Noch einmal Tatjana Goritschewa

(von Barbara Wenz)

Tatjana Goritschewa – scharfe Kritikerin der deutschen katholischen Theologie

Ich lese zur Zeit ihre Werke – sie war eine zum Glauben gekommene russische Philosophin – und habe gemeinsam mit einer lieben Freundin, die mit ihr befreundet war und in engem Briefwechsel stand, einen Artikel über sie für die kommende Ausgabe des Vatican-Magazin geschrieben. Dass die osteuropäischen Dissidenten aus der Zeit des Kalten Krieges heute praktisch aktueller sind denn je, hat ja bereits Rod Dreher in seinem jüngst auf Deutsch erschienenen Buch „Lebt nicht mit der Lüge!“ festgestellt. Die folgende Passage aber hat mich aufhorchen lassen. Sie stammt aus ihrem Titel „Unaufhörlich sucht der Mensch das Glück“:

„Die Zeit liegt lange hinter mir, als ich an einer theologischen Hochschule in Deutschland [Anm. BW: Sankt Georgen in Frankfurt] studierte und die Erfahrung machen musste, dass da mehr über Gott gelacht wurde, als dass man, von seiner Größe und Herrlichkeit ergriffen, seine Wirklichkeit verkündet hätte. … Ich fahre auch schon lange nicht mehr auf theologische oder exegetische Tagungen, wo etwa selbstzufriedene modernistische Exegeten mit gelehrter Miene beweisen wollen, dass es den „Stern von Bethlehem“ nie gegeben hat (interessant genug, woher sie das so genau wissen) und dass selbst „Bethlehem“ nie existiert hat. … „Dass Jesus in Bethlehem geboren wurde, das haben sich doch die Evangelisten nur ausgedacht. Eine ergreifende Unwahrheit, wollten sie doch nur, dass die alten Prophezeiungen in Erfüllung gehen.“ Und weiter erzählte man uns, dass Isaak älter als Abraham war und folglich nicht sein Sohn sein konnte und dass es natürlich auch das Opfer des Abraham nicht gegeben hat.

Eine schreckliche Erinnerung habe ich an eine Versammlung, bei der die Teilnehmer überwiegend katholische Priester waren. Als ich von der Wichtigkeit des Kreuzes sprach („Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach“) stürzten sie sich auf mich wie auf eine Verbrecherin: „Das ist doch Masochismus.“ „Das Kreuz kam im Christentum erst sehr spät auf, die ersten Christen kamen auch ohne Kreuz aus“, so hielt man mir entgegen – aber die ersten Christen wurden eben auch gekreuzigt, deshalb brauchten sie das Symbol des Kreuzes nicht. …

„Was ist dann, Ihrer Meinung nach, das Ziel des christlichen Lebens?“, fragte ich diese gelehrten Männer. Eine Antwort: „Das Ziel ist, dass die ganze Gemeinde reich und gesund ist.“ Welch Primitivismus, welche Abgeschmacktheit! So weit sind nicht einmal die Bolschewiki heruntergekommen. Denn die Kommunisten möchten Reichtum und Gesundheit für alle, nicht nur für sich selbst. Und doch waren das keine dummen Leute, die das gesagt hatten. Im Gegenteil, an sich waren diese kirchlich bestallten Ausleger des Wortes Gottes sympathische, gebildete Menschen, die ihren Nächsten Gutes wünschten. Nur beten konnten sie überhaupt nicht (obwohl, wie gesagt, fast alle Priester waren). Die meisten sagten, dass die „Periode des Gebets“ bei ihnen schon weit zurückliege. Während eines äußerst kurzen „Gottesdienstes“, der diese Bezeichnung kaum verdiente [okay, alles, was unter zwei Stunden dauert ist kein Gottesdienst aus orthodoxer Sicht 🙂 – Anm. BW], erhellte sich das Gesicht nur bei einer alten Frau „aus dem Volk“, die sich zufällig dort eingefunden hatte. Die übrigen aber saßen wie vorher schon mit kalten und gleichmütigen Mienen da, als ob da irgendein Tagungsgeschehen abliefe.

Nach solchen „Konferenzen“ werde ich für gewöhnlich physisch krank […]“

Dies notierte am 18. September 2023 die Journalistin und Autorin Barbara Wenz – https://www.barbara-wenz.de

Und in ihrem Blogbeitrag schreibt Barbara Wenz weiter:

Soweit die Goritschewa. Und es hat sich in 40 Jahren nix geändert, denn exakt so lief eine Präsenzveranstaltung des „Fernkurs Theologie Würzburg“ vor ein paar Jahren ab. Der Dozent erzählte uns genau dasselbe zu Bethlehem, Priester nahmen jedoch nicht teil. Und ich war die einzige Frau, die gegen Frauenweihe war.

Ich habe was mit Goritschewa gemeinsam. Das hat mich gefreut. Ja, und die alten Frauen „aus dem Volk“ sind es hüben wie drüben, die für ihre Kirche alles täten und auch tun.

Mein Dank geht an Frau Barbara Wenz – https://www.barbara-wenz.de

+

Hinterlasse einen Kommentar