Betrachtung zum 1. Advent

Es ist Glaubenssatz, dass es zwei Gerichte gibt, ein besonderes, das über jeden Menschen nach seinem Tode ergeht, und ein allgemeines für alle Menschen am Ende der Welt.

1. Stellen wir uns vor, in diesem Augenblick würde das Wort der Schrift wahr: „Wie der Blitz aufleuchtend von einem Ende zum anderen unter dem Himmel dahinfährt, so wird es mit dem Menschensohn sein an seinem Tage“ (Lk 17,24).

2. Wir beten mit der Kirche: „Wenn Du wiederkommst zum Gerichte, o Herr, verdamme mich nicht.

1. Die Zeichen am Himmel

Die heiligen Evangelisten (Mt 24,29; Mk 13,24; Lk 21,25) haben den heraufziehenden Gerichtstag genau beschrieben:

Die Sterne fallen vom Himmel, die Kräfte des Firmamentes werden erschüttert. Da erbebt die Erde. Gräber tun sich auf. Die Wogen des Meeres toben mit furchtbarem Getöse. Die Luft wird von den Schlägen des Donners erzittern, und mitten hinein in das Chaos tönen die Posaunen des Jüngsten Gerichtes.

Wenn der Mensch aus Angst um sein leibliches Leben in den Schrecken dieser Welt oft fürchterlich leidet, wie erst muss dann das Entsetzen ihn schütteln, wenn es am Tage des Gerichtes um Leib und Seele geht.

Und doch, was sind alle Schrecken der Welt, die dem Gerichte vorausgehen im Vergleich mit der Hölle! Was ist die Verfinsterung der Sonne gegen die ewige Finsternis.

Was ist der rollende Donner gegen die schreckliche Gerechtigkeit des zürnenden Gottes! Sind nicht die vielen, so trefflich ausgestatteten Menschen, die der Kirche und dem Himmel entrissen werden, um in den Abgrund der Hölle zu fahren, ebenso viele vom Himmel gefallene Sterne! Und was sind schon die Schrecken der Natur gegen die hasserfüllten Geister, die über die Sünder herfallen.

Mein Gott, wie sollte ich mich nicht beim Gedanken an meine vielen Sünden vor dem Tage des Gerichtes fürchten! O lass mich die Sünde mit aller Gewalt meiden. Gib Du mir Deine Gnade. Lass mich immer gerechter werden, lass mich in Unschuld wandeln. Schenk mir das Glück, Dir zu gefallen und in Deiner Liebe zu leben. Alle, die Deinen Willen tun, werden am Tage des Gerichtes nicht erschrecken, ja alles Leid, das sie in Deinem Namen trugen, wird sie mit Freude erfüllen. Dann wird das Wort für sie wahr: „Wenn aber das (Ende) kommt, so schaut empor und erhebet eure Häupter, denn eure Erlösung naht!“ (Lk 21,28)

2. Weltenbrand und Höllenfeuer

Der hl. Petrus schreibt in seinem zweiten Brief: „Der jetzige Himmel jedoch und die jetzige Erde sind durch das nämliche Wort für das Feuer aufgespart, sie sind aufbewahrt für den Tag des Gerichtes und des Verderbens der gottlosen Menschen“ (2Petr 3,7).

So wird die Prophezeiung Joels in Erfüllung gehen: „Gott wird ein verzehrendes Feuer vor sich herjagen und verwüstende Flammen hinter sich herziehen lassen. Wie Edens Garten liegt das Land vor ihm, doch hinter ihm ist trostlose Wüste. Es gibt kein Entrinnen vor ihm“ (Joel 2,3). Das also ist das Los aller technischen Errungenschaften, aller Wirtschaftsgüter, aller Paläste, aller Throne, aller Denkmäler menschlicher Größe. Sie werden ein Raub der Flammen. Und dieses Feuer, das die göttliche Gerechtigkeit entfacht, wird die Bösen schon vor ihrer Verdammnis peinigen. Wenn die Toten auferstehen, gibt es zwar in Ewigkeit keinen Tod mehr. Weil aber die Leiber der Gottlosen keinen übernatürlichen Schutz besitzen, sind sie der Wucht der Elemente preisgegeben. Obendrein werden sie die Flammen, sobald das Urteil gesprochen ist, wie ein Strom umschlingen und in die Hölle hinabreißen. Die Gerechten aber werden aus dem Schrecken dieser Tage nur noch geläuterter und glänzender hervorgehen.

Ja, möchten wir zu den Gerechten gehören! Ihr Leben ist in Gottes Hand. Keine Drangsal wird sie bedrängen. Mein Gott, was muss ich tun, um dieses glückliche Los zu verdienen? Ich erwarte es einzig von den Verdiensten Deines vielgeliebten Sohnes. O Herr und Heiland, ich beschwöre Dich bei allem, was Du für mich gelitten hast, verzeihe mir meine Sünden. Vergiss meinen Undank und stehe mir wirksam bei. Hilf mir jene Tugenden zu erwerben, die notwendig sind, um zu Deinen Auserwählten zu gehören.

3. Wann kommt das Weltgericht?

Über den genauen Zeitpunkt des Weltgerichtes wissen wir nichts, Tag und Stunde kennt der Vater allein. Aber es wird plötzlich kommen. Der hl. Lukas schreibt (Lk 17,26-30): „Wie es in den Tagen Noes zuging, so wird es auch gehen in den Tagen, da der Menschensohn kommt: Man aß und trank, man freite und ließ sich freien bis zu dem Tage, an dem Noe in die Arche ging. Da kam die Flut und vertilgte alle. Ebenso ging es in den Tagen Lots: Man aß und trank, man kaufte und verkaufte, man pflanzte und baute. An dem Tage aber, da Lot aus Sodom wegging, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und vertilgte alle. Gerade so wird es sein an dem Tage, da der Menschensohn kommt.“

Mein Gott, ist es nicht auch heute so? Lebt die Welt nicht so wie zu Noes und Sodoms Tagen? Wer denkt an Dein Gericht? Die Menschen scheinen den Schlaf des Todes zu schlafen. Weder Krankheit noch Kriege, noch Erderschütterungen, noch Katastrophen und Unglücke jeglicher Art rütteln die Menschen auf. Ihre Sinne sind von den Freuden und Geschäften der Welt wie benommen. Sie werden erst wach, wenn das Zeichen des Menschensohnes erscheint.

Glücklich der Mensch, der im Treiben der Welt nicht untergeht, sondern frei von ihren schlechten Grundsätzen über den Dingen steht. O Herr, wie dankbar müssen wir Dir sein, dass Du uns vor der Welt bewahrt hast. Wenn wir aber Deiner Güte entsprechen wollen, müssen wir auch ständig auf der Hut sein, müssen den Tag erwarten, da Du zum letzten Mal kommen wirst. Dieser Tag wird uns nicht überraschen, wenn wir uns täglich durch Gebet und gute Werke rüsten.

(Ludwig de Ponte. Meditationen)

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