habe vor nichts Angst, was mir von den Menschen kommen könnte, aber da ich Gott gefunden habe, fürchte ich, Ihn zu verlieren. Es ist so wunderbar, so zu leben!

Heute, am Gründonnerstag, dem Tag, an dem der Herr mit Seinen Jüngern zusammentraf und ihnen versprach, für immer bei ihnen zu bleiben, näherte auch ich mich in meiner Unbedeutsamkeit Jesus und bat Ihn, bei mir zu bleiben und mich an Seinem Tisch zuzulassen und mir zu erlauben, mit Ihm zu leben und Ihm wie ein Schatten überallhin zu folgen …

Ich bat Jesus, meinen Kopf an seine Brust lehnen zu dürfen wie der hl. Johannes.
Ich bat Ihn, nicht von mir zu gehen, auch wenn Er mich schwach und elend sähe.
Ich bat Ihn, meine Bitten zu erhören.
Ich durcheilte die ganze Welt und zeigte Jesus alles, was Er retten müsse:
Spanien, den Krieg, meine Brüder, so viele Herzen, die ich liebe, meine Eltern – und was weiß ich!

Ich zeigte Jesus alles und sagte Ihm:
Herr, nimm mich und gib Dich der Welt!
Verteile, was Du mir schenkst.
Laß mich den Schatz, den ich besitze, unter den Bedürftigen
der Welt austeilen! Es sind so viele! …
Laß es mich tun, der ich arm bin vor Dir!
Ich verlange nach nichts, außer nach Deiner Liebe,
nach Deiner Freundschaft, nach der Gemeinschaft mit Dir!
Nimm mich an, Herr, so wie ich bin:
krank, unnütz, zerstreut und nachlässig!

Und der Herr erhörte mich … Ich spürte Seine Liebe tief drinnen, im Innersten meiner Seele. Ich erkannte meinen ungeheuren Schatz und fürchte, ihn zu verlieren. Was tun? Ich weiß es nicht … Ich höre, wie die Menschen reden, diskutieren … Ich sehe sie mit ihren Sorgen, gebunden an die Erde … Niemand spricht von Gott. Alles ist Lärm, auch in der Trapa.

Ich möchte am liebsten nicht leben, Herr,
um die Sehnsucht nach Liebe, an der meine Seele leidet,
nicht zu stören; denn wer am meisten Lärm macht, bin ich …
Ich möchte mein Kreuz umklammern und sterben.
Alles ruft mir zu: Allein Du, Herr! D u allein!
Welch große Angst habe ich, Dich zu verlieren, mein guter Gott!
Ich sehe, wie sehr Du mich liebst,
aber ich sehe auch, was ich bin und was ich war.

Wie gut ist es bei Dir!
Wenn die Welt es nur wüßte!

Morgen ist Karfreitag …
Ich werde bei Deinem Kreuze verweilen.
Es macht mir nichts aus, daß ich Dich morgen
nicht empfangen kann in der hl. Kommunion;
heute habe ich nämlich mit Dir ausgemacht,
daß ich mich nicht von Dir trennen werde,
und Du schienst erfreut zu sein darüber.
Die heutige Kommunion
wird mir für heute und morgen ausreichen.
Ach, ich kann nicht schreiben, und könnte ich es,
ich schriebe nur dummes Zeug!

Es ist besser, daß ich schweige.

(Aus: Nur Gast auf Erden 619f)

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Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (14/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Gott und meine Seele

Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 13. April 1938, dem Mittwoch in der Karwoche:

Liebster Jesus, mein Gott!
Ich sehe, Herr, daß ich nichts tue in Deinem Dienst.
Ich fürchte, die Zeit zu verlieren …
Die Stunden, Tage und Monate vergehen,
und alles sind gute Worte und gute Wünsche,
aber es folgen ihnen keine Werke.

Heute, Herr, während der hl. Messe,
sah ich meine große Unzulänglichkeit und dachte,
– wie immer – an Deine großen Wohltaten …
Ich erkannte Deine ungeheure Güte zu mir, die mir gestattet,
jeden Tag dem heiligen Opfer beizuwohnen,
und ich verhalte mich wie ein Narr!
Wann werde ich anfangen, mein Jesus,
Dir wirklich zu dienen?

Ich fange immer wieder an, aber nie sehe ich,
daß ich irgend etwas vollbrächte …
Ich führe weiterhin ein verzärteltes, bequemes und
unbußfertiges Leben; teilweise (aber auch nur teilweise),
weil mir meine Vorgesetzten keine Erlaubnis geben,
und teilweise, weil ich mich nicht entschließe
und das strenge Leben mich ängstigt.
So kommt es, daß ich weder ein weltlicher Mensch bin,
weil ich im Kloster lebe,
noch ein Ordenschrist, weil ich wie ein weltlicher Mensch lebe …
Was bin ich überhaupt, mein Gott?
Ich weiß es nicht, und manchmal – wenn ich an diese Dinge denke –
scheint es mir, daß es mir einerlei ist, ob ich dieses oder jenes bin …
Was mir aber wohl etwas ausmacht und mir Sorgen bereitet,
ist die Tatsache, daß ich mich auf die eine oder andere Weise
nicht genügend bemühe, mich abzutöten, mich selbst zu verleugnen
und mehr für Dich als für die anderen oder für mich selbst zu leben.
Ich suche viele Bequemlichkeiten und hänge immer noch sehr
an meinen Vorlieben und Ansichten …
Häufig sehe ich mich noch als den Rafael ,von Welt´:
eingebildet, eitel, tadelsüchtig, und als den, dessen einziger Lebensinhalt
der Tisch, die Kleidung und das Laster waren …
O Herr, wenn ich mich daran erinnere!
Lassen wir es für heute!

Mein Herr, jetzt tue ich vielleicht nichts Böses,
aber ganz sicher auch nichts Gutes!
Mein Leben ist das eines Narren in einem Kloster.
Ich diene Gott weder körperlich noch geistlich.
Alles beschränkt sich darauf, daß ich sage: Wie gut ist Gott,
wie sehr liebe ich Ihn, wie sehr liebt Er mich! …
Und ich stehe ,mit offenem Mund‘ da, wie der Volksmund sagt.
Denke ich an meine Untauglichkeit, dann werde ich wirklich traurig.
Es ist so vieles, was ich Gott verdanke!

Weder mein Gebet noch meine Betrachtung oder
die Lesung verrichte ich gut, und was die Arbeit angeht,
– ich tue kaum etwas. Wenn ich esse und schlafe,
dann tue ich nicht mehr als das … Dann esse und schlafe ich
wie ein kleines Tier, und so kann es nicht weitergehen;
so darf ich nicht weitermachen … Aber was soll ich tun?
Ich bin unnütz und krank. Armer Bruder Rafael!
Es genüge dir, deine Absicht zu läutern in jedem Augenblick
und in jedem Augenblick Gott zu lieben;
alles aus und mit Liebe zu tun! …
Dies an sich bedeutet nichts Besonderes und ist nichts wert.
Was wertvoll ist, ist die Weise, wie du es tust …
Wann begreifst du das ? Wie schwerfällig bist du doch!

Wann erkennst du endlich, daß die Tugend nicht darin liegt,
Zwiebeln zu essen, sondern Zwiebeln zu essen aus Liebe zu Gott?
Wann begreifst du, daß die Heiligkeit nicht in äußeren Taten besteht,
sondern in der inneren Absicht, aus der heraus man etwas tut?
Und wenn du es weißt, warum tust du es nicht?

Ich tue es schon, Herr, aber schlecht.
Ich bin nicht demütig und möchte das tun, was mir paßt;
ich suche meinen eigenen Willen, sogar in der Buße …
Mein Gott, mein Gott, hilf mir, Deinen Willen in Demut zu erfüllen!
Hilf mir, Dir zu dienen, meine eigene Schwachheit
und meine Untauglichkeit zu lieben!
Herr, Herr, schau auf meine Absicht und reinige Du sie!

Was könnte ich tun ohne Dich?
Auch wenn ich mich vor lauter Bußübungen ums Leben brächte:
welchen Wert hätte das, wenn es nicht Deinem Willen entspräche
und ich meine Eitelkeit und meine eigene Lust darin suchte?
Es geschehe das, was Du, Herr, von mir willst; aber,
Jesus, laß nicht zu, daß mich der Teufel irreführt!
Zeig mir, was Du wünschst, damit ich es tun kann,
und gib mir einen demütigen Geist, damit ich es
erkenne und danach handle!
Laß nicht zu, mein Jesus,
daß ich Deine göttlichen Eingebungen von mir weise!
Ich sehe ein, daß ich etwas mehr tun kann, als ich tue,
und daß Du es annehmen wirst.

Stärke mich, Jungfrau Maria!

(Aus: Nur Gast auf Erden 617f)

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Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (13/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Gott und meine Seele

Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 12. April 1938, am Dienstag in der Karwoche:

In Gott allein finde ich, wonach ich suche, und das in einer solchen Fülle, daß es mir nichts ausmacht, wenn ich in den Menschen nicht entdecke, was einmal meine große Hoffnung war, eine Erwartung, die längst vergangen ist …

Ich suchte die ,Wahrheit‘ und fand sie nicht. Ich suchte die ,Liebe‘ und sah in den Menschen nur einige Fünkchen, die mein Herz, das nach Liebe dürstete, nicht Erfüllten … Ich suchte den Frieden und sah, daß es keinen Frieden gibt auf Erden. Die Illusion verging, sie zog leise vorüber, ohne daß ich es merkte … Der Herr selbst, der mich betört hatte, um mich an sich zu ziehen, ließ es mich erkennen.

Wie glücklich bin ich jetzt! „Was suchst du bei den Menschen – so fragt Er mich – , was suchst du auf der Erde, auf der du als Pilger lebst? Welche Art von Frieden ersehnst du? Wie gut ist der Herr, der mich von Eitelkeit befreit und von den Geschöpfen trennt! Jetzt sehe ich deutlich, daß der wahre Friede in Gott zu finden ist, daß in Jesus die wahre Liebe ist, daß Christus die einzige Wahrheit ist [vgl. Joh 14,6].

Während der heiligen Kommunion heute, als ich Jesus in meinem Herzen trug, empfand meine Seele eine ungeheure, eine unermeßliche Freude darüber, die Wahrheit zu besitzen … Ich erkannte, daß Gott mein eigen ist und daß ich Gott gehöre … Ich verlangte nichts sehnlicher, als diesen Herrn innigst zu lieben, der in Seiner unendlichen Güte mein Herz tröstet, das nach etwas dürstet, von dem ich nicht wußte, was es war, und das ich vergebens bei den Geschöpfen suchte. Und der Herr ließ mich erkennen – ohne den Lärm von Worten – , daß Er es ist, den meine Seele ersehnt; daß Er die Wahrheit, das Leben und die Liebe ist [vgl. 1 Joh 4,8].

Und da ich Ihn habe: was suche ich noch, worum bitte ich noch, was will ich mehr?

Nichts, Herr!
Die Welt ist zu klein, um das zu fassen, was Du mir gibst.
Wer kann erklären, was es bedeutet, die höchste Wahrheit
zu besitzen? Wer besitzt Worte genug, um sagen zu können,
was folgender Satz beinhaltet:
Nach nichts verlange ich, denn ich habe Gott?

Meine Seele weinte fast vor Freude …
Wer bin ich, Herr?
Wo soll ich meinen Schatz aufbewahren,
damit er nicht beschmutzt wird?
Wie ist es möglich, in Ruhe zu leben und
ohne die Furcht, daß er mir geraubt wird?
Was kann meine Seele tun, um Dir wohlgefällig zu sein?

Armer Bruder Rafael, was kannst du Gott als Antwort geben auf solch große Wohltat, wie Er sie dir hier schenkt? Du hast ein Herz von Stein, wenn du nicht über so viel Undankbarkeit und Geringschätzung der göttlichen Gnade gegenüber weinst!

Ich lebe, Herr, im Schlamm meines eigenen Elends,
und gleichzeitig träume ich nur von Dir und lebe nur für Dich.
Wie soll man das begreifen? Ich lebe und dürste nach Dir …
Ich beweine meine Verbannung und träume vom Himmel.
Meine Seele seufzt nach Jesus, in dem sie ihren Schatz, ihr Leben,
ihre einzige Liebe sieht. Nichts erwarte ich von den Menschen …
Ich liebe Dich wahnsinnig, Jesus, und doch esse, lache, schlafe,
spreche und lerne ich unter den Menschen, ohne
Verrücktheiten zu begehen, und suche – ich schäme mich,
es festzustellen – meine Bequemlichkeiten.
Herr, wie läßt sich das erklären?
Wie ist es möglich, daß Du mir Deine Gnade schenkst?
Wenn ich ihr in etwa entsprechen würde,
könnte ich es vielleicht verstehen.
Jesus, verzeih mir!
Ich sollte heilig sein und bin es nicht.
Und ich war es, der früher an einigen Schwächen
der Menschen Anstoß nahm?
Ich …? Wie absurd!

Da Du mir Licht gabst zum Sehen und Verstehen,
verleih mir, Herr, ein ganz großes Herz,
ein ganz großes, um diese Menschen zu lieben,
die Deine Kinder und meine Geschwister sind
und in denen mein ungeheurer Stolz Fehler entdeckte!
Mich selber dagegen sah ich nicht!

Wenn Du dem Letzten von ihnen das gegeben hättest,
was Du mir gabst! Aber Du machst alles gut! …
Meine Seele beweint ihre früheren Schliche,
ihre Gewohnheiten von ehedem …
Nun sucht sie die Vollkommenheit nicht mehr
im Menschen; jetzt weint sie nicht mehr darüber,
daß sie keinen Ort der Ruhe findet. Jetzt hat sie alles …
Du, mein Gott, bist es, der meine Seele erfüllt;
Du bist meine Freude, mein Friede
und meine Ruhe!
Du, Herr, bist meine Zuflucht, meine Burg, mein Leben,
mein Licht, mein Trost, meine einzige Wahrheit und
meine einzige Liebe!
Ich bin glücklich: ich habe alles!

Welche Wonne nimmt Besitz von mir im Gedanken an die übergroßen Gunsterweise, die Jesus mir schenkt. Wie sehr wird meine Seele erfüllt von echter Liebe zu den Menschen, zum schwachen und kranken Bruder! Wie erständnisvoll
wird sie, und mit welcher Nachsicht entschuldigt sie die Schwächen, die ihr früher – wenn sie solche im Nächsten feststellte – Leid verursachten! Ach, wenn die Welt wüßte, was es bedeutet, Gott ein wenig zu lieben, dann würde sie auch den Nächsten lieben!

Wenn wir Jesus lieben, wenn wir Christus lieben, dann lieben wir wie selbstverständlich auch das, was Er liebt. Starb Jesus etwa nicht aus Liebe zu den Menschen? Wenn wir also unser Herz nach dem Herzen Christi umwandeln, dann spüren und erfahren wir auch seine Auswirkungen … Und die größte von allen ist die Liebe, die Liebe zum Willen des Vaters, die Liebe zur ganzen Welt, die leidet und duldet. Es ist der Vater, der entfernte Bruder, sei er nun Engländer, Japaner oder Trappist. Die Liebe zu Maria … Wer wird letztendlich das Herz Christi verstehen können? Niemand! Aber es gibt Menschen, die einige Fünkchen dieses Herzens besitzen, ganz verborgen, ganz verschwiegen, ohne daß die Welt es bemerkt …

Mein Jesus, wie gut bist Du!
Du machst alles erstaunlich gut.
Du weist mir den Weg,
Du zeigst mir das Ziel.
Der Weg ist das Kreuz, das Opfer, der Verzicht,
manchmal der blutige Kampf, der sich auf dem
Kalvarienberg oder im Ölgarten in Tränen auflöst.
Der Weg, Herr, besteht darin, der Letzte, der Kranke,
der arme Trappistenoblate zu sein, der manchmal
in der Nähe Deines Kreuzes leidet.
Aber das macht nichts; im Gegenteil:
die Milde des Schmerzes erfährt nur der mit Freude,
der demütig für Dich leidet.

Die Tränen – neben Deinem Kreuz vergossen –
sind ein Balsam in diesem Leben
des ständigen Verzichts und Opfers.
Und die Opfer und der Verzicht
sind angenehm und leicht, wenn sie Liebe,
Glaube und Hoffnung in der Seele beleben.

Hier wird sichtbar, wie Du die Dornen in Rosen verwandelst.
Aber wie ist es mit dem Ziel? Das Ziel bist Du, nichts als Du!
Das Ziel ist, Dich ewig zu besitzen im Himmel
mit Jesus und Maria, mit allen Engeln und Heiligen.
Aber das wird dort oben Wirklichkeit. Und um die Schlaffen,
die Schwachen und Kleinmütigen wie mich zu ermutigen,
zeigst Du Dich manchmal dem Herzen und fragst es:
„Was suchst du? Was möchtest du? Wen rufst du? …
Sieh her, schau, was ich bin:
Ich bin die Wahrheit und das Leben.“

Und dann beschenkst Du die Seele mit einer
Glückseligkeit, von der die Welt nichts ahnt
und die sie nicht versteht. Dann erfüllst Du, Herr,
Deine Diener mit unsagbarer Freude, die sie
in der Stille auskosten, und über die der Mensch
kaum zu sprechen wagt …

Mein Jesus, wie sehr liebe ich Dich,
obwohl ich bin, wie ich bin!
Und je schlechter und elender ich bin,
um so mehr liebe ich Dich …
Ich werde Dich immer lieben und mich
an Dich klammern und Dich nicht
loslassen [vgl. Hld 3,4] und … Ich weiß nicht,
was ich noch sagen wollte.

Jungfrau Maria, hilf mir!

(Aus: Nur Gast auf Erden 615f)

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Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (12/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Gott und meine Seele

Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 10. April 1938, am Palmsonntag:

Heute greife ich zur Feder und fahre – wie immer – fort, Gott zu preisen. Ich will nicht von mir selber reden, sondern nur von Jesus, aber ich habe meinen Gott so tief in mir! Das Werk, das Er in meiner Seele vollbringt, ist so wunderbar, daß ich Ihn ehre, wenn ich von mir selber rede und erzähle, was mir, einem armen und elenden Sünder, in meiner Beziehung zu Ihm widerfährt …

Ich würde am liebsten verschwinden, und in gewisser Hinsicht geschieht das auch, denn Er erfüllt alles … Wie gut ist Gott! Nichts habe ich für Jesus getan und doch: wie groß ist Sein Erbarmen! Von diesem Gedanken komme ich nicht los – mehr kann ich nicht sagen.

Meine Seele versinkt in solch großem Wunder und verstummt. Ich sehe nur ein armseliges Geschöpf, herausgeholt aus der Welt – aus was für einer Welt! – durch die Gnade, allein durch die Gnade. Es wurde in die Einsamkeit geführt, um dort – ohne daß es selbst es bemerkt – mitzuwirken an einer der erhabensten und wunderbarsten Großtaten Gottes. Und welche Großtat ist es?

Diese Großtat ist das vortrefflichste Wunder, das darin besteht, eine Seele zu sehen wie die meine: arm, nackt, voller Welt und ihrer Leidenschaften, sie von Gott geliebt zu sehen – wie ich sagte – , von Ihm geführt auf den Pfaden der Buße, getragen von Ihm in ihren vielfältigen Schwächen, in ihrem Elend, ihren Versuchungen und Trostlosigkeiten …

Gott vollbringt Sein Werk in meiner Seele. Er wandelt mein Herz um und erhebt es zu sich, Er nimmt es heraus aus der Schar der Geschöpfe und erfüllt es mit Seiner Liebe. Gott, der Ewige, führt und leitet mich! Wer gerät da nicht ins Staunen? Wer ist da nicht verblüfft?

Ach, wenn die Welt mich kennen würde und wüßte, was ich bin! Wenn die Menschen meine Schwerfälligkeit und mein hartes Herz sähen, sie wären erschüttert von der Größe Jesu, der es nicht verschmäht, für diesen armen Menschen zu sorgen, der mehr Mitleid als Liebe verdient … Und Gott liebt mich! Ach, und auf welche Weise tut Er es! Ich allein weiß es und niemand sonst! Wenn ich es nur vermitteln könnte! Wenn ich bloß die Worte besäße, die ausdrucksvoll genug dazu wären!

Aber ich bin unfähig und unbeholfen, besonders dann, wenn ich davon sprechen will. Und wenn ich ehrlich sein soll: mehr als reden, möchte ich brüllen und schreien wie die Stiere … Wie groß ist Gott!

Eine der Wandlungen, die Jesus in meiner Seele vollzogen hat, ist die Gelassenheit. Ich selbst bin verwundert, denn ich merke, daß ich jetzt etwas begreife, was ich früher nicht verstand.

Ich wußte, daß es Gott wohlgefällig ist, nichts zu wünschen, und daß dies der Weg ist, Seinen Willen zu erfüllen. Aber ich wußte es mit dem Licht meiner Intelligenz. Ich begriff solch erhabene Lehre mit meinem Verstand. Ich hatte den Wunsch, diese Tugend der heiligen Gelassenheit zu erlangen, und bat Jesus darum.

Es ist keine verdienstvolle Angelegenheit, nichts zu wünschen, wenn man Gott liebt, denn das ist die natürlichste Sache der Welt. Jedenfalls sehe ich es jetzt so.

Wie ist es nur möglich, eitle Dinge zu lieben, wenn man Gott liebt? Und ein Nichts ist all das, was wir lieben und nicht Gott selbst ist. Nur das zu wollen, was Gott will, ist das Selbstverständlichste für den, der Ihn wirklich liebt. Abgesehen von Seinen Wünschen gibt es nichts, was wir wünschen könnten. Und wenn es einen Wunsch gibt, dann den, der mit Seinem Willen übereinstimmt. Wäre es nicht so, dann wäre unser Wille nicht mit dem Seinen eins.

Wenn wir aber aus Liebe mit Seinem Willen eins sind, dann wollen wir nichts, was Er nicht wünscht, dann lieben wir nichts, was Er nicht liebt, und wenn wir uns Seinem Willen überlassen, dann nehmen wir mit Gelassenheit alles an, was Er uns schickt, jeden Ort, an den Er uns stellt. Alles, was Er von uns will, wird uns nicht nur einerlei sein, sondern wir finden sogar Gefallen daran.

Ich weiß nicht, ob in all dem, was ich rede, ein Fehler liegt; in allem unterwerfe ich mich dem, der etwas davon versteht. Ich sage nur, was ich fühle. Und ich will wirklich nichts anderes, als Ihn lieben und Ihm alles weitere anheimstellen. Sein Wille geschehe!

Mit jedem Tag bin ich glücklicher darüber, mich vollkommen Seiner Hand zu überlassen. Ich erkenne Seinen Willen in den unbedeutendsten und kleinsten Dingen, die mir begegnen. Aus allem ziehe ich eine Lehre, die mir dazu dient, Seine Barmherzigkeit an mir zu erkennen. Ich liebe die Absichten, die Er mit mir hat, und das genügt mir. Ich bin ein armer Mensch und weiß nicht, was gut für mich ist. Aber Gott trägt Sorge für mich, wie es niemand auch nur erahnen kann.

Was liegt Besonderes darin, daß ich nichts wünsche? Es geht mir so gut, weil mein einziger Wunsch Gott ist und ich alles andere vergesse. Besser gesagt: ich vergesse meine Wünsche nicht, aber sie werden so unbedeutend und so zweitrangig, daß sie – noch bevor ich sie vergesse – verschwinden. In meiner Seele bleibt nur eine ganz tiefe Zufriedenheit darüber, daß ich mit großer Sehnsucht nur danach verlange, das zu tun, was Gott von mir will. Gleichzeitig erfüllt mich eine enorme Freude, daß ich mich um eine Riesenlast erleichtert und von meinem eigenen Willen, den ich dem Willen Jesu anheimgegeben habe, befreit sehe.

Das einzige, was mir bleibt, ist der ganz große Wunsch zu gehorchen. Ich wünschte, nichts selbst entscheiden zu müssen, sondern daß mir alles, absolut alles befohlen würde. Noch immer besitze ich viel Freiheit, und da ich keinen Seelenführer habe, habe ich häufig große Angst, mich zu irren und den Willen Gottes in etwas zu sehen, was nicht mehr als meine eigene Laune ist.

Mein Jesus, hilf mir!
Jungfrau Maria, laß mich nicht allein!

Wenn mir jemand im einzelnen sagte, was ich zu tun habe, um heilig zu sein und Gott zu gefallen, ich glaube, ich täte alles mit der Hilfe Jesu und Mariens. Mit Jesus an meiner Seite fällt mir nichts schwer, und ich sehe immer deutlicher, daß der Weg zur Heiligkeit einfach ist. Ich erkenne immer klarer, daß er mehr darin besteht, Dinge aus dem Weg zu räumen, als Neues einzubringen. Die Heiligkeit reduziert sich eher auf die Einfachheit, als daß sie komplizierter würde durch neue Dinge. In dem Maße, in dem wir uns von so viel ungeordneter Liebe zu den Geschöpfen und zu uns selbst loslösen, scheint es mir, daß wir uns mehr und mehr der einzigen Liebe, dem einzigen Wunsch, dem einzigen Verlangen in diesem Leben nähern: der wahren Heiligkeit, die Gott ist.

Wie gut ist Gott, der mich das alles lehrt!
Wie gut ist Gott zu mir!
Werde ich entsprechen, wie ich sollte?

Herr, schau weder auf meine Taten, noch auf meine Worte,
sondern sieh meine Absicht, und wenn sie nicht
auf Dich hin ausgerichtet sein sollte, dann biege Du sie zurecht!
Laß nicht zu, Herr, daß ich undankbar bin und die Zeit vertue!

Wie gut geht es einem weitab von den Menschen
und nahe bei Dir!
Wenn ich den Lärm vernehme, den die Welt macht,
wenn ich die Sonne sehe, die die Felder überflutet
und den Vögeln in ihrer Freiheit ihren Glanz schenkt,
wenn ich mich an die glücklichen Tage in meinem Elternhaus
erinnere, dann verschließe ich die Augen, die Ohren und
die Stimmen der Erinnerung und sage:
Wie glücklich ist das Leben mit Christus!

Nichts nenne ich mein eigen, denn ich habe Christus!
Nichts besitze oder wünsche ich,
denn ich besitze und wünsche Christus!
An nichts habe ich Freude,
denn meine Wonne ist Christus …
Und in der Tiefe meines Herzens bin ich absolut glücklich,
obwohl das nicht das richtige Wort ist,
um den Zustand meiner Seele zu beschreiben.

Die Geschöpfe sind nicht von Bedeutung für mich, wenn sie mich nicht zu Gott führen. Ich will keine Freiheit, die mich nicht Gott näherbringt. Ich will weder Trost, noch Freuden oder Vergnügen; ich wünsche mir nur die Einsamkeit mit Jesus, die Liebe zum Kreuz und Tränen der Buße.

Mein Jesus, meine Liebe, laß nicht zu,
daß ich mich von Dir trenne!
Maria, Mutter, sei du mein einziger Trost!

Vor ein paar Tagen probierte ich die Kulle an, die mich Vater Abt als einen besonderen Gunsterweis vom Ostersonntag an tragen läßt. Groß war immer die Vorfreude darauf, eines Tages die Kulle der Zisterzienser tragen zu dürfen. Aber – sie ist so neu und so weiß, daß ich es im nachhinein schade fand und ich mich sehr schämte, diesen kindlichen Wunsch gehabt zu haben, der für mich nichts anderes ist als ein Zeichen der Eitelkeit vor den Menschen.

Christus, meinen Meister, entblößten sie in diesen Tagen vor der Menge, die Ihn beleidigte [vgl. Mt 27,28-31] – und mir legt man ein Gewand an! Sollte ich etwa stolz darauf sein? Töricht bin ich, wenn ich Ostern keine große Demütigung empfinde, wenn ich, der letzte Jünger Christi, in der Gemeinschaft erscheine mit der neuen, strahlenden Kulle der Zisterzienser! Wieviel besser wäre es gewesen, man hätte mich mit ,Sack´ bekleidet!

Aber auch das wäre kindische Eitelkeit gewesen. In Wirklichkeit bin ich heute zu dem Schluß gekommen, daß es einerlei ist. Letzten Endes: angetan mit Seide, Wolle oder Sack – es soll mein Herz nicht verändern. Das Herz ist es, was in den Augen Gottes zählt. Alles andere ist äußerlich und hat wohl in den Augen der Menschen Bedeutung. Aber nicht sie sind es, die mich zu richten haben.

Herr, Herr…!! Wie töricht sind wir Menschen!!
Wir haben Freude an einem Stück Stoff,
und ein Sandkörnchen schmerzt uns!

Hab Erbarmen mit den Menschen, Herr!

(Aus: Nur Gast auf Erden 611f)

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Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (11/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Das Kreuz verkosten

Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 3. April 1938, am Passionssonntag:

Heute hatte unsere Gemeinschaft das Glück, den Worten des Bischofs von Tuy zu lauschen, der hergekommen ist, um ein paar Tage der Zurückgezogenheit zu verbringen. Er hielt uns einen kleinen Vortrag im Kapitel und sprach uns vom Kreuz Christi.

Wie soll ich ausdrücken, was meine Seele empfand, als sie aus dem Mund eines so heiligen Prälaten das hörte, was schon längst der Gedanke ist, von dem ich besessen bin; was mich absolut glücklich sein läßt in dieser Verbannung: die Liebe zum Kreuz!

O wenn ich mich so auszudrücken verstünde, wie es der Herr Bischof tut! Ach, wer gibt mir den Wortschatz Davids, um die Wunder der Liebe des Kreuzes auszusprechen? Ach, wenn meine Feder, statt aus hartem und materiellem Stahl zu sein, nur Geist wäre und anstelle von unbeholfenen Worten etwas schriebe, das wirklich dem entspricht, was meine Seele empfindet!

Oh, das Kreuz Christi! Worüber sonst sollte man sprechen? Ich kann nicht beten … Ich weiß nicht, was es heißt, gut zu sein … Ich besitze keine religiöse Gesinnung, denn ich bin voll von der Welt…

Ich weiß nur eines; etwas, das meine Seele mit Freude erfüllt, obwohl ich so arm an Tugend und so reich an Elend bin … Ich weiß nur, daß ich einen Schatz habe, den ich für nichts und niemanden tauschen möchte: mein Kreuz, das Kreuz Jesu, jenes Kreuz, das meine einzige Ruhe ist … Wie soll ich das erklären? Wer das nicht erfahren hat, wird nicht einmal im entferntesten vermuten können, was das heißt …

Würden doch alle Menschen das Kreuz Christi lieben! Ach, wenn die Welt doch wüßte, was es bedeutet, das Kreuz Christi ganz, wirklich, ohne Vorbehalt und mit wahnsinniger Liebe zu umarmen! Wie viele Seelen – sogar religiös gesinnte – wissen nicht darum … Welch ein Jammer!

Wieviel Zeit geht verloren mit Predigten, Andachten und Übungen, die heilig und gut, aber nicht das Kreuz Jesu sind! Sie sind nicht das Beste … Ach, könnte ich doch mitten unter den Menschen von der Erhabenheit der Liebe zum Kreuz sprechen, ja schreien! … Armer Mensch, der du nichts wert bist, noch zu etwas taugst – welch törichtes Bestreben legst du an den Tag!

Armer Oblate, der du dich in deinem Leben dahinschleppst und die Härte der Regel befolgst, so gut du kannst, begnüge dich, deinen brennenden Eifer im Schweigen zurückzuhalten! Liebe wahnsinnig das, was die Welt verachtet, weil sie es nicht kennt! Bete in der Stille – ohne daß es jemand bemerkt – dieses Kreuz an, das dein Schatz ist! Betrachte im Schweigen vor ihm die Großtaten Gottes, die Wunder Mariens, das Elend des Menschen, von dem du nichts erwarten kannst! Verbringe dein Leben in ständigem Schweigen! Liebe das Kreuz, bete es an und vereinige dich mit ihm! Was willst du mehr?

Verkoste das Kreuz …
und zwar so, wie es heute morgen der Herr Bischof von Tuy sagte:
Das Kreuz verkosten!
Ach, Herr Jesus, wie glücklich bin ich!
Ich habe gefunden, wonach meine Seele verlangt.
Es sind nicht die Menschen; es sind nicht die Geschöpfe;
es ist nicht der Friede noch der Trost; es ist nicht das,
was die Welt meint … Es ist das, was niemand ahnen kann …:
es ist das Kreuz!
Wie gut läßt es sich leben in Deiner Nähe,
in der Nähe Deines Kreuzes,
wenn man Maria weinen sieht!

Wer doch die Kräfte eines Riesen besäße zum Leiden!

Das Kreuz verkosten! …
Krank leben, verkannt, von allen verlassen!
Du allein, und das am Kreuz!
Wie süß sind die Bitterkeiten, die Einsamkeit, die Leiden,
– verzehrt und verkostet in der Stille, ohne Hilfe!
Wie süß sind die Tränen, die am Kreuz vergossen werden!

Ach, wenn ich es verstünde, der Welt zu sagen,
wo das wahre Glück zu finden ist!
Aber die Welt versteht das nicht, sie kann es nicht begreifen;
denn um das Kreuz zu verstehen, muß man es lieben,
und um es zu lieben, muß man leiden,
aber nicht nur leiden, sondern das Leiden lieben …
Und was das angeht:
wie wenige folgen Dir, Herr, zum Kalvarienberg!

Ich möchte, Jesus, das ergänzen, was die Welt nicht tut!
Ich möchte, Herr, Dein gebenedeites Kreuz
mit solch großer Sehnsucht lieben,
wie sie die ganze Welt nicht aufbringt
und es doch tun sollte!
Wenn sie wüßte, welchen Schatz Du in Deine Wunden
hineingelegt hast, in Deine Dornen, in Deinen Durst,
in Deinen Todeskampf, in Deinen Tod, in Dein Kreuz!

Wer läßt mich in der Nähe Deines Kreuzes leiden,
um Deinen Schmerz zu lindern?
Schau auf mich, Herr, ich liege vor Dir!
Ich bin wahnsinnig; ich weiß nicht, worum ich bitte,
und auch nicht, was ich sage.
Ich habe Angst, nach mehr zu streben, als ich tun kann …
Bin ich vielleicht unvernünftig, wenn ich danach trachte?
Herr, leite Du mich auf dem Weg der Demut – weiter nichts!

Ich habe Angst, obwohl…
Verzeih mir, Jesus, denn wenn Du an meiner Seite bist
und wenn ich an mir geschehen lasse:
was habe ich dann zu fürchten?
Töte mich, wenn Du willst! Nimm mein Leben,
gebrauche es, wozu Du willst, öffne, schneide und spalte,
zerstückele, vereine und teile, zerstöre mich …
Tu, was Du willst! Ich will nichts weiter, als Dich
ungestüm und wahnsinnig lieben …
Ich will Deinen Willen anbeten; er ist auch der meine.
Ich will leben, hingerissen von Deiner
unendlichen Barmherzigkeit zu mir …
Ich sehe, wie sehr Du mich liebst;
ich sehe, was ich bin.
Und ohne zu wagen, wenigstens zum Boden zu schauen,
weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll …
Ich möchte nur vor Liebe sterben.

Nun gut, welch törichte Dinge rede ich! Aber Jesus wirkt zu viel an mir, als daß ich unberührt bleiben könnte. Vielleicht hat das, was ich sage, absolut keinen Sinn, aber es ist das, was ich empfinde, und sonst nichts.

Wenn ich sagte, daß ich manchmal einen Riesenwunsch empfinde, wie ein Wahnsinniger laut zu rufen: Jesus, Jesus, Jesus! …, würde es mir niemand glauben. Dann wieder fühle ich den Wunsch, mich auf die Erde zu werfen, sie mit der Stirn zu berühren, laut die Erbarmung Gottes herabzurufen und nicht wieder aufzustehen. Ein andermal wünschte ich, aus der Mitte der Menschen zu verschwinden und Gott entgegenzufliegen, der mich erwartet … Ich weiß nicht, ich möchte nicht noch mehr dummes Zeug reden.

Herr Jesus, wie hart ist das Leben!
Und noch immer gibt es Menschen, die dieses elende Leben
lieben und sich Ordensleute nennen.
Herr, ich bin kein Ordensmann,
ich bin nichts und niemand, der Letzte von allen …
Aber, Herr, ich möchte Dich lieben wie niemand sonst …
Ich verachtete die Welt aus Liebe zu Dir …
Laß mich noch das letzte verabscheuen, das mir bleibt:
meinen Willen und mein Leben!
Aber, Herr, darin liegt kein Verdienst, denn das einzige zu verachten,
das mich von Dir trennt, ist nichts Besonderes, und das mit Sehnsucht
zu erhoffen, was mich Dir näher bringen kann, ist keine Tugend.
Welchen Wert hat es, das Leben zu verachten und den Tod zu erwarten?

Aber, Herr, ich will nicht verabscheuen, was Du mir gibst,
und nicht wünschen, was Du noch nicht willst.
Dein Wille, Jesus, geschehe!
Laß mich weiter bei Deinem Kreuz verweilen!

Laß mich nicht allein, wenn ich schwach werde, Jungfrau Maria!

Ich suche keinen Trost, ich suche keine Ruhe …
Ich will nur das Kreuz lieben,
das Kreuz spüren,
das Kreuz verkosten …

+++

Vorsätze für die Passionswoche:

Ich will mich keinen Augenblick von Jesu Kreuz trennen.
Ich will, wenn ich schlafe, umhergehe, lerne, bete und esse,
immer daran denken,
daß Jesus mich vom Kreuz aus anschaut.
Ich will, wenn ich aufstehe,
das Kreuz anbeten,
und wenn ich schlafen gehe,
mein Bett auf dem Kalvarienberg
neben das Kreuz stellen.
Ich werde die Kommunion, das Gebet und die hl. Messe
zur Wiedergutmachung für die ganze Welt aufopfern,
die sich die Verdienste des Leidens Christi nicht zu eigen macht.
Ich werde das Stundengebet im Gedanken an Jesus,
den Geliebten meiner Seele, verrichten,
der ans Holz des Kreuzes genagelt ist.

Die heiligste Jungfrau helfe mir und begleite mich!
So sei es!

+++

(Aus: Nur Gast auf Erden 605f)

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Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (10/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Ein Stückchen Kreuz

Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 28. März 1938, am Montag nach dem 4. Fastensonntag:

Heute habe ich den Herrn in der hl. Kommunion um ein Stückchen Seines Kreuzes gebeten … Ich bat Ihn, Ihm helfen zu dürfen in Seinem Todeskampf; ich bat Ihn, mich teilnehmen zu lassen an Seinem Leiden; ich bat Ihn um ein Stückchen … (klein muß es sein, denn ich bin schwach) Seines heiligsten Kreuzes.

Jesus erhörte mich. Ich spürte das Kreuz auf meinen Schultern. Es lastete auf mir, und ich weinte über meine Verlassenheit und meine Einsamkeit … Nach dem Frühstück trug ich meine kleine Last durch den Flur der Krankenabteilung. Eine tiefe Traurigkeit ergriff Besitz von mir. Ich fühlte mich so krank, so allein, so schwach, um das zu ertragen, was Jesus mir auferlegt, daß ich mich – müde von allem und allen – hinsetzte und über meine Mühsal und meinen Schmerz weinte. Groß erschien mir die Verlassenheit, in der ich mich in materieller und geistlicher Hinsicht sah.

Ich habe niemanden, bei dem ich Erleichterung finden könnte. Manchmal ist das ein sehr großer Trost, manchmal aber auch ein ganz tiefer Schmerz, besonders, wenn wir krank sind. Das geschieht in Augenblicken, in denen ein von Herzen kommendes Wort so viel Leid erträglicher macht und sogar Kraft gibt, die Schwächen und das Elend der Krankheit zu ertragen. Aber das fehlt mir. Gepriesen sei Gott!

Sehr schmerzlich ist es, körperlich Mangel zu erleiden, wenn noch die Not des Geistes und anderes hinzukommt, und wenn Gott sich verbirgt und einen allein läßt mit dem Kreuz… Was wundert’s, wenn die Seele dann leidet und weint?

Heute morgen dachte ich in jenen Augenblicken nicht mehr an das, worum ich Ihn in der Kommunion gebeten hatte ..: um das Stückchen Seines Kreuzes. – Wenn der Krankenwärter wüßte, wie groß mein Hunger ist! Er kennt meine Krankheit nicht, noch versteht er sie; er weiß auch nicht, wie sehr er mich leiden läßt.

Gott läßt es zu; Er hat es so gefügt. Ich beklage mich nicht und preise die Hand des Pflegers, die für mich die Hand Gottes ist. Hunger in Einsamkeit und Schweigen! … Manchmal meine ich, ich könne es nicht länger ertragen, aber Gott hilft mir, und ich habe das Gefühl, daß alles bald ein Ende haben wird. Einerseits wünsche ich es herbei, andererseits ist es mir einerlei; ich möchte nur den Willen Gottes erfüllen.

Schon ist der Tag vergangen und mit ihm … Jetzt habe ich Frieden; ich bete Gott an und preise Ihn, der diese Stückchen Seines Kreuzes, die Er mir schickt, wann Er will, im Himmel aufbewahrt. Wie groß ist Seine Barmherzigkeit zu mir! Wenn ich in der Trapa nicht zu leiden hätte, wozu würde mein Leben dienen?!

Wenn du so großes Verlangen nach Buße hast,
warum weinst du dann?
Meine Tränen, Herr, sind keine Tränen der Widerspenstigkeit…
Meine Tränen, Herr, ich möchte sie für nichts tauschen …
Nimm sie also an, denn
mit irgend etwas muß ich mich dankbar erweisen!
Auch Du littest Hunger, Durst und Blöße.
Auch Du weintest, als Du Dich verlassen sahst.
Herr, wie glücklich bin ich, daß ich leide!

Ich tausche mit niemandem …
Aber – wie lange noch, Herr? [vgl. Ps 6,4]

(Aus: Nur Gast auf Erden 603f)

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Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (9/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Gott und meine Seele

Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 25. März 1938 zum Fest Mariä Verkündigung:

Jesus, wie gut läßt es sich leben, wenn man mit Dir leidet in der Verborgenheit des Klosters!
Wie sehr bedauere ich die Menschen in der Welt!
Mein Bruder war zu Besuch hier… Wie sehr liebe ich ihn!

Er ist ein Engel Gottes. Seine christliche Denkweise erbaut mich, sein ernsthafter, seriöser Lebenswandel, seine Seele, in der ich hervorragende Veranlagungen sehe und ein Herz, tauglich für Gott … Das ist mein Bruder, der sympathische Oberleutnant der Artillerie! [….]

Nachdem ich den Tag mit ihm verbracht habe, jetzt, in der Abgeschiedenheit meiner Zelle, denke ich daran, wie gut Gott zu mir ist, indem Er mich zum Ordensleben rief, fernab von der Welt und ganz nahe bei Jesus. Wie glücklich bin ich mitten in meinen Leiden und Opfern! Wie glücklich bin ich, eine Seele sein zu dürfen, die für Jesus leidet! Wie glücklich bin ich, mein Verlangen, meine Wünsche, ja sogar meine Schwächen vor den Tabernakel legen zu können, in dem Jesus gegenwärtig ist!

Ich sprach mit meinem Bruder von der Welt und sah, was ich schon öfters erkannt hatte: die Eitelkeit der Dinge dieser Welt … Er erzählte mir von unseren Angehörigen, von seinen Sorgen und Interessen … Wir sprachen über Zukunftspläne … Er teilte mir Einzelheiten aus dem Leben meiner Eltern und Geschwister mit und sprach über Veränderungen im Haus. Er erzählte mir von Hunden, Pferden, Autos … und was weiß ich! Wie gut ist Gott, der mich aus all dem herausgeholt hat! Für mich gibt es nichts mehr, was mich interessieren könnte. Wie glücklich bin ich mit Gott allein und mit meinem Kreuz!

In der Welt wird gelitten … Alles sind Mühen, Wünsche, Hoffnungen … – selten erfüllt. In der Welt vergießt man Tränen über materielle Angelegenheiten, die banal und verächtlich sind. In der Welt weint man wenig aus Liebe zu Christus. In der Welt leidet man wenig aus Liebe zu Gott. Wie leid tut mir die Welt! Der Mensch verliert die Zeit mit Bagatellen. Er verliert die Zeit, indem er über dieses Leben weint, das der Hauch eines Kindes mitten im Sturm ist, ein Sandkorn im Meer, ein Augenblick der Ewigkeit … Ich beneide niemanden … Ich will keine Freiheit, wenn sie mir nur dazu dient, das einzig Notwendige zu vergessen, und das ist die Liebe zu Jesus am Kreuz.

Wie leid tut mir die Welt! Sie weiß mitten in ihrem Verlangen nach Genuß und Glück nicht, daß die einzige Glückseligkeit darin besteht, das Kreuz Jesu zu umfangen und zu sterben unter Tränen des Schmerzes, unter Seufzern und Sehnsucht nach Himmel und Liebe.

Ich leide sehr …, ja. Manchmal ist die Last sehr groß, die ich auf meine schwachen und kranken Schultern genommen habe … Ich schaue zurück und sehe: das Leben ist schwer für den, der alles besaß und dem nichts fehlte! Ich schaue nach vorn, und der Anstieg zur Höhe, die ich erklimmen soll, erscheint mir so steil! Manchmal verbirgt sich Jesus so sehr! Mein Leben hat sich reduziert auf einen beständigen Verzicht auf alles. Und das ist nicht einfach für ein derart schwaches und gebrechliches Geschöpf wie mich …, und darum leide ich.

Und doch – o Wunder der göttlichen Gnade! – , ich begreife es doch: was mit mir geschieht, ist ihr Werk (ich weiß nicht, ob ich mich klar genug ausdrücke).

Ich empfinde eine wahnsinnige Freude darüber, daß ich für Jesus leiden darf; so hätte ich es mir nie ausmalen können. Täglich liebe ich mein Kreuz mehr und möchte es für nichts in der Welt missen … Ich erinnere mich an die Zeit, in der ich in der Welt glücklich, ja, sehr glücklich war: christliche Eltern, Wohlergehen, Gesundheit und Freiheit – alles lächelte mir zu … Wer denkt da an Leiden?

Jesus ruft mich: Einsamkeit und Armut, Krankheit, Eingeschlossensein ohne Sonne …, manchmal große Dunkelheit, die mich weinen läßt …; ich weiß nicht, was es ist.

Gott sehe ich nicht …, und mitten darin schreie ich mit allem Ungestüm meines Herzens … Wie glücklich bin ich!! Wieviel leide ich für Jesus!! Ich verlange nicht nach dem Glück der Welt; mit ihm wäre ich ein armseliger Mensch. Ich will für Ihn leiden, ohne Ihn zu sehen … Mir genügt das Wissen, daß es für Ihn ist. Die Welt begreift das nicht …; es ist sehr schwer zu verstehen. Ich weiß, daß die Gnade es bewirkt, aber ich kann mich nicht richtig ausdrücken.

Heute sprachen mein Bruder und ich über die Welt. Ich empfand Schmerz … Ich sah mich fern von allem, was mein Herz liebte und immer noch liebt, und glaube nicht, daß es unlauter ist. Wer von denen, die ein Herz haben, liebt nicht sein Vaterhaus? Und doch: Gott wirkt weiterhin in meiner Seele, und ich fühle tief drinnen einen Abstand von allem, den ich nicht erklären kann. Ich empfinde eine ganz zarte und liebevolle Zuneigung zu meinen Angehörigen, aber anders als früher. Ich erfahre eine tiefere Freude darüber, die Liebe Jesu nicht zu fühlen, als über eine mögliche spürbare Liebe der Geschöpfe. Meine Einsamkeit schmerzt mich, ich leide daran und möchte sie doch für nichts in der Welt entbehren. Ich weiß nicht, ob jemand das verstehen kann. Es ist so schwer zu erklären, warum man das Leid liebt! Aber ich glaube, die Deutung liegt darin, daß man es nicht als einen Wert in sich liebt, sondern als das, was es in Christus ist. Und wer Christus liebt, der liebt Sein Kreuz. Weiter kann ich nichts dazu sagen, obwohl ich es verstehe.

Ich liebe Jesus so sehr, daß ich nichts außer Ihm liebe. Und ich spüre, daß mich Jesus so sehr liebt, daß ich vor Schmerz sterben würde, wenn ich wüßte, daß ich jemanden mehr liebte als Ihn.
Ich fühle mich so sehr eins mit Seinem Willen, daß ich – wenn ich leide – nicht mehr leide, wenn ich bedenke, daß Er es so will.
Ich befinde mich in einer Lage, daß ich ganz benommen bin, wenn ich mich daran erinnere …
Ich hoffe, daß mir Jesus bald einen Führer schenkt [er denkt an seinen früheren Beichtvater, P. Teöfilo Sandoval], der mir das alles erklärt und für meine Seele richtungweisend ist, denn sonst werde ich wahnsinnig.

Ach, Herr Jesus, wie sehr liebe ich Dich!
Hätte ich tausend Leben,
Dir würde ich sie schenken …
Mit Deiner göttlichen Gnade
und der Hilfe Mariens
vermag ich alles.
Sei gepriesen!

(Aus: Nur Gast auf Erden 600f)

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Mit dem heiligen Rafael Arnáiz Barón von Septuagesima bis Ostern – (8/17)

Rafael wird am 9. April 1911 geboren; 15. Januar 1934 Eintritt in die Trappistenabte St. Isidro; 26. Mai 1934 verlässt er das Kloster wegen schwerer Diabetes; 11. Januar 1936 Rückkehr in die Abtei, er wird Oblate; am 29. September 1936 muss er wegen des Bürgerkrieges das Kloster verlassen; 6. Dezember 1936 Rückkehr ins Kloster; am 7. Februar 1937 muss er wieder wegen seiner Krankheit das Kloster verlassen; am 15. Dezember 1937 kehrt Rafael unter Verzicht auf die Bequemlichkeiten und die Fürsorge in seinem Elternhaus erneut und endgültig in die Abtei zurück. Todestag am 26. April 1938, gerade 27 Jahre geworden. – Rafael Arnáiz Barón erhielt das Ordenskleid der Trappisten „Angesichts des Todes“ und legte dabei die feierliche Profess ab.

Wie müde bin ich, Herr!

Hl. Rafael Arnáiz Barón notiert am 20. März 1938, dem 3. Fastensonntag:

Wie müde bin ich, mein Herr und mein Gott!
Wie lange noch, Herr, vergißt du meiner? … [Ps 13,1]
Wie sehr erfreut sich meine Seele jener Psalmen Davids, in denen er in seinem Überdruß darüber weint, daß er noch auf Erden lebt, und nach Dir verlangt!
Incola ego sum in terra [Ich bin nur Gast auf Erden (Ps 119,19)], wiederhole ich mir selbst sehr häufig.
Ich sehne mich nach dem Himmel und empfinde mich fremd und als Pilger auf der Erde. Wie müde bin ich, Herr!
Wie schwer fällt es mir oft, mit den Geschöpfen umzugehen, die mir von allem reden außer von Gott! …
Wieviel Kraft muß ich oft gegen mich selbst aufbringen, um nicht loszuschreien und Gott um Hilfe anzurufen mitten in dieser Verbannung, in der – wie die hl. Teresa sagt – alles ein Hindernis ist für die Freude an Ihm! […]

Wie lange noch, Herr?

Die Menschen ermüden mich, sogar die guten … Sie sagen mir nichts … Den ganzen Tag über habe ich Verlangen nach Christus, und mitten in meinem Verlangen nach dem Himmel und nach der Liebe zu Jesus trage ich schwer an meinem Leben, das immer noch an die Welt gebunden ist. Und notgedrungen muß ich mich damit aufhalten zu essen, zu schlafen. Wie ekelhaft! … […]

Herr, verzeih mir! Es ist Dein Wille.
Ich weiß nicht, was ich rede. Ich weiß nicht, was ich fühle …
Verzeih mir, Herr! Ich bin so müde!
Meine Seele leidet, weil sie sieht, daß ihr Deine Liebe fehlt;
Sie leidet, da sie sich im Gefängnis dieses armseligen Leibes sieht.
Ich bin krank, Herr, erbarme Dich meiner!
Ich war ein großer Sünder.
Ich weiß nicht, was ich will und was mit mir los ist …
Verzeih mir, Herr, was ich so von mir gebe! …

Du, der Du mein Herz bis ins letzte kennst,
kannst mich verstehen … Mit den Menschen ist das anders,
aber das ist mir einerlei … Mögen sie weitermachen mit dem,
was sie bewegt, mit ihrer Welt, mit ihren Sorgen, mit ihren
Eitelkeiten …! Ich, Herr, will nichts; nichts ist mir wichtig …,
ur Du! Achte nicht auf das, was ich rede!
Manchmal spiele ich verrückt.

Gestern wollte ich vor lauter Buße sterben; heute sehe ich,
daß ich nicht imstande bin, etwas zu tun, was Du nicht willst.
An Deinen Willen bin ich gebunden … Welche Freude!
Herr, beachte mich nicht! Ich bin ein wunderliches Kind …
Aber Du trägst die Schuld, mein Gott …
Wenn Du mich nicht so sehr liebtest! …

Versteh doch, mein Jesus, daß es sehr mühsam ist,
zu leben, weil Du mich nun einmal so liebst und
ich Dich so sehr liebe! … Und klar, so wirst Du verstehen,
daß ich manchmal die Sehnsucht verspüre, mich von diesem
Leib zu lösen, der mir so viel zu schaffen macht; daß ich wünsche,
wegzukommen von so vielen Geschöpfen, die nicht Du sind …;
daß ich müde werde vom Warten … Du siehst schon, Herr,
daß ich schwach und elend bin. Ich bin unfähig zu leiden,
ich bin unfähig, Deinen Willen zu erfüllen …

Ich bin ein armer Mensch, der im gleichen Augenblick,
da er danach verlangt, einzig und allein das zu tun,
was Du willst und wünschst, das Verlangen hat, sich zu Dir
zu erheben und Maria und die Heiligen zu sehen.

Welche Freude wird das sein an dem Tag,
an dem ich Maria mit dem hl. Evangelisten Johannes
sehen darf und den hl. Johannes vom Kreuz, den
hl. Bernhard, den hl. Franz von Assisi und
den hl. Josef, meine Beschützer;
auch die beiden Heiligen, die Dich so sehr liebten
und die mich so vieles lehrten:
Gertrud und Teresa von Jesus;
die hl. Therese von Lisieux … sowie alle Engel;
den großen hl. Rafael und meinen Schutzengel und …
Gut, und Dich, Herr, den ich so sehr liebe,
den ich anbete, den ich über alles liebe,
nach dem ich verlange, nach dem ich mich sehne,
um den ich weine und für den ich – Du weißt es genau,
mein guter Jesus – wahnsinnig werden möchte! […]

In mir ist all das, Herr, wie Du siehst,
und so kann ich nicht leben.
Ich sag’s Dir im Ernst, Herr:
ich bin ein armer Kerl …

Aber verzeih meine Kühnheit!
Wer bin ich, um so viel zu wagen?
Ich weiß nicht …, der Unwissende wagt alles,
und ich weiß oft nicht, wer ich bin und was ich war.
Erleuchte meine Finsternis, damit ich mich besser
kennenlerne und in dem Licht, das Du mir schenkst,
mein Elend, meine Sünden und meine großen
Missetaten erkenne, die ich noch lange Zeit
hier auf Erden beweinen muß!

Nimm keine Rücksicht auf mich, Herr, bis ich rein bin!
Sende mir Dein Licht, damit ich begreife;
die heilige Zerknirschung, damit ich weinen kann;
den Glauben, um mich nur auf ihn zu verlassen;
die Hoffnung, um meine Schwächen zu ertragen!
Und vor allem – alles übertreffend – erfülle mich, Herr,
mit Deiner unendlichen Zuneigung, mit Deiner Liebe! …
Erfülle, überströme, überschütte mich
mit der Freude über Deine unerschöpfliche Liebe …,
und laß mich wirklich wahnsinnig werden!

Verzeih mir, Herr, ich weiß nicht, worum ich bitte!…
Maria, Mutter, sei mir Hilfe und Richtschnur! So sei es!

(Aus: Nur Gast auf Erden 598f)

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