Das katholische Europa im Jahr 2048?

Eine Buchempfehlung

Kein Geringerer als Papst Benedikt XVI. hat in dem 2016 erschienenen Buch „Letzte Gespräche“ seine Sorge um die Zukunft Europas und des Christentums geäußert: „Wie Europa sich entwickeln wird, wie weit es noch Europa sein wird, wenn andere Bevölkerungsschichten es neu strukturieren, wissen wir nicht. […] Das Wort des Evangeliums kann natürlich aus Kontinenten verschwinden. Wir sehen ja, die christlichen Kontinente des Anfangs, Kleinasien und Nordafrika, sind nicht mehr christlich. Es kann auch in Räumen verschwinden, wo es groß war.“

Der im Vatikan verpönte schwarzafrikanische Kurienkardinal Robert Sarah äußerte ebenfalls seine Sorge um Europa. Nicht nur der Kultur, auch den Menschen drohe in Europa der Tod durch Trennung von den eigenen Wurzeln und durch den Abbruch der Weitergabe seines Erbes. „[D]ie größte Sorge besteht darin, dass Europa den Sinn für seine Ursprünge verloren hat. Es hat seine Wurzeln verloren. Und ein Baum, der keine Wurzeln hat, stirbt ab. Ich habe Angst, dass der Westen stirbt. Es gibt viele Anzeichen dafür. Niedrige Geburtsraten. Und ihr seid schließlich von anderen Kulturen überströmt, von anderen Völkern, die euch fortschreitend in ihrer Zahl dominieren und eure Kultur vollkommen verändern werden, eure Überzeugungen, eure Werte.

Der deutsche Philosoph und Katholik Prof. Robert Spaemann sagte erst kürzlich: „Eine Kirche, die sich anpaßt, wird nicht mehr imstande sein, zu missionieren“. Wird die Kirche sterben? Oder wird es Martyrer geben, die ihr Leben für Gott und seine Kirche ihr Leben hinopfern?

Ausgerechnet eine russisch-orthodoxe Schriftstellerin hat bereits im Jahre 2005 die Gedanken der zitierten Kirchenmänner in einen Roman einfließen lassen, in dem sie Jahrzehnte vorausschauend das Elend Europas und des Christentums beschreibt. Jelena Tschudinowa veröffentlichte ihren Roman zunächst in Russland, ehe er nun unter dem Titel „Die Moschee Notre-Dame. Anno 2048“ auch in deutscher Sprache erscheinen konnte. Diese Ausgabe wurde von der Autorin mit einem Nachwort versehen, in dem sie sich speziell an die deutschen Leser wendet. Zwar schreibt sie, ihr Buch sei „nicht prophetisch“, „sondern eine Warnung“, ja, sie „hoffe sogar“, dass man ihr Buch „vergessen könne“, wenn man alles „in den Griff bekommen habe“. Doch vielleicht bleibt wirklich nur die Hoffnung, „dass es dem herrlichen Kölner Dom erspart bleiben wird, in eine Moschee verwandelt zu werden“, denn dies ist das Schicksal von Notre-Dame in Paris.

Doch gibt es in Tschudinowas Paris einen neuen lebendigen Katholizismus. Ihn siedelt sie im Umfeld jener Katholiken an, die erkannt haben, dass die sogenannten Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils die Kirche nicht nur in eine schwere Krise beschert, sondern an den Rand der Vernichtung geführt hat. Es handelt sich um jene, die widerstanden haben und von der Römischen Kirche als schismatisch ausgegrenzt wurden. Deren Nachfolger leben verteilt in fünf Ghettos in Paris, zusammen mit jenen, die nicht zum Islam übergetreten sind. Sie treffen sich immer wieder, wie zur Zeit der Katakomben-Christen in den ersten Jahrhunderten des Christentums, zu Heiligen Messen und bereiten sich auf ihr Martyrium vor.

Nicht nur im Blick auf einen arroganten und militanten Islamismus kann man sich dem Roman nähern. Auch und gerade im Blick auf das Christentum und die katholische Kirche im Besonderen ist die Lektüre des Buches eine Herausforderung. Wir erleben es ja, wie sich die Kirche immer tiefer einlässt auf die weltlichen Dinge. Rom lässt sich vereinnahmen von linken politischen Strömungen. Traditionelle katholische Positionen zum Lebensschutz und zur Familie werden verleugnet. Das kirchlich-liturgische Leben wird profaniert und verflacht mehr und mehr. Gleichzeitig aber entstehen in der Kirche neue Bewegungen, die das katholische Erbe bewahren und schützen wollen. Es wird wiederbelebt, was in einer Zeit, die durch ihre Anbiederung und Anpassung an die Welt und ihre zweifelhafte theologisch-psychologische Gesellschafts- und Weltverbesserungspolitik verloren gegangen ist. Nicht unerwähnt kann bleiben, dass auch wieder neue geistliche und monastische Zentren entstehen, verteilt über den ganzen Erdkreis.

Ist es vor diesem Hintergrund noch verwunderlich, wenn Jelena Tschudinowa in ihrem Roman den Papst abdanken lässt? Es mag drastisch klingen, wenn bei ihr der Petersdom als Müllkippe für den Abfall Roms dient. Tatsächlich beschreibt die Autorin ein düsteres Bild Westeuropas. Sind nicht unsere Großstädte heute schon teilweise ghettoisiert? Dass im Roman ausgerechnet Paris zu einem Kristallisationspunkt wird, ist nicht verwunderlich. Hier gewinnt die radikale Richtung des Islams mit Hilfe der Scharia die Oberhand und erdrückt den Katholizismus auf allen Ebenen. Sogar die Weinberge Frankreichs werden gerodet, damit kein Wein mehr für Heilige Messen erzeugt werden kann: „Schließlich werden die Weinberge abgeholzt, die Zufluchtsorte entdeckt werden. Das letzte Missale wird vernichtet und der letzte Priester getötet werden.“

Der Roman ist nichts für zarte Gemüter, weder sprachlich noch durch seine Beschreibungen der Ereignisse; wohl aber für solche, die die Zeichen der Zeit erkannt haben oder erkennen wollen. Schon früh wird klar, wer die Helden sind. Es sind diejenigen, die katholisch geblieben sind oder katholisch geworden sind: bewusst, aus Überzeugung und ganz in der katholischen Tradition verwurzelt. Die russisch-orthodoxe Jelena Tschudinowa erweist sich als Kennerin der der katholischen Kirche. Sie weiß: „Jahrhundertelang hat die römische Kirche ‚Nur ich habe recht‘ verkündet! Im 20. Jahrhundert hat der Liberalismus sie zerfressen und sie hat gesagt, ‚jeder hat auf seine Art recht‘. Das war das Ende des Katholizismus.“ Doch die Hoffnung ist eine Tugend. „Wenn es keine Liturgie mehr gibt, wird das Ende aller Tage kommen.“ Dieses Wort lässt die Autorin den jungen Priester Lotaire sagen. Ganz sicher steht dieser zu seiner Berufung und zum Kreuz Christi: „Ich will, dass es die Liturgie gibt. Solange es noch einen Priester gibt, wird es auch einen Tropfen Wein und eine Handvoll Weizenmehl geben. Dafür sterben wir, dafür nehmen wir Qualen auf uns.

Erstveröffentlicht durch KATHOLISCHE UMSCHAU (Oktober 2017)

Die Autorin des Buches „Die Moschee Notre-Dame Anno 2048“, Jelena Tschudinowa, läßt den 33-jährigen katholischen Priester Lotaire weiter sagen:

„Ich denke, sie, diese Priester des 20. Jahrhunderts, schmoren in der Hölle, die sie ebenfalls für eine Metapher hielten. Sie haben den Niedergang der römisch-katholischen Kirche zu verantworten und dass sie schließlich aufgehört hat zu existieren. Ihnen ist der närrische Wahlspruch zu verdanken, dass alle im Recht seien, Sie, und Sie und natürlich auch Sie, jeder auf seine eigene Art und Weise. Alle Völker gehen zu Gott, nur hat jedes eben seinen eigenen Weg! In diesem Fall braucht man auch gar nicht mehr zu missionieren!

Aber ohne die Gewissheit, dass sie das einzige Gefäß der Wahrheit ist, kann die Kirche Christi nicht überleben. Es ist ein Auge ohne Sehkraft, ein Körper ohne Seele. Jahrhundertelang hat die römische Kirche ‚Nur ich habe recht verkündet!‘ Im 20. Jahrhundert hat der Liberalismus sie zerfressen und sie hat gesagt, ‚jeder hat auf seine Art recht‘. Das war das Ende des Katholizismus. Danach kam der Modernismus, das heißt eine leicht theatralisierte humanistische Quasselbude.

Weißt du, was man uns im Seminar gelehrt hat? Wenn eine Hostie zu Boden gefallen ist, muss der Priester niederknien, an dieser Stelle den Stein ablecken, einen speziellen Meißel nehmen und jene Schicht des Bodens, die die Hostie berührt hat, pulverisieren. Danach muss man dieses Steinpulver auflesen. Kurz gesagt, es ist sehr viel zu beachten. Dies alles mag idiotisch erscheinen, wenn man einmal von der Ausnahme absieht, dass man daran glaubt, es mit dem Fleisch Christi zu tun zu haben.

Wenn man aber meint, die Hostie sei nur symbolisch das Fleisch Christi, sie ersetze es also, dann kann man sie aufheben, ruhig in die Tasche stecken und später ohne Federlesen über diese Stelle hinweggehen, so wie es die Modernisten siebzig Jahre lang getan haben. Mehr noch, die überzähligen Oblaten wurden nach der Messe einfach weggeworfen! Stell dir nur vor, der Körper Christi ist Abfall, überflüssig. Und wer will schon für eine Oblate sterben, die man direkt aus der Patene in den Mülleimer schüttet?

Als nun der wirkliche Feind kam, der sich als alleiniger Träger der Wahrheit ansah und die ach so nachgiebigen liberalen Katholiken klammheimlich als Dummköpfe betrachtete, da wollte niemand sterben. Und an ihrer Stelle ist es die römische Kirche gewesen, die gestorben ist.“

Jelena Tschudinowa
Die Moschee Notre-Dame. Anno 2048. Roman.
Aus dem Russischen von Barbara Lehmann.
Mit einem Nachwort der Autorin
Renovamen-Verlag 2017
434 Seiten, gebunden mit Lesebändchen; 22,00 €
ISBN: 978-3956211287

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