„Grund für eine Berufung“ (2/2)

Jesus sagte „Komm!“
(Offb 22,17).

Ich hatte Gelegenheit, die reine Luft und den lieblichen Wohlgeruch des vollkommen der Kontemplation geweihten Lebens einzuatmen, in einer Gemeinschaft […] der Unbeschuhten Karmelitinnen […].

Eine Klausur, die „als Geschenk empfangen und als freie Antwort der Liebe gewählt“ wurde (vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 59): zwanzig Frauen, junge oder junggebliebene (es ist wirklich wahr, daß die Kontemplativen einfach nicht älter werden!).

Wer in dieses Kloster kommt, wie in die vielen kontemplativen Männer- oder Frauenklöster auf der ganzen Welt, nimmt diese tiefe, reine Freude wahr, die hier herrscht; kann erfahren, wie schön es ist, mit offenen Armen aufgenommen, auf ewig geliebt zu werden, wie schön es ist, statt des eigenen rissigen und versiegelten Kruges, so eifersüchtig bedacht auf sich selbst und seine wenigen bitteren Tropfen Wassers, einen bis an den Rand gefüllten Kelch vorzufinden, ein Herz, das offen ist für die großen Bedürfnisse der Menschen und der Geschichte, offen für den, der die Begegnung sucht, die Gemeinschaft, offen für alle nach Gott und seiner Liebe Hungernden und Dürstenden.

Ihre tiefempfundene Freude zeigt sich in dem offenen Lächeln, dem wir in den von der Begegnung mit Gott verklärten Augen und Gesichtern begegnen, die nach und nach verwandelt; zeigt sich in einer Gemeinschaft, wo für Vulgarität und Falschheit kein Platz ist, sondern vielmehr für eine Atmosphäre der Wahrheit und der Aufrichtigkeit, eine Zuneigung, die sich nicht von menschlichen Dingen beeinflussen läßt.

Somit wird die Klausur, „Ort der spirituellen Gemeinschaft mit Gott“, Ort der Liebesgemeinschaft „von Brüdern und Schwestern“, wo „die Raum- und Kontaktbeschränkung zum Vorteil der Verinnerlichung der evangelischen Räte gereicht“ (VC 59).

Wie Terese von Lisieux schrieb, ist der Platz der Kontemplativen im Herzen der Kirche, und ihre Berufung ist Liebe: „Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich Liebe sein, und werde alles sein“.

Diese Männer und Frauen stellen ihr Leben ganz in den Dienst der Kirche, der Bischöfe, der Priester, der Zweifelnden, der Leidenden, derer, die fern sind von Gott, aller Tragödien und Bedürfnisse der Menschheit: trotz der Klostermauern – oder, auf irgendeine geheimnisvolle Weise vielleicht gerade durch sie –, die sie von der Welt trennen, durch den engen und unendlichen Raum ihrer Klausur, sind sie mit ihrem Leben im Verborgenen präsent, diesem Leben der Liebe und des Opfers für alle Dramen der Welt und der Kirche. Werden zur Quelle, aus der jeder Mann und jede Frau Kraft, Freude, Ruhe, Mut schöpfen kann, in einer kontinuierlichen Gemeinschaft, gemacht aus einfachen Worten, geistlichem Beistand, was jeder, der an diese Klosterpforten klopft, konkret erfahren kann.

Die Klausur ist also der Ort, wo die Braut Kirche ihrem Bräutigam Ruhm verleiht und ihm, bewegt von dem in ihr wohnenden Geist, zuruft:

„Komm!“
(Offb 22,17).

Alle Kontemplativen wiederholen gern und voller Staunen das Gebet der hl. Maria Magdalena de’ Pazzi:

„O Bräutigam, o Wort, so will ich dich immer nennen. Bewundert meinen Bräutigam, das Wort, seht, wie schön er ist, wie groß, wie würdig, wie strahlend sein Antlitz. O Bräutigam, o mein geliebtes Wort! O, Geschöpfe, die ihr von ihm geschaffen wurdet, was tut ihr? Euch alle lade ich ein, seine Größe zu bewundern und zu betrachten, seine Pracht und seine Herrlichkeit.“

(von Franc Kardinal Rodé CM, notiert in 30giorni, 12, 2004)

Franc Kardinal Rodé CM (* 23. September 1934 in Ljubljana, Slowenien), Mitglied der Kongregation der Mission (Congregatio Missionis – CM), auch bekannt unter den Namen Vinzentiner oder Lazaristen. Rodé war Erzbischof von Ljubljana. Ab 2004 war er Präfekt der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens. 2006 erhielt er von Papst Benedikt XVI. den Kardinalshut.

Einkleidung einer Karmelitin im Karmel Himmelspforten
Foto: http://www.karmelitinnen-wuerzburg.de.jpg

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