Christus wahrhaft lieben

Gerade die Liebe sind wir … dem Heiligen Geiste schuldig!

Weil er Gott ist: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele und aus allen deinen Kräften (Dtn 6,5). Ihm gebührt ferner Liebe, weil er die wesenhafte, die erste, die ewige Liebe ist. Nichts ist ja liebenswerter als die Liebe selbst. Umso mehr sind wir dazu verpflichtet, als er uns mit den größten Wohltaten überhäuft, die im gleichen Maße, wie sie Beweise seines Wohlwollens sind, vom Empfänger wahre Herzensdankbarkeit fordern.

Diese Liebe trägt uns doppelten Segen ein, und zwar keinen geringen; denn einmal wird sie unseren Verstand schärfen, damit wir die Wahrheiten über den Heiligen Geist stets klarer erkennen; sagt doch der heilige Thomas: ‚Der Liebende ist nicht zufrieden mit einer oberflächlichen Erfassung dessen, was er liebt, sondern er sucht alle Einzelheiten des geliebten Gegenstandes eingehend zu erforschen; so dringt er tief in dessen Inneres ein, wie es vom Heiligen Geist, der die Liebe Gottes ist, heißt, daß er auch die Tiefen der Gottheit erforscht‘ (I-II q. 28 a.2. – vgI. 1 Kor 2,10).

Sodann wird sie uns ein reicheres Maß von übernatürlichen Gaben sicherstellen; wie nämlich Herzenskälte die Hand des Gebers verschließt, so wird diese durch einen dankbaren und erkenntlichen Sinn geöffnet.

Es ist jedoch sehr darauf zu achten, daß sich diese Liebe nicht nur auf dürres Wissen und auf äußerliche Ehrerbietung beschränke; sie soll sich vielmehr in unserem ganzen Tun und Lassen bekunden, am allermeisten in der Vermeidung der Sünde, beleidigt sie doch in besonderer Weise den Heiligen Geist. Denn was immer wir sind, das verdanken wir der göttlichen Güte, die insbesondere dem Heiligen Geiste zugeeignet wird. Ihn, seinen Wohltäter, beleidigt also der Sünder, der gerade im vermessentlichen Vertrauen auf die Gaben seiner Güte sich täglich anmaßender gebärdet.

Freilich, wenn jemand aus Schwäche oder Unverstand sündigt, so ist er vielleicht vor Gott noch entschuldbar, da der Heilige Geist der Geist der Wahrheit ist; wer jedoch aus Bosheit der Wahrheit widersteht und sich von ihr abwendet, der versündigt sich sehr schwer gegen den Heiligen Geist. (…) Da aber, wie Wir oben erwähnt haben, der Heilige Geist in uns wie in einem Tempel wohnt, sollen wir auch jene Worte des Apostels beherzigen: Betrübet nicht Gottes Heiligen Geist, mit dem ihr besiegelt seid (Eph 4,30). Dabei genügt es aber nicht, alles Ungeziemende zu meiden; um seinem großen und gütigen Gaste zu gefallen, muß der Christ vielmehr im Glanze aller Tugenden leuchten, besonders durch Keuschheit und Frömmigkeit. Denn Keuschheit und frommer Sinn sind der Schmuck des Tempels. Deshalb lesen wir bei demselben Apostel: Wißt ihr nicht, daß ihr ein Tempel Gottes seid, und daß der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn aber jemand den Tempel Gottes entheiligt, wird ihn Gott zugrunde richten, denn der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr (1 Kor 3,16). Eine furchtbare, aber vollkommen gerechte Drohung!

Schließlich müssen wir den Heiligen Geist inständig anrufen, da jeder von uns seines Schutzes und Beistandes dringend bedarf.

Auszug aus der Enzyklika Divinum illud munus über den Heiligen Geist von Papst Leo XIII. (1810–1903) aus dem Jahr 1897.

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