(Ausschnitte aus: Bernardin Schellenberger „Gott suchen-sich selbst finden. Erfahrungen mit der Regel Benedikts“. Kapitel: Das Stundengebet)
[Bernardin Schellenberger trat 1966 als Postulant in die Abtei Mariawald in der Eifel ein, einem Kloster der Reformierten Zisterzienser (OSCO), auch weithin ‚Trappisten‘ genannt. Er erlebte und beschreibt in seinem Buch „Gott suchen…“) die letzten Jahre einer Klosterwelt, „die es inzwischen in dieser Form nicht mehr gibt.“ Bedingt durch die Wirren der Nachkonzilszeit und der damit einhergehenden Veränderungen brach die alte Ordnung zusammen. Viele Mönche verließen den Orden und in Mariawald blieb am Ende von denen, die einmal eingetreten sind, nur ein Bruchteil übrig. – Weltweit finden sich heute wieder Menschen zusammen, die als Mönche so leben, wie es die alten Mönchsväter vorgelebt und überliefert haben. Manche dieser neuen Klöster stehen bereits in voller Blüte, andere befinden sich noch oder wieder im Aufbruch, so auch das Trappistenkloster Mariawald, wo seit einigen Jahren die alten Gebräuche aus jener Zeit wieder eingeführt wurden, von denen Bernardin Schellenberger in seinem Buch ausführlich berichtet.]
Bernhard von Clairvaux, Vater der Zisterzienser und der Trappisten, dem unzählige Mönche und Nonnen gefolgt sind, wie auch die Trappisten-Mönche von Mariawald, sprach:
„Es erleichtert uns die Mühen des gegenwärtigen Lebens und alles wird erträglicher, wenn wir uns mit Hingabe dem Lob Gottes widmen. Außerdem gibt nichts so sehr der Erde den Charakter einer Wohnstatt, in die der Himmel einkehrt, wie die frohe Begeisterung derer, die Gott loben. Darum heißt es in der Heiligen Schrift: ‚Selig, die in deinem Hause wohnen, Herr. In alle Ewigkeit werden sie dich loben‘ (Ps 83,5)“.
Wir hielten uns an seinen Rat: Siebenmal am Tag und einmal in der Nacht versammelten wir uns in der Kirche zum Gotteslob. Es bestand im Wesentlichen aus dem Singen von Psalmen und Bibeltexten und einigen Lesungen aus der Bibel. Dieses so genannte Stundengebet hat in der Kirche eine uralte Tradition. Es stellte bereits im 12. Jahrhundert, zur Zeit der ersten Zisterzienser, eine Art Synthese aus verschiedenen Gebetsübungen der frühen Kirche dar.
Ganz alt ist der Brauch der Christen, zur dritten, sechsten und neunten Stunde der römischen Tageseinteilung ein Gebet zu verrichten. Er geht auf die im Neuen Testament, nämlich in der Apostelgeschichte, genannten Gebetszeiten der Apostel, oder genauer: des Petrus zurück. Nachdem auf die am Pfingsttag Versammelten der Heilige Geist herabgekommen war und sie in ihrer Ekstase wie Betrunkene wirkten, versicherte Petrus in seiner Predigt: „Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint; es ist ja erst die dritte Stunde am Morgen“ (2,15). Als Petrus später in Joppe unterwegs war, „stieg er auf das Dach, um zu beten; es war um die sechste Stunde“ (10,9). Und an einer anderen Stelle wird gesagt: „Petrus und Johannes gingen um die neunte Stunde zum Gebet in den Tempel“ (3,1).
An den Bischofskirchen wurde außerdem schon früh ein gemeinsames liturgisches Morgen- und Abendgebet des Bischofs mit seinem Klerus üblich, aus dem sich die so genannten Laudes (ein Plural-Wort: „Lobpreisungen“) und die Vesper (vom römischen Begriff hora vespertina, „Abendstunde“) entwickelt haben dürften. Daneben gab es das Morgen- und Abendgebet der Gläubigen nach dem Aufstehen und vor dem Schlafengehen, das man als Vorläufer der Prim (vom lateinischen prima, „erste“ Gebetszeit) und der Komplet (vom lateinischen completus, von dem unser „komplett“ abgeleitet ist: also wenn der Tag beendet ist) betrachten könnte.
(B. Schellenberger. „Gott suchen…“. Das Stundengebet)
Siehe: Buchvorstellung