Der Kreuzestod Jesu unter medizinischen Gesichtspunkten (4/5)

Der Kreuzestod Jesu unter medizinischen Gesichtspunkten(Der besseren Lesbarkeit willen wird an dieser Stelle auf die im Original angegebenen Verweise verzichtet.)

Von Dr. med. Ewa Kucharska

(7) Wahrscheinlichkeit der Beschädigung der Leber,
der Milz und des Pankreas von Christus

Wahrscheinlich konnte es infolge von zahlreichen Schlägen zur Beschädigung der Leber, der Milz oder des Pankreas kommen. Die durch Hängen erzwungene Position von Jesus am Kreuz verursachte Störungen der Hämostase seitens der Nieren und Ausscheidungssystem, letztendlich mit Niereninsuffizienz, Azidose. Es erfolgte der Abfall der Kreatinin-Clearance mit dem Anstieg des Harnstoffs und der Kreatinin im Plasma.

Wegen der fortschreitenden Azidose sowie der starken Schmerzen kam es zu den Änderungen im zentralen und peripheren Nervensystem, zur Unterbrechung der afferenten Leitungsbahnen und des Reflexbogens. Es kam auch zu den Störungen bei der Synthetisierung von Neurotransmittern im Nervensystem. Die sich verstärkende Schmerzen und Leiden lösten depressive Störungen aus, die sich aus den Hirndurchblutungsstörungen ergaben.

Man kann fragen, ob die moderne Medizin das Leiden von Christus hätte verringern oder lindern können. Dank der Entwicklung der Medizin und dem Fortschritt der Methoden der Bilddiagnostik wäre es heute leichter, die Beschwerden von Christus zu diagnostizieren. Wir wissen, dass die auf den Kopf von Jesus aufgesetzte Dornenkrone starke Schmerzen verursachte, was mit gut durchbluteter und empfindlicher Kopfhaut verbunden ist.

Die fortschreitende Entwässerung des Organismus und der Blutverlust verursachten sich verstärkende Störungen der Hämostase. Schmerzen des Körpers und die seelische Angst, die die Widerstandsfähigkeit des Menschen übersteigen, verursachten das Reißen kleiner Blutgefäße auf der Haut und Blutergüsse in die inneren Organe. Dies führe zum Ver sagen mehrerer Organe und Schock. Die Nägel wurden durch den Destot-Raum getrieben und verursachten nicht die Blutung, sondern starke Schmerzen.

Wie Dr. Frederick Zugibe angibt, verursacht das Durchstechen dieser Stelle und der sich dort befindenden Nerven so intensive Schmerzen, dass sogar das Morphin sie nicht lindern könnte17. Die Schmerzen in der Nähe der Handwurzel ist mit der dortigen starken Innervation verbunden; deshalb sind sie lähmend, brennend, stechend und verlagern sich zum Rückenmark. Dr. Stefan Cofta betont das Vorhandensein von Schmerzen und Schwindelgefühlen, Fieber des ununterbrochenes Durstes sowie Scham und Qual. Alle diese Elemente könnten den Verlust des Bewusstseins verursachen. Jede Zelle und jedes Element war von den Störungen der Hämostase betroffen.

Ein kontinuierlicher Blutverlust verursachte Entwässerung und Nierenstörungen. Die Beschädigung des Nervensystems löste Schwierigkeiten beim Sprechen aus. Zu betonen ist die Rolle des seelischen Erlebens und des Stresses, die zur Ruptur des Herzens und zu den plötzlichen Schmerzen hinter dem Brustbein führen könnten. Wie der Physiologe Prof. Samuel Houghton hervorhebt, führten zum Tode von Jesus mehrere Ereignisse im Zusammenhang mit der Kreuzigung; die Herzruptur war nur eine Folge. Vielleicht, wie manche beweisen, war nicht das Herz, sondern die Lunge das erste Organ, welches das immer größere Körpergewicht des sterbenden Jesus nicht aushalten konnte? Das Fieber war höchstwahrscheinlich posttraumatisch.

Die zum Geißeln verwendeten Werkzeuge, d.h. Stöcke, Ledergürtel mit Blei- und Stahlkugeln sowie Knochen steigerten die Schmerzen. Die Schläge verursachten, dass die Haut abfiel. Die Muskeln und die Knochen wurden langsam sichtbar.

Das Schlagen mit Zuckerröhren war sehr schmerzhaft. Die Faktoren, die die Beschwerden verstärkten, waren Klimabedingungen; die Sonnenexposition über mehrere Stunden verursachte beim Opfer Sonnenstich und Entwässerung. Es ist oft zur Eiterung und Infektion der Wunden gekommen. Jesus hatte wahrscheinlich einen angeschwollenen Kehlkopf, Luftröhre und verstopfte Halsadern. Wahrscheinlich ist es zur Beschädigung des Rückenmarkes und zu Muskelkrämpfen gekommen.

Man kann vermuten, dass es zuerst zu den spastischen Krämpfen der Gesichtsmuskeln und dann zur Verminderung der Spannung gekommen ist. Muskelkrämpfe lösen Krämpfe der Gesichtsmuskeln und eine seitliche Verzerrung des Mundes aus. Es kommt zum Öffnen und zur Verbreitung von Lidern, unter denen Augenäpfel und Sklera sichtbar sind. Der Wundstarrkrampf löst eine erzwungene Körperstellung. Die moderne Medizin erwägt, ob die Schmerzen von Christus eingeschränkt werden könnten.

In so extremen Situationen kann dem Patienten Sedation, also eine Art Betäubung des Nervensystems angeboten werden. Initiierte Bewusstlosigkeit verringert Schmerzen beim Kranken. Die Ärzte behaupten, dass der Schmerzenskomplex, der sich aus der Kreuzigung ergibt, Schmerzsymphonie genannt wird.

Gemäß der Definition der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes ist Schmerz ein unangenehmes Sinnes oder Gefühlerlebnis, das mit tatsächlicher oder potentieller Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache. Schmerzrezeptoren sind Nozizeptoren. Schmerz wird auch durch jeden supramaximalen Reiz für den jeweiligen Rezeptor ausgelöst, z.B. starke Lichtimpulse verursachen Schmerz der Augenäpfel, ein starker akustischer Reiz verursacht Schmerz im Ohr. In der Psychologie definiert man Schmerz als Trieb, der entsprechende Verhaltensformen des Tieres auslöst, die dazu führen, dass es durch das Lernen die Wirkung des Reizes oder den Reiz selbst vermeidet. Den Schmerz begleitet die Anregung des Symphatikus (Beschleunigung des Herzschlags, Anstieg des Blutdruckes) und erhöhte Absonderung mancher Hormone (z.B. Hormone der Nebennierenrinde). Schmerz hat eine wesentliche Bedeutung für die Erkennung und die Lokalisierung des Krankheitsprozesses. Misserfolg bei der Behandlung von akuten Schmerzen kann in manchen Fällen zur Entwicklung von chronischen Schmerzen führen.

(Dr. med. Ewa Kucharska: „Der Kreuzestod Jesu unter medizinischen Gesichtspunkten“ – Erschienen in THEOLOGISCHES, Juli/August 2014)

The Crucifixion. Gustav Dore

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