Reinigungsort Fegfeuer

Der Gedanke an das Fegfeuer ist weit mehr geeignet, uns Trost als Furcht einzuflößen. Sind auch wirklich die Peinen des Reinigungsortes so groß, daß die äußersten Schmerzen dieses Lebens nicht damit verglichen werden können, so sind doch auch die innerlichen Wonnen dort so wunderbar, daß keine Glückseligkeit und Lust dieser Erde ihnen gleichkommt.

Denn:
1. sind die Seelen in beständiger Vereinigung mit Gott;
2. haben sie sich dort seinem heiligen Willen vollkommen unterworfen; ihr Wille ist so innig in den Willen Gottes umgebildet, daß sie nur wollen, was Gott will, so daß sie, wenn auch die Pforten des Himmels ihnen offen stünden, es nicht wagen würden, vor Gott zu erscheinen, solange sie noch Spuren der Sünde in sich wahrnehmen;
3. reinigen sie sich dort freiwillig und in Liebe, nur um Gott zu gefallen;
4. wollen sie dort auf die Weise sein, wie es Gott gefällt und solange es ihm gefällt;
5. sind sie unsündlich; sie haben auch nicht die geringste Regung der Ungeduld und begehen nicht den mindesten Fehler;
6. lieben sie Gott über alles, mit vollendeter, reiner und uneigennütziger Liebe;
7. werden sie dort von den Engeln getröstet;
8. sind sie ihres Heiles gewiß und in einer Hoffnung, die nimmermehr in ihrer Erwartung zu Schanden wird;
9. ist ihre bitterste Bitterkeit im tiefsten Frieden;
10. ist auch dieser Ort hinsichtlich des Schmerzes eine Hölle, so ist er doch auch ein Paradies hinsichtlich der Lieblichkeit, welche die Liebe Gottes in ihr Herz ergießt: eine Liebe, die stärker ist als der Tod und mächtiger als die Hölle;
11. ist dieser Stand mehr zu ersehnen als zu fürchten, denn die Flammen dort sind Flammen heiliger Sehnsucht und Liebe;
12. sie sind aber dennoch furchtbar, weil sie unsere Vollendung verzögern, die darin besteht, Gott zu schauen und zu lieben und durch diese Anschauung und Liebe ihn in der ganzen, unermeßlichen Ewigkeit zu loben und zu verherrlichen.

(Eine Zusammenfassung der Lehre der Heiligen über den „Reinigungsort Fegfeuer“ durch Franz von Sales, in THEOLOGISCHES 1970 Nr. 5)

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