Mit Bargil Pixner OSB und Paul Badde auf dem Weg der Kreuzigung Jesu:
Er wird also auf dieses Kreuz geworfen. Die Nägel bohrten sich durch seine Hände. Allein der Klang der Hammerschläge peinigte das Trommelfell seiner Mutter wie ein Schwert, das in ihre Seele fuhr. Die Mitte der Handfläche wäre viel zu schwach, einen Menschen zu halten. Darum wurde der Nagel darunter in den Rist, unterhalb des Gelenks, eingeschlagen. Da ist die Hand viel kräftiger. Es waren grausamste Qualen.
Als die Annagelung fertig war und er beinahe wieder in Ohnmacht fiel, wurde dieser Balken mit Hilfe einer Leiter, die dort war, von Soldaten an Seilen hochgezogen auf den Senkrechtbalken. Oben war eine Art Gabelung, da wird ein Seil darübergeworfen, und dann wird es hochgezogen und kommt an Ort und Stelle.
Wie er dann droben ist, wird oben der Titulus mit dem Grund seiner Verurteilung angenagelt. Dieser Querbalken wird dann mit Stricken festgemacht. Schließlich werden auch die Füße angenagelt. Dafür war da eine Art Höcker, der aus dem Stamm herausragt. Da wird ein einziger Nagel durch beide Füße in dieses Holz geschlagen. Nun hängt Jesus am Kreuz. Es ist furchtbar. Man muss sich das so vorstellen:
Er hängt an den Händen und immer wieder sackt er zusammen. Beim Zusammensacken klemmt die Lunge ein, dass er fast daran erstickt. Um nicht zu ersticken, muss er sich wieder hochziehen. Hebt er sich wieder hoch, mit den Beinen über die angenagelten Füße, für eine Zeitlang, dann sackt er auch schon wieder zusammen.
So geht es hin und her, hinauf und herab. Eine furchtbare Qual. Jesus ist dann ›zu früh‹ gestorben. Nach der Geißelung, nach der Dornenkrönung und allem, was er mitgemacht hat, war er nach sechs Stunden schon tot. Den Verbrechern neben ihm, die vor Beginn des Sabbats immer noch nicht tot waren, hat man nach seinem Tod die Beine zerschlagen, damit sie sich nicht mehr aufrichten konnten. Danach erstickten sie einfach bei den durchhängenden Armen und der eingequetschten Lunge.
Bei Jesus ist das nicht geschehen. Jesus hat man mit einer Lanze durchbohrt, um zu sehen, ob er wirklich tot war. E in Offizier stößt die Lanze in sein Herz, da kommt Blut und Wasser heraus; das Blut zersetzt sich schon. Er war tot, eindeutig.«
»Als Jesus hier hing, in welche Richtung hat er da geschaut?«
»Über die Mauer hinweg, Richtung Stadt und Tempel.«
»Sein letzter Blick ging auf den Tempel, in den ihn Maria schon als Kind getragen hatte?«
»Ja, sehr wahrscheinlich. Das wollten sich die Römer bei diesem König der Juden sicher nicht nehmen lassen. Er schaute wohl nach Osten, auf den Tempel. Diesem letzten Blick entspricht auch sein letztes großes Gebet:
›Eli, eli, lama sabatanu‹ – Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Dabei schaut er auf den Tempel hin. Es ist der 22. Psalm, der so anfängt und der am Schluss mit einem großen Lobpreis Gottes endet. Am Schluss heißt es da: ›Es ist vollbracht!‹ – Doch Gott hat hier alles vollbracht.
Diesen Psalm hat er gebetet mit Unterbrechungen, wie seine Lunge es zuließ. Wenn die Kraft ausging, hat er den Psalm schweigend weitergebetet. ›Mich dürstet‹ findet sich auch in diesem Psalm. ›Die Zunge klebt mir am Gaumen.‹ Alles ist in diesem Psalm 22 drin.
Dann bringt man ihm Essigwasser. Er nippt davon. Er betet dann immer weiter. Dann schaut er herunter. Der Tod kommt näher.
In diesem Psalm 22 heißt es auch: ›Du hast mich aus der Mutter gezogen. Ich bin dein von Jugend auf, von Kindheit an.‹ Da sieht er die Mutter unter sich und sieht, wie Johannes dort steht – und er sagt zu ihnen: ›Mutter, sieh da, dein Sohn‹, und zu dem Apostel: ›Sohn, sieh da, deine Mutter!‹ –
Diese Szene berührt mich ungeheuerlich. Denn diese zwei Familien, musst du wissen, die Familie
Jesu und die Familie der Zwölf standen sich fremd gegenüber: die Brüder in Nazareth und seine zwölf Jünger in Kapharnaum.
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Paul Badde
Heiliges Land.
Auf dem Königsweg aller Pilgerreisen
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