Transfiguration – ER zeigte ihnen nicht alles

Und nach sechs Tagen nahm er den Petrus, Jakobus und Johannes, dessen Bruder, auf einen sehr hohen Berg und ward vor ihnen verklärt. Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht“. Die Männer, von denen er gesagt hatte, daß sie den Tod nicht kosten würden, bevor sie das Vorbild seiner Ankunft geschaut hätten, sind diejenigen, die er mitnahm und auf den Berg führte.

Er zeigte ihnen, wie er am Jüngsten Tage in der Herrlichkeit seiner Gottheit und im Körper seiner Menschheit kommen werde.

Er führte sie auf den Berg, um ihnen zu zeigen, wer der Sohn sei und wessen Sohn er sei. Denn als er sie fragte: „Für wen geben die Leute mich, den Menschensohn, aus?“ antworteten sie ihm: „Die einen für den Elias, die anderen für den Jeremias oder für einen der Propheten.“ Daher führte er sie auf den Berg und zeigte ihnen, daß er nicht der Elias sei, sondern der Gott des Elias; daß er auch nicht der Jeremias sei, sondern jener, der den Jeremias im Mutterleibe geheiligt hat; daß er auch keiner der Propheten sei, sondern der Herr der Propheten, der sie gesandt hat. Er zeigte ihnen auch, daß er der Schöpfer des Himmels und der Erde und der Herr der Lebenden und der Toten sei. Denn er gebot dem Himmel, und dieser ließ den Elias herabkommen; er winkte der Erde, und diese erweckte den Moses.

Er führte sie auf den Berg, um ihnen zu zeigen, daß er Gottes Sohn sei, der vor aller Zeit vom Vater erzeugt wurde, am Ende der bestimmten Zeit aus der Jungfrau Fleisch annahm und, wie er selbst wußte, ohne Zeugung und auf unaussprechliche Weise geboren wurde, indem er die Jungfrauschaft [seiner Mutter] unversehrt bewahrte. Denn wo Gott will, wird die Ordnung der Natur überwunden. Gott, das Wort, wohnte im Schoße der Jungfrau selbst, und doch verbrannte das Feuer seiner Gottheit die Glieder des Leibes der Jungfrau keineswegs, sondern er bewahrte sie die Zeit der neun Monate hindurch unverletzt. Er wohnte im Mutterschoße der Jungfrau und ekelte sich nicht an dem Gestank der Natur. Er trat aus ihr als fleischgewordener Gott hervor, um uns zu erlösen.

Er führte sie auf den Berg, um ihnen die Herrlichkeit der Gottheit zu zeigen und ihnen kund zu tun, daß er der Erlöser Israels sei, wie er es durch die Propheten geoffenbart hatte, damit sie nicht an ihm Anstoß nähmen, wenn sie seine freiwilligen Leiden sähen, die er als Mensch für uns erdulden würde. Sie kannten ihn nämlich nur als Menschen und wußten nicht, daß er Gott sei. Sie kannten ihn als den Sohn Mariens, als einen Menschen, der mit ihnen in der Welt umherwandelte, aber auf dem Berge tat er ihnen kund, daß er Gottes Sohn und Gott sei. Sie sahen ihn essen und trinken, müde werden und ausruhen, schläfrig werden und schlafen, sich fürchten und schwitzen. All dies entsprach nicht der Natur seiner Gottheit, sondern nur seiner Menschheit. Daher führte er sie auf den Berg, damit der Vater ihn den Sohn nenne und ihnen zeige, daß er in Wahrheit sein Sohn und Gott sei.

Er führte sie auf den Berg und zeigte ihnen sein Reich vor seinem Leiden und seine Macht vor seinem Tode und seine Herrlichkeit vor seiner Beschimpfung und seine Ehre vor seiner Entehrung, damit sie, wenn er von den Juden gefangen und gekreuzigt würde, erkennen möchten, daß er nicht aus Schwäche gekreuzigt worden sei, sondern aus freiem Willen, weil es ihm so gefiel, zum Heile der Welt. Er führte sie auf den Berg und zeigte ihnen vor der Auferstehung die Herrlichkeit seiner Gottheit, damit sie, wenn er in der Herrlichkeit seiner göttlichen Natur vom Tode erstanden wäre, erkennen möchten, daß er die Herrlichkeit nicht zur Belohnung seines Leidens erhalten habe, als ob er ihrer bedurft hätte, sondern daß sie schon vor aller Zeit mit dem Vater und bei dem Vater sein eigen gewesen sei, wie er ja selbst, als er in das freiwillige Leiden ging, sagte: „Vater, verherrliche mich mit der Herrlichkeit, die ich bei Dir hatte, ehe die Welt war!“ Diese unsichtbare und in der Menschheit verborgene Herrlichkeit seiner Gottheit zeigte er den Aposteln auf dem Berge; denn sie sahen sein Angesicht leuchten wie einen Blitz und seine Kleider weiß wie das Licht. Zwei Sonnen erblickten dort die Jünger: eine am Himmel, wie gewöhnlich, und noch eine auf ungewöhnliche Weise, eine, die ihnen allein schien, nämlich sein Angesicht. Seine Kleider aber zeigte er weiß wie Licht, weil aus seinem ganzen Körper die Herrlichkeit seiner Gottheil hervorquoll und sein Licht allen seinen Gliedern entstrahlte; denn nicht wie bei Moses leuchtete nur äußerlich sein Fleisch in hellem Glänze, sondern die Herrlichkeit seiner Gottheit quoll aus ihm hervor. Sein Licht ging auf und blieb in ihm gesammelt, es ging nirgend anderswohin und verließ ihn nicht. Es kam ja auch nicht von anderswoher, um ihn zu verklären; es war ihm nicht etwa zu zeitweiligem Gebrauche geliehen. Er zeigte auch nicht das ganze unergründliche Meer seiner Herrlichkeit, sondern nur soviel ihre Augensterne zu fassen vermochten.

Ephräm der Syrer (306-373)
Rede über die Verklärung Christi

Verklärung Christi – Deckengemälde, Dorfkirche Irschen, Kärnten

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